Ein Tag im Stall mit Nomi
Autor: Von unserer Mitarbeiterin Leonie Schneider
Westheim, Montag, 10. April 2017
Viele Milchbauern in Deutschland müssen aufgeben. Nicht so die Familie Mulzer. Wir haben sie auf ihrem Bauernhof in Westheim (Lkr. Kitzingen) besucht.
Ute Mulzer hockt sich neben Nomi und tätschelt ihr den braun-weiß gefleckten Bauch, damit sie einen Schritt zur Seite geht. Nomi bleibt ganz ruhig, als ihr Euter gesäubert und das Melkzeug angelegt wird. Sie kennt das ja. Während die frische Milch über eine Unterdruckleitung in einen der Kühltanks fließt, ist die Landwirtin schon unterwegs zur nächsten Kuh. Nomi teilt sich ihr Zuhause nämlich mit etwas mehr als 50 weiteren Milchkühen, von denen 40 morgens und abends gemolken werden müssen. Bei Mulzers steckt die Stallarbeit voller Mühe, schon am Morgen gibt es viel zu tun: Während seine Mutter melkt, ist Tobias Mulzer dabei, die Tiere mithilfe einer Schaufel mit frischem Futter zu versorgen. Vater Werner Mulzer kümmert sich um die Kleinsten, er füllt angewärmte Milch aus Kannen in die Eimer der Kälber. Alles ist genau so, wie sich Kinder einen Bauernhof vorstellen. Fast eine Bilderbuch-Idylle. Wie lange es den Hof schon gibt, weiß Werner Mulzer nicht genau. „Auf jeden Fall länger als mich“, sagt er. Seine Urgroßeltern haben den Hof in Westheim, einem Ortsteil von Biebelried (Lkr. Kitzingen) gekauft, seitdem ist er in der Familie geblieben.
Jeden zweiten Tag kommt das Milchauto
Die Milch ist der Hauptverdienst der Mulzers. Jeden zweiten Tag kommt das Milchauto und holt etwa 1700 Liter Milch für die Molkerei Zott ab, dort wird sie dann zu verschiedenen Produkten wie Joghurt oder Käse verarbeitet. Im Moment werden für einen Liter Milch etwa 30 Cent gezahlt. Nach der täglichen Morgenroutine und einem gemeinsamen Frühstück warten weitere Arbeiten rund um das Haus und die Ställe. „Jeden Tag steht etwas anderes an, es wird nie langweilig“, sagt Tochter Daniela Kißner, die nach ihrem Bürojob auf den Hof der Eltern kommt, um zu helfen. Weil es langsam wärmer wird, ist Ute Mulzer momentan dabei, die Kühe mit einer Schermaschine vom Winterfell zu befreien. Zum Wellnessprogramm gehört auch die regelmäßige Klauenpflege. Ansonsten müssen der Stall sauber gehalten und die Milchleitungen gereinigt werden. An manchen Tagen kommt der Tierarzt, an manchen ein Kälbchen.
Zusätzlich betreiben Mulzers noch Ackerbau, dafür ist besonders Tobias Mulzer zuständig, der seinen Landwirtschaftsmeister gemacht hat. Die Futtergrundlage für die Milchkühe, wie Mais, Klee, Gerste und Gras, erntet der junge Landwirt auf den eigenen Feldern und Wiesen. Nur spezielles Eiweißfutter mit Raps und Soja wird zugekauft. Momentan nutzt er das sonnige Wetter, um Zuckerrüben zu säen. Nomi und die anderen Kühe dagegen verbringen einen sehr entspannten Tag, gemütlich wiederkäuend liegen sie im Stall – bis es abends wieder Futter gibt und Ute Mulzer zum Melken kommt.
Einmal im Jahr hat jede Kuh Nachwuchs
Kühe geben nur Milch, wenn sie zuvor ein Kalb geboren haben. So steht bei jeder der Milchkühe etwa einmal im Jahr Nachwuchs an. Mit etwa eineinhalb bis zwei Jahren ist eine Kuh alt genug, um zum ersten Mal trächtig zu werden. Dafür wird bei Mulzers aber kein Bulle gebraucht. Daniela Kißner wartet den richtigen Zeitpunkt ab, die Brunst der Kuh, um dann eine künstliche Besamung durchzuführen. Wenn alles funktioniert, wird neun Monate später ein Kälbchen geboren. Eine Weile vor dem Abkalben bekommen die trächtigen Kühe eine Erholungspause, in der sie nicht gemolken werden: sie werden trockengestellt.
Nomi hat mit ihren sechs Jahren bisher vier Kälber auf die Welt gebracht. „Insgesamt sind es etwa 60 bis 70 Kälber im Jahr auf unserem Hof“, sagt Tobias Mulzer. „Wir haben auch öfter mal Zwillinge, erst vor ein paar Tagen sind welche geboren.“ Er zeigt auf zwei besonders kleine Kälber, die entspannt im Stroh liegen und die Morgensonne genießen. Die meisten weiblichen Kälber dürfen auf dem Hof bleiben, die männlichen werden auf dem Kälbermarkt in Dettelbach verkauft.
Nach der Geburt folgt die Laktationszeit der Mutterkuh, also die Zeit, in der sie Milch gibt, bevor sie zum nächsten Mal trockengestellt wird. In ihrer letzten Laktationszeit hat Nomi insgesamt 8000 Liter Milch gegeben, besonders fleißig war ihre Stallgenossin Sitos mit stolzen 11 000 Litern.
Die Durchschnittskuh liefert heute 7550 Liter Milch im Jahr
2016 lieferte die Durchschnittskuh 7700 Kilogramm Milch, also 7550 Liter – im Jahr 1970 war es nur etwa die Hälfte dieser Menge. Davon, dass die Zucht der Milchkühe auf immer mehr Leistung ausgerichtet ist, hält Daniela Kißner nicht viel: „Der Preis dafür ist viel zu hoch, die Tiergesundheit leidet darunter.