Druckartikel: Drohen die Wirtshäuser im Landkreis auszusterben?

Drohen die Wirtshäuser im Landkreis auszusterben?


Autor: Sabine Memmel

Gnötzheim, Dienstag, 02. April 2013

In Gnötzheim ist die Welt noch in Ordnung: Einmal in der Woche öffnet die Kneipe. In vielen anderen Gemeinden ist das aber nicht mehr so - ein Verlust, nicht nur für die Bewohner.
An der Theke in der Kneipe in Gnötzheim. Foto: Sabine Herteux


Jeden Freitag stehen sie hinter der Theke. Schenken Bier ein, machen Brotzeit, kümmern sich um die Gäste. Für Roswitha Ehmann, Elke Koschnicke und Harald Kammleiter ist das selbstverständlich. Würden sie und ein paar andere Freiwillige es nicht tun, würde es keiner tun, wäre in Gnötzheim tote Hose. Die "Alte Schule" ist für viele Anlaufpunkt. Der einzige Anlaufpunkt. "Es wäre schlimm für Gnötzheim, wenn wir die Kneipe nicht hätten. Dörfer brauchen einen Treffpunkt, sonst schläft der soziale Kontakt ein", sagt Roswitha Ehmann.

Schon vor mehr als 25 Jahren haben die einzigen beiden Kneipen geschlossen. Sowohl im "Gasthaus zur Eisenbahn" als auch im "Gasthaus zur Krone" fehlte eine Nachfolge. Keiner wollte die Wirtshäuser übernehmen. Gnötzheim war kneipenlos. Die Gemeinde wollte das nicht hinnehmen, ließ 1989 die ehemalige Schule zu einem Wirtshaus umbauen. Sie ist der öffentliche Träger - rund 15 Bürger kümmern sich um den Ausschank, den Einkauf und die Abrechnung.


Treffpunkt für das ganze Dorf

"Wenn wir die Kneipe nicht hätten, wäre das echt ein Problem", findet Harald Kammleiter. Denn neben den regelmäßigen Treffen von Vereinen und Familienfeiern kommt es im normalen Wirtshausbetrieb doch vor allem auf eines an: "Es ist Leben da! Irgendjemand trifft man immer. Man kann sich unterhalten und erfährt mal wieder was", sagt Elke Koschnicke.

Nicht überall im Landkreis können Gemeinden auf diese Lösung zurückgreifen. Vor allem im ländlichen Bereich breitet sich das Wirtshaussterben immer weiter aus. "Das traditionelle Wirtshaus gibt es nicht mehr", glaubt Michael Seufert, Kreisvorsitzender des Hotel- und Gaststättenverbands Unterfranken. Früher sei alles noch anders gewesen. Da haben sich alle in der Wirtschaft getroffen, entwickelte sich dort die Dorfgemeinschaft und der Zusammenhalt. "Früher hat sich das Leben in Gasthäusern abgespielt. Stattdessen trifft man sich heute in Vereinsheimen." Einheimische Wirte sollten bei Festen des Vereinsleben deshalb mehr eingebunden werden. Dazu rief der Hotel- und Gaststättenverband nun die Initiative "Feiern mit Wirt in Bayern" ins Leben, die sich für eine Zusammenarbeit zwischen Organisatoren von Festen und Wirten einsetzt.

Doch nicht nur die Wirte und die Dorfbewohner - auch die Brauereien bekommen das Wirtshaussterben teilweise mit voller Wucht zu spüren. "Das ist ein laufender Prozess seit mindestens zehn Jahren", sagt Friedrich Düll, Leiter der Privatbrauerei Kautheimer und Präsident des Bayerischen Brauerbundes. Die Brauereien im Landkreis seien davon ganz unterschiedlich betroffen - je nach dem, ob sie eher im touristischen Gebiet angesiedelt sind oder nicht. Für Düll ist unter anderem das veränderte Ausgehverhalten eine Ursache für die immer häufigeren Schließungen von Wirtschaften: "Wir haben Fernsehen mit 150 Programmen und glühen heftiger und später vor als früher - davon kann kein Gastronom leben."

Auch für Karl-Heinz Pritzl von Kauzen-Bräu in Ochsenfurt ist das Wirtshaussterben längst spürbar geworden. Von bis zu fünf Schließungen ist seine Brauerei jährlich betroffen. "Das tut schon weh. Zumal wir mit Umsatzverlusten zu tun haben, die kaum mehr aufzuhalten sind", beklagt Pritzl.

Der Glücksfall wäre es, wenn das Kind die Wirtshausnachfolge der Eltern übernimmt. Das kommt Pritzl zufolge allerdings kaum noch vor. "Die Kinder sind heute hochqualifiziert, ziehen in die Stadt und wollen etwas anderes machen", erklärt er. Die Eltern arbeiten deshalb oft bis ins hohe Alter - bis sie nicht mehr können. "Ich habe eine Wirtschaft gekannt, da haben sogar die Gäste mitgeholfen, weil sie nicht wollten, dass zu gemacht wird."


Spezialisierung ist das A und O

Und damit hören die Probleme noch nicht auf. Denn vor allem jüngere Menschen bleiben laut Pritzl aus und fühlen sich von der Gastronomie auf dem Land immer weniger angesprochen: "Junge Leute setzen sich nicht mehr an den Stammtisch." Zumal würde heutzutage generell weniger getrunken, viele leben gesundheitsbewusster - der Bedarf wird weniger. Für die Wirtshäuser, die es noch gibt, wird somit auch die Abhängigkeit von Touristen größer.

Ein wirkliches Patentrezept, das Kneipensterben aufzuhalten, gibt es für ihn aber nicht. Langfristig, glaubt Pritzl, wird es nicht gar keine Wirtshäuser mehr geben, aber deutlich weniger. Letztendlich bedeutet die Schließung einer Gaststätte vor allem für den Ort einen immensen Verlust. "Viele versuchen das im Pfarrhaus zu kompensieren, aber das ist nicht dasselbe."

Diese Meinung teilt auch Eckhard Himmel von der Privatbrauerei Kesselring in Marktsteft: "Statt in der Kneipe sitzen heute viele vor dem Computer oder dem Fernseher." Auch Himmel hat mit Umsatzeinbußen zu kämpfen. Bei ihm sind es ein bis zwei Wirtshäuser, die er pro Jahr verliert. "Auch das Rauchverbot hat zum Wirtshaussterben beigetragen. Die Verweildauer in der Wirtschaft ist gesunken." Eine Kneipe müsse heute etwas Besonderes an sich haben, die Erwartung der Gäste sei gestiegen. Deswegen sei es gerade künftig so wichtig, dass sich jedes Wirtshaus auf etwas ganz eigenes spezialisiert.

Die Gnötzheimer sind mit dem zufrieden, was sie haben. Zufrieden, dass sie überhaupt etwas haben. Und so kommen sie auch morgen wieder in die "Alte Schule". Solange es sie noch gibt.


Kneipensterben - woran liegts?


Studie Die katholische Unversität Eichstätt-Ingolstadt untersucht derzeit im Auftrag des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes das Kneipensterben.

Auswertung Die vorläufigen Ergebnisse zeigen, dass mit dem allgemeinen Bevölkerungsrückgang im ländlichen Raum auch ein Verlust der Nahversorgung und somit der Wirtshäuser einhergeht. Auch die Zunahme der Mobilität und eine Änderung im Konsum- und Freizeitverhalten könnte im Zusammenhang mit dem Wirtshaussterben stehen. Ebenso die Konkurrenz der Vereinsheime und die oft fehlende Wirtshausnachfolge sind mögliche Gründe. Dem Rauchverbot die Schuld zu geben, davon rät Florian Kohnle, wissenschaftlicher Mitarbeiter, allerdings ab: "Das Rauchverbot gibt es erst seit ein paar Jahren, das Wirtshaussterben seit Jahrzehnten."

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