Druckartikel: Dokumente aus der Nazi-Zeit für Schüler

Dokumente aus der Nazi-Zeit für Schüler


Autor: Sabine Paulus

Kitzingen, Dienstag, 06. November 2012

Das Medienzentrum des Landkreises gibt eine neue Schullektüre mit dem Thema "Drittes Reich" an die Schulen aus. Sie basiert auf den Aufzeichnungen des Widerstandskämpfers Joseph Egner.
Autor Nikolaus Arndt, Siegfried Eschner vom Medienzentrum und Liddy Lenner, eine Tochter Joseph Egners.  Foto: Sabine Paulus


Wird man durch eine Uniform zum Nazi? Was macht einen Mitläufer aus? Ist man durch eine erzwungene Parteimitgliedschaft ein Mitläufer? Dem Kitzinger Widerstandskämpfers Joseph Egner erging es so. Dies dürfte die Schüler, die die Klassen-Ausgabe des Buches "Das andere Kitzingen" von Nikolaus Arndt zum Kopfschütteln bringen.

Bevor Egner 1939 von Bad Brückenau an das Kitzinger Finanzamt versetzt wurde, hatte er schon vier Jahre sehr erfolgreich gegen das nazistische System gekämpft. Vom Alten Finanzamt in Kitzingen aus, dem heutigen Polizeigebäude, baute Egner eine Widerstandsgruppe auf. Wie ging er dabei vor? Auch das können die Schüler in der Lektüre erfahren. Ein Beispiel: Egner nahm bei einer dienstlichen Anfrage seine kleine Tochter mit zur NSDAP-Ortsgruppe in der Adolf-Hitler-Straße mit und bat die Angestellte, die kleine Tochter aus dringendem Anlass auf die Toilette zu begleiten. Dies war dann die Gelegenheit für Egner, das Protokollbuch, in dem alle Veranstaltungen der Partei seit 1923 standen, zu entwenden.


Verpflichtende Parteiarbeit


Die Aktionen von Egner und seinen Mitstreitern reichten von Widerstandsmaßnahmen bis zur Planung eines bewaffneten Aufstandes. Gewehre dafür lagerten in der Registratur des Alten Finanzamtes, in Buchbrunn bei Hauptlehrer Weißensee und im städtischen Schlachthof in der Wörthstraße bei dem Tierarzt Dr.

Endres.
Egners Problem war, dass er als Finanzbeamter verpflichtende Parteiarbeit leisten musste. Die Musikkapelle, die er leitete, trat seit 1933 in SA-Uniform an. Und am 20. April 1938 wurde Egner am härtesten getroffen: Er erhielt wider Erwarten eine Parteimitgliedskarte - eine ganz hinterhältige Falle, weil eine Zurückweisung völlig ausgeschlossen war.

Autor Nikolaus Arndt hat sich mit "Stadt und Umland im Dritten Reich, Nichtanpassung - Widerstand - Zwangsarbeit" befasst. Seit 20 Jahren liegt das Manuskript auf seinem Schreibtisch, nun hat es der Wiesentheider mit Hilfe von Siegfried Eschner, dem Leiter des Medienzentrums des Landkreises, veröffentlicht.


Eschner als Mitläufer eingestuft


Das Buch besteht aus Originaldokumenten von Joseph Egner. Eschner und Arndt sind miteinander in Kontakt getreten. Eschner sah sich alles an. "Ich habe geguckt, was sich didaktisch gut verwerten lässt", sagte er gestern bei einem Pressetermin. Eschner hat den Aufzeichnungen Arndts Bildmaterial sowie die Urteile über das Mitläufertum beigefügt. Denn Egner wurde am 22. August 1947 von der Spruchkammer in Kitzingen in die Gruppe der Mitläufer eingestuft. Auf die Berufung hin bestätigte die Berufungskammer Ansbach am 7. Juli 1949 den Spruch. Ein Jahr später wurde dies alles wieder aufgehoben.

Die Bilder zeigen die Spuren des Nationalsozialismus in den Straßen von Kitzingen. Das Dokument von Joseph Egner führt in den illegalen Untergrund. Bei der Vorstellung des Buches und der Klassenlektüre war Liddy Lenner aus Nürnberg, eine Tochter Joseph Egners, anwesend. Nikolaus Arndt erzählte, er habe herausbekommen, dass eine Casteller Familie mit der Schwester von Liddy Lenner bekannt ist. Lenner erinnert sich selbst noch an die Aufmärsche der Nationalsozialisten und daran, wie straff und militärisch organisiert das Leben damals war.