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Die Uhren werden wieder auf Winterzeit gestellt


Autor: Tom Müller

Kitzingen, Samstag, 27. Oktober 2012

Die Uhren werden eine Stunde zurück gestellt. Vielen Menschen bereitet die Zeitumstellung aber große Probleme. Und andere haben damit deutlich mehr Arbeit.
So wär's früher gegangen: Stadtkirchner Karl-Heinz Schilling greift ins Räderwerk der Kirchturm-Uhr. Kirchen-Uhren von heute werden in der Regel ferngesteuert.


"Man sollte der Merkel mal einen Brief schreiben, damit sie das ändert." Elisabeth Wittenborn kann der Zeitumstellung im Frühjahr und jetzt im Herbst nichts abgewinnen. Die 98-Jährige ist eine von 79 Bewohnern im "Haus der Pflege" in Sickershausen. Mit einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel spricht sie vielen aus der Seele.

Aber auch wenn Angela Merkel nicht für die Zeit zuständig ist, so wünscht man sich doch einen Schuldigen, den man für diese Stunde vor und zurück verantwortlich machen kann.Die Umstellung von Sommer- auf Winterzeit, wie wir sie momentan erleben, gibt es in Deutschland seit 1980.

Die bessere Nutzung des Tageslichts sollte Energiekosten sparen - so die Idee, die heute mehr als umstritten ist. Während der Sommerzeit wird zwar abends elektrisches Licht gespart, dafür wird in den noch kälteren Monaten im März, April und Oktober am Morgen mehr geheizt.

Das Bundesumweltamt geht davon aus, dass der Energieverbrauch dadurch eher zunimmt.

Was viele nicht wissen: Die Zeit dem Tageslicht anzupassen, ist gar keine Erfindung der 70er Jahre. Nur zwischen 1950 und 1980 gab es in Deutschland keine Sommerzeit. Erstmalig eingeführt wurde die Sommerzeit in Deutschland 1916. Da war Elisabeth Wittenborn zwei Jahre alt. Damals hat ihr das wahrscheinlich wenig ausgemacht, heute bemerkt sie die Stunde mehr und vor allem die Stunde weniger im Frühjahr ganz deutlich. Wie ihr geht es vielen Senioren.

Ein Problem für ältere Menschen

"Unsere Heimbewohner wachen natürlich zu ihrer gewohnten Zeit auf", erklärt Uschi Vogel, Ergotherapeutin und Musikgeragogin im Haus der Pflege. "Nur kommt das Pflegepersonal dann eben eine Stunde später und es gibt dann nicht zur gewohnten Zeit Frühstück." Da knurrt vielen dann der Magen. Der Rest des Tages bereite den älteren Menschen nicht ganz so viele Probleme, da dann die zeitlichen Abstände zu den Beschäftigungsprogrammen oder den Mahlzeiten wieder stimmen. "Zwei bis drei Tage dauert es bei den meisten, bis sie sich an den veränderten Rhythmus gewöhnt haben", erzählt Uschi Vogel. "Nach der Umstellung auf die Sommerzeit dauert dieser Prozess oft eine Woche. Die Stunde weniger verkraften ältere Menschen noch schlechter."

Moderne Altenheime versuchen mit technischen Mitteln, ihren Bewohnern einen an das Tageslicht angepassten Rhythmus zu erleichtern, vor allem, wenn sie das Haus nur noch selten verlassen können.

Im Haus der Pflege ist zum Beispiel in einem der Wohnbereiche ein Lichtkonzept im Einsatz, das je nach Beleuchtungsstärke den natürlichen Sonnenstand imitiert.

Frauen scheinen einer aktuellen forsa-Umfrage im Auftrag der KKH-Allianz zufolge mehr Probleme mit der Zeitumstellung zu haben als Männer. Demnach haben 46 Prozent aller Frauen gegenüber 36 Prozent der Männer größere Probleme, wieder in die gewohnten Schlafrhythmus zurückzufinden.

Heike Seitz vom Juwelierhaus Oppenländer am Kitzinger Marktplatz kann derartigen Studien nur wenig abgewinnen. "Wenn man zum Christmas Shopping nach New York fliegen kann, ist die Zeitverschiebung noch größer", meint sie kopfschüttelnd. "Wie viele machen das und jammern danach nicht. Das ist alles Ansichtssache."

500 Uhren ticken anders


Ansichtssache ist vor allem etwas, das ihren Alltag momentan stark beeinflusst. Rund 500 Uhren liegen nämlich zur Ansicht im Schaufenster oder den Vitrinen. Die müssen alle auf die neue Zeit umgestellt werden. "Das machen wir seit einer Woche", erklärt Uhrmachermeister Udo Seitz. "Wer Zeit hat, dreht an den Uhren und stellt die nach und nach um."

Nicht mehr gedreht wird an den großen Uhren der Stadt.

Stadtkirchner Karl-Heinz Schilling muss zum Glück nicht nachts um drei Uhr hoch zur Uhr der Evangelischen Stadtkirche. Seine Vorgänger hätten noch ins Räderwerk des mechanischen Stellmechanismus aus dem 19. Jahrhundert eingreifen und die Kirchturmuhr für eine Stunde anhalten müssen. "Heute geht das zum Glück vollautomatisch", erklärt Schilling lachend. "Die Uhr geht funkgesteuert." Und damit hat er nichts zu tun. "Falls aber das Sieben-Uhr-Vorläuten am Sonntag um acht Uhr ertönt, dann wissen wir, dass die Funkuhr kaputt ist." Und die steht in Frankfurt.