Die Frau im Revier
Autor: Diana Fuchs
Iphofen, Donnerstag, 30. Januar 2020
Immer mehr Frauen, darunter viele junge, machen den Jagdschein. Die Fränkin Anna Then sagt: Die Jagd hat als Männerdomäne ausgedient.
Es ist kühl, aber sonnig. Das Laub auf dem Boden ist an schattigen Stellen gefroren. Hier knackt es bei jedem Schritt. Zumindest bei jedem Menschens chritt. Arri dagegen scheint über den Waldboden zu fliegen. Fast lautlos, aber voller Leidenschaft fegt der junge Hund den Pfad zwischen den Bäumen entlang. Plötzlich bleibt der schokobraune Pudelpointer wie erstarrt stehen und hält die Schnauze in den Wind. Er hat Witterung aufgenommen. Wovon? Anna Then entdeckt es: "Da haben Wildschweine gewühlt." Die dunklen Löcher im Waldboden sind frisch. Abdrücke der Paarhufe sind zu erkennen. Anna lobt Arri. "Er ist sehr gelehrig und hat richtig Spaß an der Arbeit draußen." Damit passt er gut zu seinem Frauchen. Die 28-Jährige hat ihren ersten Beruf - sie ist Schreinerin - an den Nagel gehängt, um mit und in der Natur zu arbeiten: als Pferdewartin, Hundeausbilderin, Landwirtschaftshelferin und nun auch Jungjägerin.
Frauen und Jagd - früher gab es da kaum eine Verbindung. Die Damen durften den Herren der Schöpfung nach der Jagd das Essen servieren. Beim "Schüsseltreiben" selbst waren sie jedoch nicht mehr dabei. Das ist inzwischen anders. Die Jagd wird immer jünger und immer weiblicher.
"Der Anteil der Frauen liegt bei knapp zehn Prozent, Tendenz steigend", stellt Dr. Gertrud Helm fest. Die Pressereferentin des Bayerischen Jagdverbandes betont, dass in den Ausbildungskursen aktuell rund 30 Prozent der Teilnehmer weiblich sind. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die Zahl der Jägerinnen Jahr für Jahr immer mehr erhöht. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht.
Anna Then hat den Jagdschein aus mehreren Gründen gemacht. Einer der wichtigsten: "Ich liebe die Zusammenarbeit mit Hunden sehr. Und nirgends ist sie intensiver als beim gemeinsamen Jagen." Neben Arri hat die 28-jährige Fränkin, die aus Sommerach am Main stammt und im unterfränkischen Dornheim wohnt, auch einen elfjährigen Dackel-Terrier-Mix namens Jule. Mit beiden ist sie täglich in Wald und Flur unterwegs. "Wir genießen es, im Freien zu sein", sagt Anna Then. "Ich liebe besonders die Ruhe und die Zeit zum Nachdenken." Weil sie sicher ist, dass "das ökologische Gleichgewicht in der Natur die Jagd braucht", weil sie zudem gerne heimische Wildtiere beobachtet - "am liebsten früh bei Sonnenaufgang" - und weil sie sich selbst mit Wildbret versorgen wollte - "einem der hochwertigesten und natürlichsten Lebensmittel" - , meldete sie sich zur Jägerausbildung an. Im Juni 2019 hatte sie das Zeugnis des "grünen Abiturs" in der Tasche.
"Wer mit der Waffe in der Hand in den Wald geht, trägt viel Verantwortung und muss viel wissen", sagt die 28-Jährige. Fundierte Fachkenntnisse über Flora und Fauna muss jeder Jagdschein-Anwärter bei der staatlichen Jägerprüfung unter Beweis stellen. In Theorie und Praxis müssen Fragen zu Waffen und Waffenrecht, Ballistik, Wildtierkunde - Haarwild und Federwild -, zum Jagd-, Tierschutz- und Naturschutzrecht richtig beantwortet werden. Auch die jagdliche Praxis, Hege, Wildkrankheiten, das Hundewesen, Naturschutz, Land- und Waldbau gehören zur Ausbildung.
"Jagd heißt längst nicht nur, Tiere zu töten", sagt Anna Then. "Mit dem Jagdrecht ist auch die 'Pflicht zur Hege' verbunden." Das heißt konkret: Verantwortung übernehmen für die Natur und für andere Lebewesen. Die Fränkin tut das zum Beispiel auch, indem sie ihre fünfjährige Tochter Hanna immer wieder mit in den Wald nimmt, ihr Tierspuren und -behausungen zeigt und ihr erklärt, wie in der Natur alles zusammenhängt. "Ich finde es wichtig, dass die nächste Generation über ihre Umwelt Bescheid weiß." Wenn Jäger als "Mörder" bezeichnet werden, schüttelt Then verständnislos den Kopf: "Für mich ist klar, dass man die Jagd braucht, um Wald und Flur intakt und artenreich zu hinterlassen."
Im richtigen Moment ein Tier zu erschießen, war für sie nie ein Problem. "Ich bin in einer Jägerfamilie aufgewachsen. So lange ein Tier ordentlich getötet und verwertet wird, ist das für mich nichts Schlimmes. Ich weiß, das Tier hatte ein gutes Leben und keinen Stress bis zur letzten Sekunde."