Der Schiefe Turm von Bimbach
Autor: Tom Müller
Bimbach, Montag, 03. Juni 2013
Nachdem von der Kirchturmspitze Schieferplatten in den Friedhof geflogen waren, war eine Außensanierung der Bimbacher St. Johannes-Kirche dringend geboten. Jetzt laufen die Arbeiten, die bis Oktober abgeschlossen sein sollen.
Beinahe wäre der kleine Ort Bimbach um eine Attraktion reicher geworden. Beinahe hätte nämlich ein schiefer Turm nicht nur im italienischen Pisa, sondern auch in der Nähe von Prichsenstadt bestaunt werden können. Zugegeben: Es wäre eine zweifelhafte Attraktion geworden. Ob der Turm beziehungsweise die Spitze der evangelischen Kirche von Bimbach so lange die Fehlstellung ausgehalten hätte wie sein berühmtes italienisches Vorbild, darf bezweifelt werden. Regenwasser hatte die Konstruktion des Zwiebelturms über die letzten 40 Jahre in Schieflage gebracht.
Nicht nur Segen von oben
Aus dem schiefen Turm von Bimbach wurde nach langem Hin und Her zwischen Kirchenvorstand, dem Stadtrat von Prichsenstadt und der Landeskirche nun endlich eine beeindruckende Baustelle.
Zur Sicherheit untersagte ein Warnschild am Friedhofstor den Besuchern den Zutritt bei Wind und Wetter. Aber nicht nur bei schlechtem Wetter gerieten Friedhofsbesucher und die Kirchgänger allmählich in Gefahr. "Wir mussten schon fast das Läuten einstellen", ergänzte Andreas Steigerwald, der als Architekt für die Arbeiten verantwortlich zeichnet. Als die über 400 000 Euro teuere Finanzierung alle Instanzen passiert hatte, konnte Steigerwald nach dem Frost im April mit der Außensanierung der Kirche beginnen.
Dafür musste er der Kirche gewissermaßen aufs Dach steigen, aber auch ein Stück in ihren Untergrund wühlen. "Das am Hang gelegene Areal schiebt die Staunässe vom Friedhof mit den durch den Verwesungsprozess entstandenen Oxidationsstoffen wie Nitrat und Sulfat direkt zum Kirchenschiff hin", erklärte der Architekt. Die Außenwand sog die salzige Flüssigkeit förmlich von unten hoch. Bei der letzten Sanierung wurde dafür einfach ein Zementputz aufgetragen, der keine Verdunstung zuließ und den Sockel zerstörte. "Der neue Putz gibt die Feuchtigkeit nach außen ab", so Steigerwald. "Außerdem ist er bereits eingefärbt und muss nicht mit einer Farbschicht übertüncht werden."
Historische Dokumente
Es ist die fünfte große Außensanierung der kleinen Barockkirche mit dem Turm aus dem Jahr 1712. Nachdem der hölzerne Zwiebelturm mit einem Spezialkran abgehoben worden war, gelangten die Bimbacher auch an die Kapsel im Turmknopf, die die historischen Dokumente zu den Baumaßnahmen aus vergangener Zeit konserviert. Sie enthält vier Umschläge zu den Sanierungen von 1960, 1933, 1914. Die letzte Sanierung von 1973 wurde nicht in der Kapsel hinterlegt. Das älteste Dokument aus der Messing-Schatulle aber stammt aus dem Jahr 1856 und gleicht einer historischen Bulle. "Ich hab mich erst einmal beim landeskirchlichen Archiv erkundigt, wie und wo das dokumentiert und digitalisiert werden muss", berichtet Pfarrer Daniel Graf. Für den jungen Pfarrer, der nach drei Jahren Amtszeit im Juli an eine andere Stelle wechselt, war es die erste Generalsanierung. "Für mich war es ungemein hilfreich, absolute Spezialisten auf diesem Gebiet an meiner Seite zu haben", erklärt Graf.
Dass er die bekommt, dafür sorgte sein Kirchenvorstand. Architekt Steigerwald, die Statiker Hussenöder & Merz sowie der Zimmermann Roland Haun sind Fachleute für die Sanierung von denkmalgeschützten Objekten. Nachdem der Zwiebelturm abgehoben war, kamen die Experten besser an die Problemstellen heran. Dann wurde auch das Ausmaß der Schäden deutlich.
Wasser im Gebälk
"Auf der Wetterseite war Wasser ins Gebälk eingedrungen", erklärt der Zimmermann, "nach und nach bekamen die Querriegel deshalb Probleme." Mit anderen Worten: Auf vielen horizontal angebrachten Holzteilen wie den Querstreben und den Gesimsecken stand das Wasser. Die Spitze geriet in Schieflage. "Ganz zurückdrehen können wir das nicht mehr", sagt Architekt Steigerwald. "Wir können aber vieles in der Konstruktion korrigieren". Unbeschadet vom Regenwasser blieben zum Glück die rund zehn Meter hohen, vertikalen Eichenbalken. "Wären diese Pfeiler auch noch betroffen, hätten wir eine weitaus größere Baustelle", so Steigerwald. "Eiche ist rustikal", beschwichtigt Zimmermann Haun. "Es ist das beste Bauholz, fast für die Ewigkeit gemacht".
Sicher nicht für die Ewigkeit, aber in absehbare Zeit sollten die Bimbacher nun vor Außensanierungen gefeit sein. Und selbst dann wird wohl nicht gleich wieder die Kirchturmspitze abgehoben werden müssen. "Wenn wir hier fertig sind, dann sieht es hier oben wieder richtig gut aus", sagt Zimmermann Haun zuversichtlich und klopft auf Holz.