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Der Bocksbeutel: Kein Weg ist ihm zu weit


Autor: Ralf Dieter

Kitzingen, Montag, 02. Sept. 2013

Den fränkischen Bocksbeutel gibt es an den erstaunlichsten und schönsten Ecken der der Welt.
Fränkische Bocksbeutel werden auch an so exotischen Orten wie im Hotel "Four Seasons Kudahuraa" auf den Malediven ausgeschenkt.  Foto: privat.


Rosemarie Knechtel wollte ihren Augen nicht recht trauen. Mehr als 7000 Kilometer entfernt von der fränkischen Heimat - und was steht da im Regal? Ein Bocksbeutel. So exotisch ihre Erfahrung auch war. Sie ist gar nicht so selten. Der Frankenwein ist beinahe weltweit in aller Munde.

Drei Wochen hat Knechtel dort Urlaub gemacht, wo es nicht all zu viele Reisende hinzieht: In Alaska. Dass es an diesem dünn besiedelten Ort, ganz im Norden des amerikanischen Kontinents, einen Weinfachhandel gibt, war für sie schon Überraschung genug. Dass im Regal ein Bocksbeutel aus Sommerhausen stand, wollte sie anfangs nicht recht glauben. Genau so erging es dem Produzenten des Weins - Artur Steinmann.

Der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes war einigermaßen überrascht, als er hörte, dass seine Weine auch im kalten Alaska angeboten werden. "Wir haben einen Importeur in Seattle", berichtet er.

"Vermutlich ist der Bocksbeutel über diese Schiene bis nach Alaska gekommen."

Es ist gar nicht so leicht für die fränkischen Winzer, einen Überblick zu behalten, wo die eigenen Produkte überall angeboten werden. Vor allem, wenn man sich international so einen guten Ruf erworben hat, wie der Escherndorfer Horst Sauer. Auf etwa 20 Prozent schätzt er den Exportanteil seines Betriebes. Exotische Länder wie Brasilien, Australien und Finnland sind dabei. Kürzlich hat er ein Foto von den Malediven gemailt bekommen. Auch dort wird sein Wein in einem exklusiven Restaurant direkt am Indischen Ozean angeboten.

Die Entwicklung bei der Durchdringung neuer Märkte ist nach Sauers Erfahrungen immer die Gleiche: Am Anfang steht das Interesse für den deutschen Wein, dann für den Wein aus Franken und schließlich für die Produkte einzelner Winzer oder Genossenschaften.

Die Winzergemeinschaft Franken (GWF) ist die viertgrößte in Deutschland. Natürlich setzt auch sie auf den Export. Japan, China und die USA sind die Hauptexportländer. Einfach ist die Arbeit nicht, wie Vertriebsleiter Dieter Gerken betont. "Die Kunden wollen betreut sein, ein breites Vertriebsnetz muss aufgebaut werden." In Japan hat das gut funktioniert. Die Repperndorfer sind dort schon seit mehr als 20 Jahren aktiv. Mittlerweile ist sogar eine Handelskette auf die Weine aus Franken aufmerksam geworden. "Wir erzielen dort sichtbare Erfolge", sagt Gerken, räumt aber gleichzeitig ein: "Japan ist auch das einzige Land, wo uns das gelingt."

Funktionierende Netzwerke in ausgewählten Ländern sind auch für den Escherndorfer Horst Sauer das weitaus bessere Prinzip, als den Frankenwein nach dem Gießkannenprinzip über den Kontinenten auszuschütten. "Es ist immer schwer, die Tür in einem fremden Land aufzuschließen", bekennt er. Als Türöffner leistet der Riesling momentan noch hervorragende Dienste. Wobei Sauer die Worte "momentan noch" betont. Die gestiegene Qualität des Silvaners hat sich auch im Ausland herumgesprochen. Gerade Länder, in denen es wärmer ist als in Deutschland, wüssten die stabile Säure, die Lebendigkeit und Frische des Silvaners zu schätzen. "In Italien kommt er beispielsweise sehr gut an", sagt Sauer.

Zwei Mal ist der Escherndorfer schon zum besten deutschen Weinproduzenten in London gewählt worden. Etliche internationale Auszeichnungen tragen ihren Teil dazu bei, dass Händler aus aller Welt mittlerweile auf ihn zukommen. Als beliebte Kontaktbörse hat sich die Messe ProWein in Düsseldorf etabliert. "Dort gleichen wir unsere Vorstellungen ab und bauen die Zusammenarbeit auf", erklärt er. "Entscheidend ist es, jemanden zu finden, dem man vertrauen kann, der für das Weingut einsteht."

In Hong Kong, Japan und Brasilien hat Sauer beispielsweise entsprechende Händler gefunden. Gerade Brasilien schätzt er als einen Markt mit Potenzial ein. "Dort interessiert man sich sehr für deutschen Wein." Ähnliches gilt auch für Norwegen. "Dort ist der Silvaner sehr beliebt", bestätigt Artur Steinmann.

Trotz einzelner Erfolge und vieler exotischer Länder: Der Export bleibt für die meisten fränkischen Winzer eine Nische. Weinbaupräsident Steinmann schätzt den Exportanteil auf ein Prozent. "Wir sollten erstmal versuchen, in den deutschen Großstädten weiter Fuß zu fassen", meint er. Auch Horst Sauer will den Exportanteil nicht überziehen. "Er ist ein Bein des Stuhls, auf dem wir sitzen."

Und wie schnell so ein Bein abgesägt werden kann, zeigt sich am Beispiel Chinas. Strafzölle für europäische Weine waren vor kurzem im Gespräch - offensichtlich als Antwort auf die europäischen Strafzölle auf chinesische Solarimporte.

"China ist ein sehr prosperierender Markt", bestätigt der Pressesprecher des Deutschen Weininstituts, Ernst Büscher. In den letzten zehn Jahren hat sich der Wert der deutschen Weinausfuhren dorthin ums Sechzehnfache erhöht. Strafzölle würden die deutsche Weinwirtschaft treffen. Wichtigster Absatzmarkt ist aber nach wie vor mit Abstand die USA.

"Im Ausland lassen sich oft bessere Erlöse als hier erzielen", erklärt Büscher die Motivation etlicher Weingüter für den Export. Ziel müsse es aber sein, eher höherwertige Weine zu exportieren.

Alaska wird auch in Zukunft kein begehrtes Exportziel fränkischer Winzer sein. Aber einen positiven Werbeeffekt kann auch dieser exotische Ort haben. Rosemarie Knechtel will das Weingut Steinmann in Sommerhausen in Kürze besuchen - und dort nachholen, was sie in Alaska nicht getan hat: Frankenwein einkaufen.