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Das Wasser in Wiesentheid stand bis zum Bauch


Autor: Sabine Memmel

Wiesentheid, Freitag, 31. Mai 2013

Während es gestern im Landkreis am Mainufer noch friedlich blieb, strömten Fluten durch die Ortschaften an den Zuflüssen. Damit hatte keiner wirklich gerechnet.
Bernd Röll-Bieber steht vor seinem Keller in Stadelschwarzach, der vollkommen mit Wasser vollgelaufen ist.  Foto: Dominik Berthel


Als Brigitte Heßler gestern Morgen den Rollo nach oben machte, traf sie der Schlag. Der Blick aus dem Küchenfenster war ein anderer als sonst. Wasser. Überall Wasser. Von ihrem gerade erst angelegten Obst- und Gemüsegarten war kaum noch etwas zu sehen. Einfach versunken. Untergegangen. "Ich hab' erst mal nur geschrien. Das Bänkchen, auf dem wir gestern noch Kaffee getrunken haben, war einfach weg", sagt die Wiesentheiderin in ihren gelben Gummistiefeln, in denen sie inzwischen schon seit Stunden auf den Beinen ist. Fast zwei Meter hoch stand der Sambach in ihrem Garten in der Jahnstraße. Auch mittags ist trotz der Pumpen der Feuerwehr Wiesentheid kaum ein Rückgang zu sehen. Doch das Ehepaar bleibt locker. Trotz der Wassermassen vor ihrer Haustür. "Man muss es mit Humor nehmen, alles andere hat keinen Sinn", sagt Karl-Heinz Heßler.



Bei den Nachbarn stand das Wasser bis zur Kellerdecke.

Auch sie wurden von dem Hochwasser überrascht. "Ich bin früh aufgewacht und habe schon im Bett das Rauschen gehört", erinnert sich Karin Lorati, während sie den Feuerwehrmännern dabei zusieht, wie sie mit mehreren Schläuchen das Wasser abpumpen.

45 Liter Regen fielen allein in der Nacht von Donnerstag auf Freitag. Die Jahnstraße in Wiesentheid war komplett überflutet. Mit Pumpen versuchte die Feuerwehr Wiesentheid seit der frühen Morgenstunden der Lage Herr zu werden. Zig Sandsäcke wurden vor den Privathäusern aufeinander gestapelt. Straßeneinläufe mussten geöffnet werden, damit das Wasser schneller ablaufen kann. Der durchnässte Damm wurde stabilisiert. In Reupelsdorf war die B22 teilweise überflutet und nur einseitig befahrbar. Die Feuerwehr regelte den Verkehr - wie vielerorts. "Ich bin seit 25 Jahren bei der Feuerwehr, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Die Situation ist zwar kritisch, aber zu händeln", sagt Michael Rückel, 1. Kommandant der Feuerwehr Wiesentheid.

Das THW Kitzingen kümmerte sich derweil darum, den Sambach am Brückendurchlauf bei der Kreisstraße zwischen Wiesentheid und Untersambach mit sogenannten "Big Sacks" zu verbauen. Die Schotter- und Sandsäcke sowie Steinquader wurden mit einem Kran in den Bach gesetzt. "Das Wasser wird auf diese Weise angestaut, so dass es langsamer nach Wiesentheid läuft", erklärt Rückel.

Und nicht nur in Wiesentheid waren die Keller, Straßen und Bachauen voller Wasser. Im ganzen Landkreis machte das Hochwasser Anwohnern, Feuerwehren und THW zu schaffen. Brennpunkte waren neben Wiesentheid besonders Schwarzach und Prichsenstadt. "Das sind eigentlich Orte, die sonst nicht von Hochwasser betroffen sind", wundert sich Kreisbrandrat Roland Eckert. Gestern Nachmittag beruhigte sich die Lage zunächst. Für das Wochenende stehen er und seine Kollegen dennoch auf höchster Alarmbereitschaft. "Wir können nur hoffen, dass es nicht großartig weiterregnet", sagt Eckert.

Teure Boote gefährdet
Ununterbrochen Wache schob auch Helmut Stargardt, der Hafenmeister des Motoryachtclubs Ansbach. Die Mitglieder aus ganz Bayern haben derzeit 16 Boote und Yachten in Mainstockheim liegen. Landgang und Stege waren schon am Mittwoch überschwemmt. "Da sind mindestens 60 Zentimeter schon unter Wasser", sagt Stargardt. Er ist ständig in telefonischer Verbindung mit dem Vereinsvorsitzenden Jürgen Pensel. Gemeinsam verfolgen sie die Hochwasservorhersage. Sollte der Pegel des Mains um einen Meter steigen, würden die Stege aufschwimmen, sich hochkant stellen und die Boote mit sich zerren. Ein Malheur, das äußerst teuer werden kann, weil die Yachten durch die Stege und die Gewalt des Wasser beschädigt werden können.

Es gibt zwei Möglichkeiten, die Situation bei Hochwasser zu retten. Entweder fährt Stargardt mit dem Schlauchboot zu den Yachten und lässt ihnen eine längere Leine, so dass sie pendeln können, oder die teuren Boote werden an der Slipanlage gleich aus dem Wasser auf Autoanhänger gezogen. "Wenn das notwendig wird, verständigen wir die Mitglieder per Rundruf."

Am Morgen ging Stargardt, mit einer Wathose bekleidet, ins Wasser. "Es stand mir bis zum Bauch", erzählt er. Plötzlich klingelt sein Handy. Der Chef ist dran, er macht sich große Sorgen. Denn das ganze Vereinsgelände ist durch Hochwasser gefährdet. "Aber jetzt müssen wir mal abwarten", sagt der Hafenmeister lakonisch.

Eine klare Entscheidung hat das Wasser- und Schifffahrtsamt Schweinfurt getroffen. Es stoppte gestern die Schifffahrt auf dem Main, zuerst um Würzburg herum. Am Nachmittag verhängte die Behörde einen Stopp ab Schweinfurt. Sie sieht die Hochwasserwelle auf dem Main erst anrollen.

Eckert rechnet mit einem einsatzreichen Wochenende, hat aber auch Hoffnung: "Gut ist, dass die Leute jetzt zumindest vorgewarnt sind und ihr Kellerfenster inzwischen vielleicht geschlossen haben." Brigitte und Karl-Heinz Heßler hoffen derweil, dass es nicht schlimmer wird. Und dass sie bald wieder auf ihrem Bänkchen im Garten Kaffee trinken können.

Die weitere Entwicklung des Hochwassers im Landkreis Kitzingen ist im Internet unter www.hnd.bayern.de , speziell für Kitzingen unter www.lkw-kitzingen.de zu verfolgen.