Brutale Überfälle auf Pizza-Boten und Taxifahrer
Autor: Franz Barthel
Würzburg, Dienstag, 26. März 2013
Mit Pistole und Gewaltandrohung haben vier junge Männer Pizza-Boten und Taxifahrer überfallen. Im Gerichtssaal fließen Tränen. Die Untersuchungshaft hat offensichtlich Wirkung gezeigt.
Innerhalb einer Woche haben vier junge Männer Ende November 2012 zwei Taxi-Fahrer und einen Pizza-Boten überfallen, in Würzburg und Dettelbach. Die Opfer konnten nicht ahnen, dass sie "nur" mit einer Schreckschuss-Pistole bedroht wurden.
Schweren Raub und räuberische Erpressung in wechselnder Besetzung hat eine Staatsanwältin gestern den vier Heranwachsenden zwischen 18 und 21 Jahren vorgeworfen. Nur beim Einbruch in einen Einkaufsmarkt in Dettelbach im Oktober 2012 will einer der Angeklagten allein gewesen sein. Mit Zigaretten im Wert von knapp 1 500 Euro war der Täter kurz danach, auf der Flucht, von einer Polizeistreife auf einem Feld in der Nähe festgenommen worden.
Er hatte eine besondere Beziehung zum Tatort. Dort war er ein Jahr lang, im Rahmen einer von der Agentur für Arbeit geförderten Maßnahme, beschäftigt und ist dann nur deswegen gefeuert worden, weil er sich zwei Euro aus der Kasse genommen hatte. So lautete jedenfalls seine Version vor Gericht.
Bis ins Detail geplant
Die Überfälle waren bis ins Detail geplant und brutal in der Tatausführung,. Aber vor Gericht sind die Angeklagten gestern "auf Samtpfoten" aufgetreten. Die ihnen vorgeworfenen Straftaten haben sie gestanden wie fromme Katholiken ihre Sünden im Beichtstuhl: Zum Teil so leise, dass sogar Anwälte wiederholt um mehr Lautstärke baten.
Überwiegend kam der Hinweis auf die "Loser-Karte": Immer Pech gehabt im Leben, alles was man anpackte, sei schief gelaufen. Nach dem Wohnungswechsel von München nach Dettelbach will einer der Angeklagten dort nie richtig "angekommen" sein: In der Schule habe man ihn, er weiß nicht warum, wohl wegen seiner anderen Aussprache, als "Möchte-gern-Gangster" bezeichnet und gemobbt .
Eine Familienpizza, Schinken und Salami plus zwei Getränke, ist vor dem ersten Überfall in Würzburg zu einer Adresse am Stadtrand bestellt worden. Als ein Zahntechniker in Ausbildung, der nebenbei als Pizza-Bote jobbte, bei Dunkelheit an der angegebenen Adresse ankam, meldete sich der "Kunde" aus einem gegenüberliegenden Park und lotste den Boten dorthin. Der hatte den Eindruck, dass da zwei Leute, die ihren Hund ausführten, auf einer Parkbank was essen wollten.
Warnschuss abgefeuert
Doch kurz danach kam der Hinweis, die Geldtasche auf den Boden zu legen. Gleichzeitig hat einer der mit Kapuze und Schal vermummten Männer einen Warnschuss abgefeuert. Da ließ der Bote erst die Warmhalte-Tasche mit der Pizza fallen und auf der Flucht auch seinen Geldbeutel mit 166 Euro.
Einer der Räuber war mal genau bei diesem Pizza-Unternehmen beschäftigt. "Reiner Zufall", sagte er. Was kein Zufall war: Wenige hundert Meter vom Tatort entfernt saß die Freundin eines der Räuber im Fluchtfahrzeug und wartete. Ihr Verlobter versuchte sie am Dienstag herauszuhalten: Dass sie die Täter zum Tatort gefahren hatte und dann zurück nach Hause, stimme nicht. Er sei gefahren. Und die 18-Jährige hat als Zeugin die Aussage verweigert,. Die Staatsanwaltschaft wird gegen sie ermitteln.
Bereits einen Tag später, in der Nacht zum 29. November 2012 um 1.43 Uhr, ist dann bei der Taxizentrale in Kitzingen ein Fahrzeug nach Dettelbach bestellt worden, an die Realschule. Der Auftrag ging an eine Taxi-Unternehmerin (57) aus dem Landkreis. Die erinnerte sich gestern: Erst habe sie in der Dunkelheit niemand gesehen und nach kurzem Warten schon wieder wegfahren wollen. Da habe jemand an die Scheibe geklopft und gebeten, ihm beim Einsteigen auf der Beifahrerseite zu helfen, er sei nämlich verletzt.
Sofort von hinten gepackt
Als die Frau ausstieg, wurde sie sofort von hinten gepackt und nach unten gedrückt. "Ein Gesicht habe ich gar nicht gesehen." Sie bekam einen Faustschlag ins Gesicht und der Angreifer sagte, sie solle ihn nicht anschauen. Die Frage, wo die Geldtasche sei, hat die Überfallene wahrheitsgemäß angegeben: "Im Fußraum vor dem Fahrersitz." Da griff der angeblich Verletzte von der Beifahrerseite aus zu und weg waren die Räuber.
Sie habe gezittert, berichtete die Frau, gleich die Polizei verständigt, erst mal eine Zigarette geraucht. Sie sei in jener Nacht im Krankenhaus gewesen, habe danach daheim Kaffee getrunken und am Morgen Dialyse-Patienten nach Plan gefahren. Aus dem Nachtdienst habe man sie seitdem herausgenommen,. Als das damals passierte, sei sie auf den Tag genau elf Jahre Taxi gefahren. Manchmal habe sie heute noch Angst, wenn junge Leute ins Fahrzeug einsteigen und wie die Räuber damals Kapuzen über den Kopf gezogen haben.
In der der folgenden Nacht war ein Taxifahrer aus Würzburg dran, in Höchberg im Landkreis Würzburg, am Ortsrand: Einer der Angeklagten, der dort den Fahrgast "spielte", bat den Fahrer darum, den Kofferraum zu öffnen, da er schweres Gepäck habe. Als der daraufhin ausstieg, kamen zwei maskierte Männer. "Beide bewaffnet", sagte der Zeuge gestern. "Der eine hat Richtung Kopf gezielt, der andere Richtung Bauch." Sie forderten die Geldtasche und einer der Männer habe gleich darauf geschossen, knapp an ihm vorbei, in den Boden. " Beim nächsten Mal", habe der Schütze gesagt, "geht's in die Beine". Da sagte der Fahrer , wo sich die Geldtasche befindet. Es waren nur knapp 100 Euro drin.
Sofort gestanden
Der Angeklagte, der den Fahrgast gespielt hatte, bekam beim folgenden Teilen nur zehn Euro. Er ist aufgrund einer guten Personenbeschreibung bei der Rückfahrt nach Würzburg aus einem Omnibus heraus verhaftet worden und hat sofort gestanden. Dieser Angeklagte hat auch die Namen seiner Mittäter genannt und dafür hat sich einer von diesen gestern ausdrücklich bedankt: "Sonst hätte man vermutlich weiter gemacht", sagte er.
Ein mehrwöchiger Jugendarrest, den er mal verbüßte, habe ihn überhaupt nicht beeindruckt. Das sei "wie Kindergarten gewesen". Aber jetzt, nach einigen Monaten in Untersuchungshaft im richtigen Knast, sehe er ein, dass es so nicht weitergeht. Die Mutter eines anderen Angeklagten berichtete, dass die Untersuchungshaft ihren Sohn gewaltig verändert und vermutlich endlich für eine Kehrtwendung in seinem Leben gesorgt hat.
Drei von den vier Angeklagten haben die Folgen von Ehescheidung erlebt und den Verlust der Beziehung zu einem Elternteil. Der einzige, bei dem zuhause alles stimmt, ist Türke. So richtig geplant seien die Taten nicht gewesen, mehr spontan und "reingerutscht", versuchten die Angeklagten, die überwiegend aus dem Landkreis Kitzingen stammen oder dort einmal wohnten, die Überfälle zu erklären: Alle sind nach der Vernehmung ihrer Opfer auf diese zugegangen, haben sich entschuldigt, versichert, wie leid es ihnen tut. Zwischendurch flossen auch Tränen, sodass der Vorsitzende Richter Bernd Krieger mit Papiertaschentüchern aushelfen musste.
Zu einem intensiven Gespräch mit den Angeklagten kam es nach der Vernehmung des Taxifahrers aus Pakistan: So einfach entschuldigen, war dem zu billig. Er wies die jungen Männer sehr beeindruckend darauf hin, was da hätte passieren können, wie viele seiner Familienangehörigen betroffen gewesen wären, wenn ihm was passiert wäre. Das Urteil soll bereits am Mittwoch verkündet werden.