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Bordeauxdogge griff auch Spaziergänger an


Autor: Carmen Schmitt

Dettelbach, Mittwoch, 19. Juni 2013

Zwei Polizisten fühlen sich von einem Kampfhund bedroht. Ein Beamter tötet das Tier. Viel Zeit zum Handeln bleibt in einer solchen Situation nicht.
Symbolbild.


Ein Polizeibeamter hat am Dienstagnachmittag in Dettelbach einen Hund erschossen. Die 50 Kilogramm schwere Bordeauxdogge ist laut Polizeimeldung plötzlich und grundlos auf ihn und seine Kollegin losgegangen. Der Besitzer durfte den Kampfhund nur mit Halsband und Leine halten. Beides hatte die Dogge nicht. Von einem Gutachter wurde der Hund als nicht aggressiv oder gefährlich bewertet.

Die beiden Polizeibeamten wurden von einem 65-jährigen Mann aus dem Landkreis Haßberge zum Dettelbacher Baggersee gerufen. Er war mit seinem Bekannten in heftigen Streit geraten. Der 38-jährige Hundebesitzer saß mit seiner Dogge bei seinem Fahrzeug, als die Kitzinger Polizisten am See ankamen. Als die Beamten ausgestiegen waren, ging der Hund "aggressiv und laut bellend" auf sie los. Der 27-jährige Polizist griff zur Waffe und tötete die Dogge.

"So eine Extremsituation kommt Gott sei Dank nicht häufig vor", sagt Dominik Schmidt von der Polizeiinspektion Kitzingen. In der Aus- und Fortbildung werde versucht, die Beamten auf Gefahrensituationen vorzubereiten, doch "bevor man eine Situation nicht erlebt hat, kann man nicht von Erfahrungen zehren." Wichtig sei deshalb, dass der Umgang mit der Waffe in Fleisch und Blut übergeht, damit "mehr Raum bleibt, um Entscheidungen zu treffen." Viel Zeit zum Denken ist nicht, weiß Herbert Gröschel von der Bayerischen Bereitschaftspolizei. Zunächst sei es wichtig, Distanz herzustellen und ruhig zu bleiben. "Wenn es geht, sollte sich der Beamte zurückziehen. Die nächste Stufe ist das Pfefferspray. Wenn aber ein Menschenleben in Gefahr ist, bleibt keine andere Wahl, als zur Waffe zu greifen." Diese Gefahr hat der Polizeibeamte in Dettelbach für sich und seine Kollegin gesehen und setzte seine Waffe ein. "Andere Maßnahmen hätten beim Angriff eines Kampfhundes keinen Erfolg versprochen", sagt Kathrin Reinhardt vom Polizeipräsidium Unterfranken.


Jedes Tier ist anders

Bei den sogenannten Polizeilichen Einsatztrainings üben Beamte auch das Verhalten bei Angriffen von gefährlichen Hunden. Sie sollen lernen, gefährliche Situationen richtig einzuschätzen. Während der Ausbildung werden die Polizisten geschult, wie man mit Hunden umgeht und Aggression erkennt. "Das ist von Tier zu Tier unterschiedlich", erklärt Gröschel. "Das muss kein Kampfhund sein, auch andere Hunde können aggressiv werden."

Für Gisela Kämpfer ist die Reaktion des Beamten "komplett unverständlich". Sie ist Vorsitzende des Bordeauxdoggen Clubs Deutschland e.V. "Ruhig, ausgeglichen, sehr einfühlsam und sensibel und mit einem feinen Gespür." So beschreibt sie das Wesen der Bordeauxdogge. "Es gibt keine Hunderasse, und da beziehe ich alle ein, die eine höhere Reizschwelle hat." Es sei praktisch unmöglich, eine Bordeauxdogge aus der Ruhe zu bringen. "Der Hund imponiert durch seine Größe, das ist aber auch alles." Die Dogge sei alles andere als ein Wachhund: "Bevor die sich bewegt, hat ein Einbrecher alles leergeräumt. Sie wedelt eher mit dem Schwanz und zeigt ihm, wo er alles findet." Gisela Kämpfer hält seit 1996 Bordeauxdoggen. Der Verein in Siegen hat 150 Mitglieder. So einen Fall wie den in Dettelbach habe sie noch nie erlebt. "Eine Bordeauxdogge greift nicht an. Die weiß gar nicht, wofür sie Zähne hat."

In Bayern ist die Dogue de Bordeaux, die Bordeauxdogge, ein Kampfhund der Kategorie zwei. In der Bayerischen Kampfhundeverordnung sind Hunde mit "gesteigerter Aggressivität und Gefährlichkeit" aufgelistet und in zwei Kategorien unterteilt. Jedes Bundesland entscheidet in Deutschland selbst, welche Hunde es auf die Liste setzt. Wer einen Hund halten will, der auf der Liste aufgeführt ist, braucht eine Erlaubnis der Gemeinde. Mit einem sogenannten Negativzeugnis können Halter von Hunden der Kategorie zwei nachweisen, dass das Tier nicht die Merkmale eines gesteigert aggressiven und gefährlichen Kampfhundes aufweist. Bevor ein Negativzeugnis ausgestellt wird, begutachtet ein Sachverständiger das Verhalten des Hundes. Dabei bewertet er auch, wie sich der Hund gegenüber fremden Personen und Tieren in verschiedenen Situationen verhält und reagiert.

Dem Hundehalter aus dem Landkreis Schweinfurt wurde bereits 2008 für seinen Hund ein solches Negativzeugnis ausgestellt. Die Gemeinde hat damit die Auflage einer Halsband- und Leinen-Pflicht verknüpft. Die gilt nicht nur für das Gebiet des Wohnorts, sondern generell. Daran hatte sich der Besitzer des Hundes nicht gehalten. Als die Polizisten am Dienstag auf den Hund trafen, trug er weder ein Halsband noch war er angeleint. Die Polizei geht nun gegen den Halter vor.

Schon eine halbe Stunde vor den Vorfall am Baggersee biss die Dogge einem Spaziergänger ins Hosenbein.
Die Polizei Kitzingen bittet nun Zeugen beider Fälle sich unter Tel. 09321/141-0 zu melden.