"Bitte keine Organspenderausweise zerreißen"
Autor: Sabine Paulus
Kitzingen, Donnerstag, 11. Oktober 2012
Spenderorgane retten Leben. Eine Empfängerin appelliert an alle, sich vom Organspende-Skandal nicht abschrecken zu lassen.
Christine Barth verfolgt mit Sorge die Diskussion um die Organspende. Die ist so richtig mit dem Organspende-Skandal entflammt, der im Sommer ganz Deutschland erschütterte. Die 55-Jährige befürchtete, dass der Aufruhr Menschen dazu veranlasst, Organspenden vollkommen abzulehnen.
Barth weiß, woher ihr schlechtes Gefühl rührt.
Sie würde heute nicht mehr leben, wenn ihr nicht Spenderorgane transplantiert worden wären.
"Ich bin seit fast neun Jahren transplantiert und habe mit meinen neuen Organen, einer Niere und einer Bauchspeicheldrüse, ein neues Leben geschenkt bekommen. Das habe ich jemandem zu verdanken, der einen Organspendeausweis ausgefüllt hat und sich bereit erklärt hat, nach seinem Tod seine Organe zu spenden", sagt Christine Barth. Dies erklärt sie auch öffentlich auf Facebook.
"Denken Sie doch bitte einmal darüber nach, ob Sie sich nicht auch für eine Organspende nach Ihrem Tod entscheiden möchten", richtet sie einen dringen Appell an ihre Mitmenschen.
"Der Skandal wird aufgeputscht. Viele, die eigentlich zur Organspende bereit waren, entscheiden sich nun anders. Sie zerreißen ihren Organspenderausweis und vergessen dabei: Es geht doch um Menschenleben", sagt die Gerolzhöferin.
Barth ist froh und zufrieden, obwohl die Nebenwirkungen der Immunsuppressiva gegen die Abstoßung der Organe heftig sind.
"Ich lebe gut mit meinen neuen Organen. Ich fühle mich wohl", sagt sie. Zwischen ihren Worten ist herauszuhören, dass sie eine Tatsache nicht verdrängt: Sie kann auch wieder lebensgefährlich krank werden, es kann Komplikationen geben. Ihr Lebensrhythmus und die geliebte Normalität können rasch wieder verschwunden sein.
Der Organspende-Skandal zog Kreise.
Vom Uniklinikum Göttingen über Regensburg bis nach Hamburg wurden Fälle von Manipulationen bekannt. Auch am Münchner Klinikum rechts der Isar gab es Fälle von Machenschaften. Die Leidtragenden sind sehr kranke Menschen, die teilweise schon zehn Jahre und länger auf ein neues Organ warten. Inzwischen gab es die Anweisung des Wissenschaftsministeriums, alle im Freistaat durchgeführten Lebertransplantationen sollen von einem externen Gremium auf Unregelmäßigkeiten überprüft werden.
Keiner werde zur Organspende gezwungen, sagt Barth.
Aber man sollte zumindest einmal darüber nachdenken, betont sie. "Man kann seine Organe nicht mit in den Himmel nehmen. Hier auf Erden werden sie dringend benötigt", sagt Barth.
Die Klinik Kitzinger Land hat die aktuelle Diskussion um die Organspende für ihren Lukastag gestern Abend aufgegriffen. Unter Federführung von Dr. Wolfgang Karmann, Chefarzt Innere Medizin, und Pfarrer Johannes Jurkat, überkonfessioneller Betreuungsdienst in der Klinik Kitzinger Land, wollte der Informations- und Diskussionsabend Hilfestellung zur persönlichen Entscheidungsfindung geben.
Bisher drei hirntote Spender
An der Klinik Kitzinger Land werden laut Vorstand Klaus Rihm keine Organe transplantiert. Es kommt auch nicht oft vor, dass in Kitzingen einem hirntoten Patienten ein Organ für eine Spende entnommen werden kann. Oberarzt Dr. Hartmut Marquart, der seit zehn Jahren Transplantationsbeauftragter der Kitzinger Klinik ist, hat in diesem Zeitraum drei Mal an die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) gemeldet, dass in Kitzingen ein Patient den plötzlichen Hirntod erlitten hat. Die DSO hat ihre Vertreter geschickt, die alles Weitere geregelt haben. Den Hirntod eines Patienten darf Marquart nicht selbst diagnostizieren. Das müssen zwei unabhängige Neurologen tun.
Alle Beteiligten richten sich dabei nach dem Transplantationsgesetz von 1997 mit der so genannten Zustimmungslösung. Seither hat es zwar immer wieder Ergänzungen gegeben.
Eine Überarbeitung des Gesetzes ist jedoch dringend geboten. Das Leben vieler Menschen hängt davon ab.
Das betont auch Christine Barth: "Mehr als 10 000 Menschen warten auf ein neues Organ und täglich sterben drei Patienten, weil zu wenige zur Organspende bereit sind. Jeder kann nach seinem Tod bis zu acht Menschen ein neues Leben schenken."