Bauernhof-Pädagogik: Ähre, wem Ähre gebührt
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Dienstag, 15. Oktober 2013
Erlebnishöfe liegen voll im Trend. Doch qualifizierte Bauernhof-Pädagogik will gelernt sein.
Der Schatz wird gut bewacht. Cleo, der Hofhund, hat sich direkt vor der hölzernen Pforte lang gemacht. Sobald Herrin Jutta Hein pfeift, erhebt sich der treue Vierbeiner und gibt den Weg frei - in die Schatzkammer.
Herbstrosen blühen an der Sandsteinmauer, zwei Kätzchen spielen im Garten miteinander Fangen, Blumentöpfe schmücken die Eingangstreppe. Jutta Hein lebt mit ihrem Vater, ihrem Mann, ihren beiden Söhnen und vielen Tieren auf einem schmucken, alten Bauernhof in Brünnau. Die 45-Jährige nennt ihn eine Schatzkammer, seit sie sich zur "qualifizierten Erlebnisbäuerin" hat ausbilden lassen.
Eine qualifizierte Erlebnisbäuerin - was ist das eigentlich? Genau diese Frage stellte sich Jutta Hein auch, als sie vor gut zwei Jahren die Anzeige des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten las. Von 16 Seminartagen war dort die Rede.
"Erlebnispädagogik hat mich schon immer interessiert", erzählt die Bilanzbuchhalterin. "Ich wollte keinen Wochenendkurs machen, sondern das richtig lernen." Ihre Familie betreibt keine aktive Landwirtschaft mehr, doch die Bauernhof-Tradition lebt bei den Heins trotzdem weiter. "Wir haben Ponys, Ziegen, Hasen, Katzen, Hühner, Schweine und einen Hund. Deren Pflege und Ernährung kann man bei uns live miterleben und viel über den Nutzen lernen, den die Tiere für uns Menschen haben."
Jutta Hein entschied sich, die Qualifizierung mitzumachen. Sie erlebte gleich beim ersten Treffen eine Überraschung: Mit Doris Tröppner (54) und Lisa Bäuerlein (27) saßen zwei Gleichgesinnte neben ihr, die auf Höfen in der Nachbarschaft leben, in Järkendorf und Lülsfeld. "Wir kannten uns nicht, haben uns aber gleich gut verstanden." Alle drei hängten sich bei der Ausbildung richtig rein. "Sie war unheimlich interessant und lehrreich", stellt Doris Tröppner fest.
Die Themen waren vielfältig: Hygiene-Vorschriften, Leistungsanalysen, Zeitplanung, Sicherheitsfragen, Marketing, Bauernhof-Pädagogik, eine eigene Betriebs-Präsentation und Lehrfahrten zu beispielhaften Höfen standen auf dem Programm. Jutta Hein: "Und dann bekamen wir auch Hausaufgaben auf - nicht zu knapp."
Doris Tröppner nickt lachend. "Gut, dass wir uns von Anfang an als Partner gesehen haben, nicht als Konkurrenten." Lisa Bäuerlein ergänzt: "Wir ergänzen uns halt auch perfekt!" In der Tat hat jede der drei Frauen einen anderen Schatz daheim. Doris Tröppner betreibt schon seit vielen Jahren mit ihrem Mann den Naturhof Tröppner und kennt sich mit allem aus, was dort grünt und blüht, vom Holler bis zur Haselnuss und zur "tollen Knolle", der Kartoffel. Bei Lisa Bäuerlein kann man die Wege von der Kuh zur Milch und vom Acker auf den (Futter- )Tisch live miterleben.
Allen dreien gleich ist die Art, wie sie ihre Schätze präsentieren: "Wir bieten das Gegenteil von einer Durchlaufführung", macht Jutta Hein deutlich. Ob beim Füttern der Tiere, beim Kräutersammeln oder Buttern, beim Kochen oder Fladenbrot backen am Lagerfeuer: "Bei uns wird fest hingelangt."
Im November 2012, nach der mit Erfolg abgelegten Praxis-Prüfung, erhielten alle drei Frauen in München das Zeugnis zur "qualifizierten Erlebnisbäuerin". Seitdem bilden Jutta, Doris und Lisa das "Erlebnisdreieck". Über 50 Veranstaltungen haben sie schon angeboten - von "Mama Muh feiert Weihnachten im Kuhstall" bis hin zur Geburtstagsfeier im Bauerngarten.
Festes Unterrichts-Fach?
"Es macht richtig viel Spaß", sind sich alle drei einig, "und es ist ein zusätzliches finanzielles Standbein". Aus beiden Gründen wünscht sich das Trio, dass seine Arbeit noch stärker geschätzt wird, und dass sich der Kontakt zu Schulkindern möglichst im Lehrplan manifestiert. "Bauernhof-Erfahrungen sind in unserer schnelllebigen Zeit super", findet Doris Tröppner und Lisa Bäuerlein fügt hinzu: "Viele Kinder können sich gar nicht mehr längere Zeit einfach mal so beschäftigen." Genau das aber geschehe auf dem Bauernhof automatisch: "Bei uns kann man gut runterkommen" , erklärt Jutta Hein, "und sich aufs Wesentliche konzentrieren".
Ganz so wie Cleo. Der Hofhund hat immer ein wachsames Auge auf die Schätze der Heins.