Kulturtipp: Das Papiertheater Kitzingen - ein Erlebnis nicht nur für Kinder
Autor: Susy Bergmann
Deutschland, Montag, 17. Oktober 2022
Das Papiertheater in Kitzingen ist ein besonderes Ausflugsziel. Wir verraten dir, was es damit auf sich hat und was dich bei einem Besuch hier erwartet.
- Bühnenbild und Schauspieler: alles aus Papier
- Geschichte des Papiertheaters
- Die Stücke in Kitzingen: Lokales, Märchenhaftes, Literarisches
Im Zentrum der unterfränkischen Stadt Kitzingen findest du das Papiertheater Kitzingen. Hier kannst du Theater pur sehen: keine Spezialeffekte, dafür viel Poesie, ruhige Bilder und Freiraum für Fantasie. Auf dem Spielplan stehen Interpretationen bekannter Geschichten und Märchen, wie Froschkönig oder Rumpelstilzchen, und eigene Stücke. Die Theatermacherin Gabriele Brunsch erhielt 2019 den Kulturpreis der Stadt Kitzingen. Im Gespräch mit ihr durften wir hinter die Kulissen des Papiertheaters schauen.
Die Kunst des Papiertheaters
"Ein Papiertheater besteht aus Tischbühnen, die mit Figuren und Szenen aus Papier bespielt werden. Die Bühnen sind nicht größer als ein Fernsehgerät." So kannst du es im bundesweiten Verzeichnis für immaterielles Kulturerbe lesen. 2021 wurde das Papiertheater mit seiner etwa 200-jährigen Tradition hier aufgenommen.
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Ab etwa 1810 waren Miniaturbühnen im Bürgertum und Adel in ganz Europa sehr beliebt: Mit Figuren und Kulissen aus Papier ließen sich daheim Theaterstücke und Opern nachspielen. Theaterrahmen, Figuren und Kulissen konnte man gedruckt kaufen, ausschneiden und auf Pappe aufkleben. Oft wurden komplette Sets für einzelne Stücke mit Textheften angeboten. Es gab allein in Deutschland etwa 65 Verlage, die Theaterbilderbögen herstellten. "Das war zunächst keine Kunst fürs Volk. Denn der Druck der farbigen Bögen war damals teuer", erzählt Gabriele Brunsch. Zunächst waren die kleinen Bühnen Unterhaltung für Erwachsene. Nachgespielt wurden vor allem bekannte Stücke wie Goethes Faust, Schillers Räuber, Mozarts Zauberflöte. Erst ab etwa 1875 kamen auch Stücke für Kinder auf den Markt. Bald verbreitete sich das Papiertheater in Familien mehr und mehr. Als der Stummfilm aufkam, nahm das Interesse allmählich ab.
Im 20. Jahrhundert verschwand das Papiertheater weitgehend. Viele Figurenbögen und Texthefte aus dem 19. Jahrhundert sind aber erhalten geblieben und werden heute nachgedruckt. Du kannst dir mit solchen Bilderbögen dein eigenes Papiertheater zusammenstellen - oder dir selbst Figuren basteln. Das Papiertheater wurde in den 1970er- und 1980er-Jahren wieder entdeckt und fand neue Liebhaber. Heute siehst du Papiertheaterspieler*innen in Deutschland auf einigen festen Bühnen oder auf Festivals. Beim Forum Papiertheater e.V. erfährst du mehr über aktuelle Veranstaltungen und Festivals bundesweit. In Bayern gibt es beispielsweise jährlich im Oktober das Münchner Papiertheaterfestival.
Papiertheater Kitzingen: Großes Theater auf kleiner Bühne
Gabriele Brunsch spielt seit 2003 regelmäßig in Kitzingen. Früher hat sie für das Laientheater geschrieben, gemalt und inszeniert. Dann kam sie über eine Ausstellung von Dorothea Reichelt, einer Sammlerin von Papierkunst, zum Papiertheater. Bald baute Frau Brunsch ihre eigene Bühne und gestaltete eigene Stücke. In den ersten Jahren spielte sie mit ihrer Kollegin Helga Kelber abwechselnd. Seit 2014 ist sie alleine die Person hinter dem Papiertheaters Kitzingen. Über ihr Ein-Frau-Unternehmen sagt sie: "90 Prozent meiner Kulissen habe ich selbst entworfen. Die Figurinen sind alle meine Kreation."
Gabriele Brunsch nutzt kaum gekaufte oder kopierte Bilderbögen. Sie schreibt, inszeniert, malt, schneidet und gestaltet Kulissen und Figuren. Eine weitere Besonderheit des Papiertheaters Kitzingen ist, laut Gabriele Brunsch, dass sie für jedes Stück ein komplettes Hörspiel vorproduziert. Dabei spricht sie in manchen Stücken alle Figuren selbst: "Ich kann viele Stimmen, auch Männerstimmen." Sie arbeitet für die Hörspiele aber auch mit Sprecher*innen und Musiker*innen zusammen. Das Spiel zum vorgefertigten Ton erfordert exaktes Timing: Vorhang, Auftritt und Bewegung der kleinen Figuren, Lichteffekte, alles muss punktgenau erfolgen. "Da ist ganz starke Konzentration und Organisation nötig", verrät uns die Papiertheaterspielerin.