Druckartikel: Aus Zeuge wird Angeklagter

Aus Zeuge wird Angeklagter


Autor: Gerhard Bauer

Kitzingen, Freitag, 21. Dezember 2012

Es geht um eine mögliche Falschaussage und die Frage, ob eine schwere Verletzung absichtlich oder unabsichtlich zugefügt worden ist. Die Antwort gibt es in diesem Jahr sicher nicht mehr.


Ein ehemaliger Zeuge als Angeklagter, ein Richter, der als Zeuge aussagt: Diese Verhandlung vor dem Amtsgericht in Kitzingen hielt ein paar Überraschungen parat. Ein Urteil ist noch nicht gesprochen. Fortsetzung im neuen Jahr.
Ein 31-jähriger Lagerarbeiter aus dem Landkreis Bamberg war mit Kumpels auf einem Konzert im Landkreis Kitzingen und wollte mit einem Freund an der Bar vorbei durch einen Durchgang treten. Dort ist er ins Straucheln geraten, schlug sich die rechte Hand in eine am Boden liegende Glasscherbe und verletzte sich schwer. Sehnen und Nerven wurden durchtrennt. Inzwischen steht ein bleibender Schaden fest.

Zwei Jahre Ausgehabstinenz

Im ersten Verfahren hat es ein Urteil gegeben. Der 32-jährige Angeklagte von damals steht heute als Zeuge vor Gericht - sichtlich genervt. Der Vorfall ist mittlerweile beinahe zwei Jahre alt. "Und er wird immer wieder aufgerollt", wundert er sich.

Beeindruckt hat ihn das Verfahren offensichtlich schon. Nach eigenen Angaben ist er seither nicht mehr ausgegangen.
In jener Nacht am 26. Dezember 2010 hat er jedenfalls nur Spaß machen wollen. Er habe auf dem glatten Boden den Moonwalk (Tanz für den Michael Jackson berühmt war) vorgeführt und sei erst nach dem Vorfall von der Security geholt und später von Polizeibeamten vernommen worden. Warum der Verletzte gestürzt sei, könne er sich bis heute nicht erklären, denn alles sei hinter ihm passiert. Er könne aber auch eine Berührung im Verlaufe des Moonwalks nicht ausschließen.
Der Verteidiger störte sich an den beiden Aussagen "ich habe nichts mitbekommen" und "ich habe es nicht mit Absicht gemacht". "Es kann sein, dass ich ihn unbemerkt getroffen habe und wenn, dann tut es mit Leid", konkretisierte der Zeuge. Dabei blieb er auch, als der Anwalt nachbohrte und wissen wollte, ob er von der Schädigung des Verletzten überzeugt sei.

Verdacht der Falschaussage

Im aktuellen Verfahren geht es allerdings um den Verdacht einer Falschaussage. Ein 40-Jähriger hatte im ersten Verfahren ebenfalls vor dem Amtsgericht ausgesagt, jetzt muss er sich als Angeklagter verteidigen. Der Staatsanwalt hält dem unverheirateten Agrartechniker aus dem Landkreis Bamberg vor, in der ersten Verhandlung zugunsten des damals Angeklagten wissentlich unrichtige Angaben gemacht zu haben. Gegen den Strafbefehl hatten er und ein ebenfalls angeklagter weiterer Zeuge Einspruch erhoben - letzterer allerdings nur gegen die Höhe der Tagessätze.
Der Verteidiger verlas zu Beginn der Verhandlung eine vorformulierte Erklärung, in dem der einstige Zeuge beteuerte, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben. "Die Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren bereits eingestellt", erinnerte Amtsgerichtsdirektor Paul Spengler. Auf Betreiben der Nebenklage im Vorverfahren werde jetzt verhandelt.
Als erster Zeuge trat der Kitzinger Amtsrichter aus dem ersten Verfahren in den Zeugenstand. Er konnte sich an Einzelheiten allenfalls vage erinnern. Die Verteidigung verlangte darauf hin eine eingehende Belehrung des Zeugen, was der Staatsanwalt ungeheuerlich fand. Er kündigte an, im weiteren Verlauf auf die Aussagen aller möglichen Zeugen zu bestehen, auch der damaligen Staatsanwältin.
Die Atmosphäre im Gerichtssaal wurde im Lauf der Verhandlung nicht freundlicher. Als Richter Spengler Zeugenaussagen aus dem damaligen Verfahren verlesen wollte, verweigerte der Verteidiger das Einverständnis. Aus dem verlesenen Urteil wurde schließlich ersichtlich, dass sich schon damals Anhaltspunkte für eine Falschaussage ergaben.
Als weiterer Zeuge wurde der Sachbearbeiter der Polizei aufgerufen. Er konnte aber nicht wesentlich zur Klärung beitragen, da er lediglich die Akte bearbeitet und ein Verhör durchgeführt hatte. Der jetzt Angeklagte hatte damals erzählt, dass er nichts gesehen habe. Die verletzte Person sei gestürzt, ohne dass er bei ihr gewesen sei.
Ein 26-jähriger Betriebsschlosser, der Freund des Verletzten, betätigte zwar den Unfall, konnte aber nicht erkennen, ob der Täter ausgerutscht war oder getreten habe. Er habe lediglich die Berührung beobachten können.

Weiter geht es am 4. Januar

Wenig Klarheit in einem Fall, der die Kitzinger Justiz schon seit fast zwei Jahren beschäftigt. Für Richter Spengler ist das Verfahren damit längst nicht zu Ende. Er will zur Fortsetzung am 4. Januar 2013 weitere sechs Zeugen vorladen lassen, darunter den Zeugen aus der Vorverhandlung, der seinen Einspruch zurückgezogen hat und die Staatsanwältin, die das Verfahren damals im Gerichtssaal begleitete.