Aus Liebe zu den Tieren
Autor: Ralf Dieter
Gollachostheim, Freitag, 29. August 2014
Susanne Pfeuffer und Martin Weid leben mit rund 140 Tieren in einer großen Wohngemeinschaft.
Die Begrüßung ist lautstark. Und dennoch freundlich. Zehn Hunde stehen hinter der Eingangstür. Einer ist blind, zwei haben nur noch ein Auge und zwei haben nur noch drei Beine. Lebendig sind sie trotzdem. Und das haben sie Susanne Pfeuffer und Martin Weid vom Gnadenhof in Gollachostheim bei Gollhofen zu verdanken.
Pfeuffer stammt aus Ochsenfurt und sie kann sich noch gut an ihre Zeit am Kitzinger Tierheim erinnern. Als 16-Jährige hat sie Hunde ehrenamtlich Gassi geführt. Und sie hat eine Zeit lang sogar im Tierheim gewohnt, den Not- und den Nachtdienst übernommen. Die Liebe zu den Tieren hat seither nicht abgenommen. Im Gegenteil: Mit 20 Jahren war ihr klar, dass sie Tiere retten will, die in Not sind, um ihnen einen würdevollen Lebensabend zu ermöglichen.
In Gollachostheim haben Susanne Pfeuffer und ihr Partner Martin Weid aus Creglingen einen alten Bauernhof erworben und ihn nach und nach umgebaut. Mit 20 Tieren fing alles vor rund acht Jahren an. Mittlerweile leben rund 140 Tiere auf dem 2000 Quadratmeter großen Gelände, Hunde, Katzen, Schweine, Ziegen, Hühner, Meerschweinchen, Kaninchen. Tiere, die im Normalfall längst gestorben wären.
So wie Oskar, das rund 300 Kilo schwere Hausschwein. Seit acht Jahren lebt er schon auf dem Gnadenhof. "Ihm ist ein Rippenpaar zu viel angezüchtet worden, darunter leidet der ganze Bewegungsapparat", erzählt Pfeuffer. Als Spanferkel sollte Oskar enden. Doch er ist dem Schlachter entkommen. Im Gnadenhof kann er seinen Ruhestand seither genießen, zusammen mit drei anderen Hausschweinen.
"Leben und die Tiere leben lassen." So lautet das Motto von Pfeuffer und Weid. Und so können sie auch nicht Nein sagen, wenn ihnen wieder einmal ein Tier angeboten wird. "Vor großen Sportveranstaltungen schnellt die Zahl der Tiere, die in Lebensgefahr geraten, immer wieder in die Höhe", erzählt Pfeuffer. Ob Olympische Spiele oder Fußball-Weltmeisterschaften: Straßenhunde stören den werbewirksamen Anblick der Austragungsorte. Polina ist so ein Beispiel. Sie kommt aus der Ukraine und sollte vor der Europameisterschaft 2012 getötet werden. Zusammen mit Emily tollt sie stattdessen in Gollachostheim herum. Emily hatte ein gutes Zuhause, bis sie anfing, den Garten umzugraben. "Sie ist total überzüchtet und leidet an mehreren Krankheiten", erklärt Pfeuffer.
Der Besitzer wollte Emily einschläfern lassen. Im Gnadenhof-Garten kann sie jetzt nach Herzenslust Löcher buddeln. Pelle und die anderen Ziegen schauen ihr dabei erstaunt zu. Auch sie haben leidvolle Geschichten hinter sich. Toni und Franz sollten beispielsweise zu Knoblauchwurst verarbeitet werden, Pelle lebte jahrelang in einer Pferdebox. Ins Freie durfte er nicht.
Es sind immer die gleichen Gründe, weshalb Tiere auf dem Gnadenhof landen: Eine finanzielle Not der Besitzer, eine Gleichgültigkeit der Besitzer gegenüber dem Tier oder eine gesellschaftliche Verrohung, wie es Pfeuffer ausdrückt. "Landwirtschaftliche Tiere sind wortwörtlich arme Schweine", sagt sie. Nutztierhaltung lehnen die beiden, die sich sich seit Jahren vegan ernähren, ab. Zu viele schockierende Beispiele haben sie schon erlebt, zu viele leidende Tiere mit eigenen Augen gesehen.
So wie die Hühner aus der Legehennenhaltung, die jetzt zusammen mit vier Wildschweinen im ehemaligen Gemüsegarten leben. "Wir haben sie über eine Ausstallung erhalten", erzählt Weid. Mit anderen Worten: Wie in jedem Großbetrieb sollten die Tiere geschlachtet werden, weil deren Legeleistung nachließ. Der Verein "Rettet das Huhn e.V., mit dem die Tierschützer zusammen arbeiten, hat davon erfahren. Alle Hennen kommen in so einem Fall bei Tierschützern in ganz Deutschland unter. Es sind einige Tausende - pro Intensivtierhaltung.
"Ganz nackt waren die Hennen", erinnert sich Weid. "Sie konnten weder picken noch scharren, geschweige denn eine zehn Zentimeter hohe Stufe hinaufkommen." Zwei Hennen sind schnell gestorben, den anderen geht es mittlerweile gut, sie verhalten sich wie normal entwickelte Artgenossen.
Tag und Nacht sind Pfeuffer und Weid im Einsatz. Urlaub ist für die beiden ein Fremdwort. Um 4 Uhr morgens beginnt ihr Tag mit füttern, Medikamente verabreichen und Gassi gehen. "Mit zehn Hunden ist das gar nicht so einfach", erzählt die Projektleiterin für Hoteleinrichtungen bei einem internationalen Möbelhaus und lacht. Beim morgendlichen Ausgang ist immer ein Eimer mit dabei, in dem die beiden die Hundehaufen deponieren. Ein Grund von vielen, warum sie in der ländlichen Nachbarschaft von Anfang an respektiert wurden. "Wir bekommen ab und zu Stroh oder Heu geschenkt und können den Mist unserer Tiere bei einem Landwirt abliefern", erzählt der gelernte Werkzeugmacher Weid.
Dennoch sind die beiden, die 2011 den Bayerischen Tierschutzpreis erhielten, für jede Hilfe dankbar. Etwa 50 000 Euro müssen sie pro Jahr erwirtschaften, um alle ihre Tiere artgerecht verpflegen zu können. "Alleine 30 000 Euro gehen für Tierarztkosten drauf", sagt Pfeuffer. Kein Wunder: Es gibt Hunde mit Epilepsie, Katzen mit Krebserkrankungen und Ziegen mit seltenen Allergien auf dem Gnadenhof. Erst kürzlich musste Ziegenbock Kalle zur Spezialbehandlung in die Gießener Tier-Uni-Klinik gebracht werden und wurde gerettet.
Die ehrenamtliche Arbeit von Pfeuffer und Weid ist hart. Ihr Leben ist streng eingetaktet. Ihr Wunsch? "Ich würde mich freuen, wenn in der Gesellschaft nach und nach eine Bewusstseinsveränderung für andere Spezies einsetzt", sagt Pfeuffer. Ein langer Weg. Das ist ihr bewusst. "Es geht nur Schritt für Schritt." Immerhin: Seit 2002 ist der Tierschutz im Grundgesetz verankert. Dafür kämpfte der Verein "Menschen für Tierrechte - Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.", dessen Vorstandsmitglied sie ist. Ein weiterer Meilenstein in Bayern wäre das Verbandsklagerecht, beispielsweise gegen Massentierhaltung oder Tierversuche. "Dazu braucht es einen langen Atem", weiß Pfeuffer. So schnell werden ihr und Martin Weid die Luft nicht ausgehen. Dafür langt schon ein Blick auf ihre tierischen Mitbewohner, die sich auf dem Gnadenhof sichtlich sauwohl fühlen.