Arielles Cousins im Kitzinger Freibad
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Donnerstag, 13. August 2020
Bäder-Chef Peter Zimmermann ist für einen Spaß zu haben. Unter der Regie des erfahrenen Fabelwesens Chris Riel versucht Zimmermann sich als Meermann.
Auf zwei Beinen ist Chris Riel zum Beckenrand gelaufen. Dort breitet er sorgsam drei Flossen aus: zwei Meter lange Silikonteile in Blau, Türkis, Gold und Braun, die locker je 20 Kilo wiegen, nass das Doppelte. Chris zieht sein T-Shirt aus, nimmt ein Fläschchen Öl, kippt eine kleine Lache auf seine Handfläche und reibt sich die zähe Flüssigkeit auf die Beine. "Dann flutscht man besser in die Flosse rein." Peter Zimmermann, der Betriebsleiter des Kitzinger Freibades auf der Mondsee-Insel mitten im Main, steht mit leicht skeptischem Blick daneben. Chris grinst und macht ihm Mut: "Einfach mal ausprobieren, das klappt schon!" Also lässt auch Zimmermann ein wenig Öl aus der Flasche tropfen...
Fünf Minuten später. Zum Glück hat das Bad noch geschlossen - die Gäste würden sich sonst sehr über den seltsamen Wurm wundern, der sich da am Beckenrand windet. Peter Zimmermann ist ein bisschen größer als Chris Riel, dessen Meermann-Flossen maßgeschneidert sind. Obwohl auch Zimmermann muskulös ist, plagt er sich ganz schön. Das türkisblaue Silikon, das er mit beiden Händen Richtung Taille zieht, bewegt sich nur zentimeterweise über seine Hüfte. "Urgh", knurrt der 34-Jährige und hievt seinen Körper ein paar Zentimeter weiter ins Wasser. Ein letzter Ruck, ausatmen: Die Flosse sitzt wie angegossen - im wahrsten Sinn des Wortes. "Zum Glück geht die nur bis zur Hüfte. Sonst würde ich glatt ersticken."
Chris Riel, der 26-jährige Meermann aus Franken, hat unterdessen schon einige Tauchrunden hinter sich und zur Freude der Fotografen auch schon das Outfit gewechselt. Durch die Wasseroberfläche betrachtet, sieht er aus wie ein formvollendetes Fabelwesen. Seine neueste, sehr lange Meermannflosse hat die gleiche Farbe wie die gebräunte Haut seines Oberkörpers; sie ist versetzt mit einigen Seitenflossen, die sich wie Algen um den "Merman-Tail" herumschlingen und golden schimmern.
Chris taucht auf und streicht sich lachend die nassen Locken aus der Stirn. Er gibt Peter Zimmermann noch ein paar Tipps für dessen Meermann-Premiere. "Die Flosse ist keine Schwimmhilfe - im Gegenteil!", betont er. Nur mit der richtigen Technik komme man damit im Wasser voran. "Wer keine Mono-Flossen-Erfahrung hat und den Delfin-Beinschlag nicht beherrscht, für den kann es gefährlich werden." Vor allem Kindern müsse man deshalb einbläuen: "Meermänner und -frauen schwimmen niemals alleine!"
Peter Zimmermann weiß das natürlich. Er ist, wie Chris Riel, ausgebildeter Rettungsschwimmer. Also fackelt der Bäder-Chef nicht lange. Er holt Luft, stößt sich vom Rand ab, geht auf Tauchstation. Wenig später der erste Flossenschlag: "Spitze", sagt Chris Riel, der seinen "Lehrling" beobachtet. "Der hat das drauf." Tatsächlich durchzieht Peter Zimmermann die ganze Länge des Beckens in souveräner Schlangenbewegung.
Als sein Kopf die Wasseroberfläche durchdringt, ist er rot und überzogen von einem riesigen Grinsen: "Saugeil", ruft Zimmermann spontan. Er atmet tief durch, wird detaillierter: "Zuerst war es ungewohnt, aber nach ein paar Zügen echt total cool, eine ganz neue Erfahrung! Nach einer Weile kommt man in einen richtigen Flow."
Das Freibad hat mittlerweile seine Tore auch für "normale" Besucher geöffnet. Zwei Kinder bleiben wie erstarrt stehen, als sie Chris Riel im seichten Wasser sehen. Zögernd, mit riesengroßen Augen kommen die beiden näher. "Hast Du auch eine Mama?", fragt das Mädchen schüchtern. Der Volkacher antwortet: "Natürlich! Sie ist im Meer geblieben und wartet dort auf mich." Jetzt traut sich auch der Bub. "Kennst du Arielle?", will er wissen. "Klar", antwortet der Meermann, "das ist meine Cousine".
Eine Stunde später, die Flossen sind wieder zwei Beinen gewichen, blickt Chris Riel noch einmal übers Wasser. "Ich möchte keinem Kind der Welt die Illusion rauben", sagt er. "Kinder brauchen Märchen. Sie beflügeln die Fantasie und ermutigen dazu, das Leben beherzt zu gestalten." Erwachsenen können sie also auch nicht schaden.