Arbeitsmarkt im Kreis Kitzingen nicht in Gefahr
Autor: Sabine Paulus
Kitzingen, Mittwoch, 03. April 2013
Der Stellenabbau bei Fehrer in Kitzingen ist ein harter Schlag. Mit der richtigen Weichenstellung kann sich die Region aber wirtschaftlich behaupten - sagt ein Experte.
Prof. Dr. Ralf Jahn, Jahrgang 1959, ist Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Die IHK vertritt in Mainfranken rund 62 000 Unternehmen. Eines der Unternehmen, die 1875 in Kitzingen gegründete Firma F. S. Fehrer Automotive GmbH, bewegt nach dem angekündigten Abbau von 500 Arbeitsstellen die ganze Region. Der IHK-Hauptgeschäftsführer macht sich Gedanken, wie es mit Fehrer weitergehen kann und wie die Wirtschaft in Mainfranken allgemein dasteht.
Welche Folgen hätte der massive Stellenabbau bei der Firma Fehrer aus Sicht der IHK für die Region?
Ralf Jahn: Wenn ein inzwischen 133 Jahre altes Traditionsunternehmen mit weltweit 25 Standorten als bislang größter Kitzinger Arbeitgeber am Stammsitz in Mainfranken mehrere Hundert Arbeitsplätze abbauen muss, ist das natürlich für den gesamten Wirtschaftsraum Mainfranken ein herber Schlag - auch wenn die aktuelle Arbeitslosenquote im Landkreis Kitzingen mit 3,7 Prozent immer noch marginal ist. Es kommt jetzt aber darauf an, in einer hart umkämpften Branche der Automobilzulieferindustrie klaren Kopf zu bewahren und mit einem Maßnahmenpaket den Fehrer-Stammsitz dauerhaft zu sichern, auch wenn dies mit unvermeidbaren Einschnitten in der Personalstruktur verbunden ist.
Inwiefern kann die IHK beratend oder sogar regulierend eingreifen - oder hat sie das vielleicht sogar schon getan?
Regulierend kann und darf die IHK schon von Gesetzes wegen nicht eingreifen. Aus der Stellung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände ergibt sich jetzt der Auftrag der Tarifparteien, möglichst sozialverträgliche Lösungen für die Fehrer-Belegschaft zu finden und Arbeitskräfte zu halten, die Fehrer später vielleicht wieder braucht. Die IHK steht aber als Ratgeber zur Verfügung.
Kommen Unternehmen in Krisensituationen generell auch auf die IHK zu und bitten um Beratung?
Ob ein Unternehmen in der Krise an die Beratungshilfe der IHK denkt, kommt auf den Einzelfall und darauf an, was Ursache der Krise ist. Sind es beispielsweise Finanzierungsprobleme, informiert die Unternehmensberatung der IHK beispielsweise über Finanzierungshilfen und vermittelt Kontakte, auch im Internet. Gleiches gilt, wenn es um die Sicherung der Ausbildung junger Mitarbeiter im Unternehmen geht oder aber um mit Qualifizierungsmaßnahmen der IHK-Weiterbildung für ein neues Aufgabengebiet fit zu machen. Und schließlich bildet auch eine selbstständige unternehmerische Existenz eine Alternative, bei deren Aufbau die IHK gerne hilft.
Was rät die IHK der Firma Fehrer?
Das Fehrer-Management braucht in der Krise keinen besserwisserischen IHK-Rat. Die Unternehmensleitung kennt die Märkte, das Umfeld und weiß auf dieser Basis am besten, was zu tun ist, um das Unternehmen in seinem Bestand zu erhalten und wieder auf Kurs zu bringen. Der Fachkräftemangel in Mainfranken belegt aber auch, dass sich in der derzeitigen Arbeitsmarktsituation niemand ernsthaft Sorgen um einen neuen Arbeitsplatz machen muss, der qualifiziert, leistungsbereit und auch mobil genug ist, um eine neue berufliche Herausforderung zu finden. Gerade in der Automobilzulieferindustrie und im Maschinenbau hat Mainfranken viele robuste mittelständische Betriebe, die händeringend nach qualifiziertem Personal suchen, auch im Landkreis Kitzingen.
Inwiefern ist die IHK in die Verhandlungen und Entscheidungen, die in den nächsten Wochen noch fallen werden, involviert?
Verhandlungen werden zwischen den Tarifpartnern geführt, sicher auch unter Beteiligung der Arbeitsagentur. Und am Ende werden auch Entscheidungen der Unternehmensleitung stehen. Sollte hierbei die IHK aus Sicht der Beteiligten einen Beitrag leisten können, steht sie "Gewehr bei Fuß".
Dieses Jahr beschäftigt sich die IHK besonders mit dem Thema Infrastruktur. Wer bestimmt, welches Jahresthema die Industrie- und Handelskammern in den Fokus rücken? Diese Jahresthemen sind bundesweit einheitlich, stimmt das?
Richtig, das Jahresthema der IHK-Organisation gilt für alle 80 IHKs bundesweit. Wir stimmen uns im Vorfeld über unseren Dachverband in Berlin, den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) ab, welche Themen besondere Brisanz für die deutsche Wirtschaft haben. Dem ausgewählten Thema widmet sich dann die ganze Organisation ein Jahr lang besonders intensiv. Das war im letzten Jahr etwa das Thema "Energie und Rohstoffe". Davor war es "Fachkräfte". Heuer heißt es "Infrastruktur - Wege für morgen".
Was versprechen Sie sich vom aktuellen Thema Infrastruktur?
Infrastruktur ist ja wie ein Zauberwort unserer Zeit! Alle halten es für wichtig, ja überlebenswichtig und doch ist es nicht leicht, es alltagstauglich und konkret umsetzbar zu machen. Meist erkennen wir die Bedeutung von Infrastrukturen aber doch erst, wenn sie nicht mehr vorhanden sind, wenn wir als Bürger oder Unternehmer ganz direkt betroffen sind. Zum Beispiel, wenn sich der Verkehr auf der noch nicht sechsspurig ausgebauten A 3 zwischen Biebelried und Erlangen mal wieder staut. Wir wollen deshalb einerseits den Status quo der regionalen Infrastruktur aufzeigen und andererseits Zukunftsfragen für den Erhalt beziehungsweise den Ausbau von Infrastrukturen erörtern.
Ist Infrastruktur nur Straße oder was gehört noch dazu?
Natürlich denken die meisten Menschen da zunächst an Verkehrswege. Aber Infrastruktur ist gerade eben nicht nur Verkehrsinfrastruktur - und wenn, dann müsste zusätzlich zur Straße noch die Schiene, mindestens das Binnenschiff, wenn nicht sogar die Seehäfen und auch noch das Flugzeug genannt werden. Nehmen Sie alleine nur die Breitbandversorgung, die "Datenautobahn" Die ist heute auch so wichtig wie eine Autobahn. Wenn ein Unternehmer aus Iphofen feststellt, dass Ausschreibungsunterlagen nur mit einem erhöhten Zeitaufwand heruntergeladen werden können, weil die Internetverbindung vor Ort zu langsam für die heutigen Ansprüche ist, dann ist das auch ein Infrastrukturproblem.
Wie viel hat Infrastruktur mit dem demografischen Wandel zu tun?
Zur Infrastruktur im weiteren Sinne gehören auch soziale oder immaterielle Aspekte, also etwa die Bildungsinfrastruktur, das Gesundheitswesen oder die Nahversorgung. Wenn wir alle in den nächsten Jahren älter und weniger werden, dann hat das Auswirkungen auch darauf, wie mobil wir sind, wo wir uns wie versorgen können, nicht zuletzt auch darauf, wie wir die Fachkräfte heranbilden, die wir brauchen, um unseren Lebensstandard mindestens halten zu können.
Wie lässt sich das Thema speziell auf die Region Würzburg-Schweinfurt beziehungsweise Mainfranken übertragen?
Nehmen wir beispielsweise das Thema Demografie und Fachkräfte: Wir wissen ziemlich genau, dass die mainfränkische Bevölkerung in weniger als 20 Jahren um knapp 60 000 Menschen schrumpfen und im gleichen Zeitraum im Durchschnitt um fünf Jahre älter werden wird. Eine rückläufige Bevölkerung führt zu Auslastungsproblemen bestehender Infrastrukturen wie etwa Schulen oder Schwimmbäder. Gleichzeitig wird der Bedarf an altersgerechten Wohn- und Betreuungseinrichtungen oder Einrichtungen im Gesundheitswesen zunehmen. Im aktuellen Ausbildungsjahr konnten beispielsweise die mainfränkischen Betriebe erneut viele Lehrstellen nicht besetzen.
Welche Branchen profitieren am meisten von einer guten Infrastruktur?
Ich glaube, man kann nicht sagen, dass einzelne Branchen mehr von Infrastrukturen profitieren als andere. Aber für einzelne Branchen sind bestimmte Infrastrukturen wichtiger als für andere. Für die Industrie etwa ist eine gute überregionale Verkehrsanbindung sehr wichtig, für einen Online-Einzelhändler seine Breitbandanbindung. Umgekehrt schadet es einer ganzen Region, wenn unsere Infrastrukturen nicht so funktionieren, wie sie es müssten. Es geht ja eben nicht nur um Verteilnetze zum Transport von Gütern, Energie und Daten, sondern auch um Wissensinfrastrukturen.
Das Gespräch führten die Redakteurinnen Sabine Paulus und Julia Riegler.