"Grells Landweizen" war längst vergessen – als drei Retter auf den Plan traten. Die Wiederbelebung der alten Weizensorte verlief perfekt und hält Überraschungen bereit.
Wer einen glücklichen Bäcker sehen will, muss Hans Gebert in Gnodstadt besuchen. Der Mann strahlt immerzu vor sich hin und freut sich, dass seine Wiederbelebungsversuche so gut geklappt haben. Der Grund für die gute Laune liegt direkt hinter ihm im Regal: Ein 500-Gramm-Brot, das es sonst nirgends gibt. Hergestellt mit einer alten Weizenart, die im Grunde ausgestorben war. Dass die Rettung auf Anhieb so gut klappen und das Experiment gelingen würde, war dabei keineswegs voraussehbar.
Die Vorgeschichte geht so: Barbara und Martin Keller von der Projektwerkstatt „openhouse“ in Mainstockheim, einer Art Saatgut-Arche-Noah, fiel die alte Getreidesorten "Grells fränkischer Landweizen" samt weniger Restbestände vor vier Jahren in die Hände. Die Sorte war früher in Franken heimisch, verschwand dann allerdings völlig. Um das zu ändern und dem Landweizen eine zweite Chance zu geben, holten die Mainstockheimer Hans Gebert ins Boot. Der ist Bio-Landwirt, Müller und Demeter-Bäcker in einem – vor allem aber ist er ein ausgewiesener Freund alter Getreidesorten, die inzwischen fast verschwunden sind.
Die Rettungsaktion für Grells Landweizen begann vor einigen Jahren in Mainstockheim mit genau fünf Gramm. Daraus wurden nach einem Jahr 75 Gramm. Nach zwei Jahren stand ein Kilo zur Verfügung, nach drei Jahren 16 Kilo und schließlich nach vier Jahren 200 Kilo. Endlich genug, um in die nächste Wiederbelebungsphase zu starten: Jetzt kam Hans Gebert ins Spiel, der in fünfter Generation eine Bäckerei in dem Marktbreiter Ortsteil betreibt. Vergangenen Herbst wurde das rare Saatgut auf einem dreiviertel Hektar bei Gnodstadt ausgesät.
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Der Hitzewelle getrotzt
Ab jetzt begann so etwas wie der Ernstfall, die alte Getreidesorte musste sich beweisen. Und das tat sie: Das Getreide wuchs prächtig heran. Hans Gebert konnte sich gar nicht satt sehen: Er habe "noch nie so schönes Getreide" auf seinen Feldern gehabt, betont der Gnodstädter. Selbst die zwischenzeitliche Hitzewelle konnte dem alten Weizen nichts anhaben. Weshalb sich schnell dieses wunderbare Gefühl einstellte: Das wird was, die Mühe war nicht umsonst. Es sollte weiter alles glatt laufen. Ende Juli kam dann der Mähdrescher: Im Wettlauf mit einem heranziehenden Unwetter wurden etwa 50 Zentner des Grell-Landweizens eingefahren.
Während es ringsherum blitzte und donnerte, die Ernte dennoch ins Trockene gebracht werden konnte, war es bis zum sinnbildlichen Vergleich nicht weit: Hier muss Demeter, die Göttin des Getreides, ihre Hand über die ungewöhnliche Ernte gehalten haben.
Kurz darauf kam Grells Landweizen in der Alten Synagoge in Kitzingen zu Ehren: Zur Wiedereinführung organisierten Barbara und Martin Keller eine Ausstellung, in der sich alles um alte Weizenarten und -sorten drehte. Genau der richtige Ort für eine weitere Premiere: Erstmals seit Jahrzehnten konnte das Grells-Landweizen-Brot probiert werden.
Brot oder Dachziegel
Vorher mussten sich Hans Gebert und der Weizen erst in der Backstube anfreunden. "Auf den Weizen einstellen" nennt der Bäcker das. Kein ganz einfaches Unterfangen, wenn es keine Erfahrungswerte gibt. Allein schon zu schnelles oder zu langsames Kneten des Teiges kann entscheiden, ob am Ende ein Brot auch wie ein Brot aussieht. Oder, im dümmsten Fall, wie ein Dachziegel. Das Brotbacken, findet Gebert einen schönen Vergleich, kann man sich wie eine Autowerkstatt vorstellen: Es gibt die modernen Werkstätten, in denen alles an Computer angeschlossen und automatisch gemacht wird. Und dann gibt es die alten Werkstätten, wo erst einmal gehört wird, wie der Motor klingt. Wo nicht nur Teile ausgetauscht werden, sondern richtig geschraubt und auf das Gefühl geachtet wird.