Als die große Flut nach Segnitz und Marktbreit kam
Autor: Regina Sterk
Segnitz, Mittwoch, 26. Februar 2020
Diese Woche ist es 50 Jahre her, dass Segnitz und Marktbreit das Wasser förmlich bis zum Hals stand. Zeitzeugen erinnern sich an den unerwartet hoch angestiegene Mainpegel.
Diese Woche ist es 50 Jahre her, dass Segnitz und Marktbreit das Wasser förmlich bis zum Hals stand. Entgegen aller Prognosen stieg das Hochwasser am Main deutlicher höher als erwartet. Walter Härtlein war damals Kämmerer der Stadt Marktbreit und erinnert sich noch genau. Anhaltende Schneeschmelze und Starkregen hatten zu den hohen Pegelständen des Maines geführt.
Am Morgen des 23. Februar trat der Main an einigen Stellen über die Ufer. Durch die staatliche Katastrophenwarnung waren die Bewohner gerüstet und hatten sich mit Sandsack-Barrieren und provisorischen Holzstegen vorbereitet. Kellerfenster wurden abgedichtet und man wartete ab, was kommt.
Am nächsten Tag waren bereits die Mainwiesen überflutet, die Marktbreiter Kläranlange fiel aus und ein Stück der Staatsstraße stand unter Wasser. Keller mussten ausgepumpt werden, aber die Prognosen verhießen, dass das Schlimmste überstanden sei. Weit gefehlt: In den frühen Morgenstunden des 25. Februar trat das Wasser aus dem Breitbach und Kanalschächten, der Main bildete von Kitzingen bis Ochsenfurt einen einzigen See. Segnitz war von der Außenwelt zeitweise abgeschnitten.
Viele helfende Hände, aber auch einige Gaffer
Bauhof, Stadtwerke, Feuerwehr und Sanitätskolonne waren pausenlos im Einsatz, berichtet Walter Härtlein. Die unterschiedlichsten Dienste griffen ineinander, man unterstützte sich gegenseitig. Auch die Nachbarschaftshilfe funktionierte reibungslos. Einzig einige Gaffer, die es immer wieder an die Absperrungen zog, bleiben den Betroffenen in schlechter Erinnerung.
Marlene Bauer, die Bürgermeisterin von Segnitz, war damals 15 Jahre alt und wohnte mit ihrer Familie in der Rathausstraße. Auch sie weiß noch genau, wie sie tagelang am Fenster gestanden und dem Steigen des Pegels zugesehen hatte. Zwar waren die meisten Häuser so gebaut, dass im Erdgeschoss nur Vorratsräume und Waschkeller waren. Aber dennoch musste auch hier geräumt werden. "Mancher hat bis zur letzten Minute mit dem Räumen gewartet und dann musste es plötzlich schnell gehen", erinnert sich Marlene Bauer. Holz, Kartoffeln und sogar Vieh – alles musste vor dem herannahenden Wasser in Sicherheit gebracht werden. Allerdings hatte keiner damit gerechnet, wie hoch das Wasser steigen würde.
Drei Tage im eigenen Haus festgesessen
Und so kam es, dass Marlene Bauer als Teenager drei Tage in ihrem Haus festsaß. "Das Beste war noch, dass wir nicht in die Schule konnten", erzählt sie. Aber sonst sei die Situation für sie eher beängstigend gewesen. Immerhin: Mitglieder der Familie Wüffert ruderten Schelche durch die Wasserstraßen und sorgten so dafür, dass die Eingeschlossenen in beiden Orten mit Lebensmitteln versorgt wurden.
Marlene Bauers Vater war als Elektriker ein gefragter Mann im Ort, er half, die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Und als die Pegel wieder sanken und es an das große Aufräumen und Saubermachen ging, da wurde Nachbarschaftshilfe groß geschrieben. Vor allem der Geruch war den Betroffenen noch lange in der Nase, erzählt Marlene Bauer: "Wenn das Wasser aus dem Main und Kanal kam, das war eine dreckige stinkende Brühe, die dicken Schlamm hinterließ!"