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Alkoholsucht soll raus aus der Tabuzone


Autor: Sabine Paulus

Kitzingen, Freitag, 24. Mai 2013

Das Thema Alkoholsucht ist mit Schuld, Scham und Scheitern behaftet. Während der "Aktionswoche Alkohol" wollen Kreuzbund und Berater im Landkreis dies ändern.


Margot trank jeden Tag eine Flasche Wein. Das alkoholische Getränk ist im Landkreis Kitzingen allgegenwärtig, auf Festen, auf Empfängen. Beliebt ist es auch als Geschenk. Margots Mann war als Musiker viel unterwegs. Sie fühlte sich einsam, saß alleine mit dem Kind zu Hause. "Hatte ich mich mit Alkohol beruhigt, vergaß ich meine schlechten Gefühle und konnte gut einschlafen", erzählt sie.

20 Jahre lang war sie süchtig nach Wein, seelisch und körperlich.

Ständig war sie damit beschäftigt, sich Wein zu besorgen und die leeren Flaschen möglichst diskret wieder verschwinden zu lassen. Irgendwann sah man ihr es an, ihr Gesicht war um die Augen herum angeschwollen. Sie konnte ihre Abhängigkeit kaum noch verheimlichen.

Schließlich wurde Margot von der Mitarbeiterin des Berufsfortbildungszentrums angesprochen.

Diese Frau hatte Margots Alkoholkrankheit erkannt und wollte ihr helfen. Es begann eine harte Zeit mit Entgiftung und Therapie. Margot hat das alles geschafft, sie trinkt keinen Wein mehr. Seit 13 Jahren lässt sie jeglichen Alkohol links liegen. Sie entspricht nicht dem Klischee, das die Öffentlichkeit von Alkoholikern hat: unter der Brücke lebend, schwankend von einem Rückfall zum anderen.

Weil sie eigentlich eine ganz normale Frau ist, erzählt sie der Presse ihre Geschichte auf Bitte der Psychosozialen Beratungsstelle für Suchtprobleme des Caritasverbandes in Kitzingen.

"Wir stellen immer wieder fest, dass es einseitige Meinungen und Haltungen in der Gesellschaft gibt", nennt die Suchtberaterin Mechthild Finnemann den Anlass für das Treffen der Journalisten mit drei Betroffenen aus den Kreuzbund-Selbsthilfegruppen Kitzingen. Immer liege die Betonung der Berichterstattung auf Not, Elend und Rückfall, sagt Finnemann.

Sie und ihr Kollege Ewald Burkhard wollen während der "Aktionswoche Alkohol", die die Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) e.V. vom heutigen Samstag an bis zum Sonntag, 2. Juni, veranstaltet, mit einigen Mythen über Alkohol aufräumen. Es gibt die Aktion zum vierten Mal. Ziel ist es, die Menschen mit persönlicher Ansprache in ihren unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsbereichen zu erreichen.

Es wird zu viel vertuscht, verheimlicht, verschwiegen.

Hans etwa hatte große Probleme, zuverlässig seine Arbeit und Termine zu erledigen. Mal kam er zu spät, mal gar nicht. Seine Frau deckte ihn eine ganze Zeitlang - bis Hans selbst einen Schlussstrich zog.

"Es gibt Normen in der Gesellschaft, und das Alkohol trinken bei vielen Anlässen ist so eine Norm. Menschen, die da nicht mitmachen können, werden stigmatisiert", sagt Ewald Burkard. Die Betroffenen schämen sich, weil sie etwas vor anderen verbergen müssen. Sie müssen damit rechnen, auf Ablehnung zu stoßen, weil sie in den Augen der anderen für schwach gehalten werden. Im Unterschied zu anderen Krankheiten komme schnell der Vorwurf auf, alkoholsüchtig zu werden, beruhe auf einer Willensschwäche, sagt Burkard.

Margot hat es geschafft, von der täglichen Dosis Stoff wegzukommen.

Die Nachsorge bei der Suchtberatungsstelle half ihr, den Mut für weitere Schritte in ein zufriedenes Leben zu machen. Mit 56 Jahren bestand Margot die Führerscheinprüfung, mit 58 Jahren fand sie eine Arbeitsstelle. Rückblickend sagt sie: "Ich habe 20 Jahre meines Lebens verloren."

Schon vor Jahren hat sie eine Kreuzbund-Selbsthilfegruppe gegründet. Der Kreuzbund ist ein Fachverband des Deutschen Caritasverbandes. In Kitzingen gibt es drei Gruppen, in Volkach eine, mit denen Finnemann und Burkard zusammenarbeiten. Er bietet Suchtkranken und Angehörigen Hilfe für den Ausstieg. Die Kranken werden darin unterstützt, eine zufriedene Abstinenz zu erreichen und den eigenen Lebensrhythmus wieder ins Gleichgewicht zu bringen. "Nicht immer Bier trinken zu müssen, um die Entzugserscheinungen wegzubekommen, war für mich eine echte Befreiung", sagt Thomas.