Druckartikel: Äthiopische Kaffeezeremonie beim Hoheimer Seniorenkreis

Äthiopische Kaffeezeremonie beim Hoheimer Seniorenkreis


Autor: Ralf Dieter

Hoheim, Montag, 11. November 2013

Franz Barthel hilft seit 30 Jahren in Äthiopien. Etliche Projekte hat der 69-Jährige schon angestoßen, oft genug musste er miterleben, wie sie scheiterten. Nicht alles, was Berthel in dem ostafrikanischen Land erlebt hat, ist so angenehm wie eine Kaffeezeremonie.


Eine dreiviertel Stunde, bis der Kaffee fertig ist? Viele Mitteleuropäer werden schon nach einer dreiviertel Minute unruhig. Die Mitglieder des Hoheimer Seniorenkreises nicht. Sie hatten ja auch eine Menge zu sehen, zu riechen und zu hören, bis Tirunesh Feyessa Namaga den Kaffee in die Tassen gießen konnte.

Mindestens einmal im Monat trifft sich der Seniorenkreis im Pfarrheim. Jedes Jahr im November organisiert die Vorsitzende Ingrid Gerber eine Veranstaltung für einen wohltätigen Zweck. Und so berichtete der langjährige Redakteur des Bayerischen Rundfunks, Franz Barthel, jüngst über seine Äthiopien-Hilfe. Feyessa Namaga bereitete derzeit im traditionellen äthiopischen Gewand Kaffee zu - in aller Ruhe, mit Liebe und Geschick.

Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich Barthel in und für das ostafrikanische Land Äthiopien. Die schreckliche Hungerkatastrophe von 1984 und die Hilfe von Schauspieler Karl-Heinz Böhm haben das Land vor etwa drei Jahrzehnten in die Schlagzeilen gebracht. Vieles hat sich seither verändert. "Aber nicht alles zum Guten", sagt Barthel. "Die Gerechtigkeit ist nicht wirklich vorangekommen."

Die aktuelle Katastrophe bringen internationale Großkonzerne und aufstrebende Großmächte über das Land. "Agrarkonzerne pachten riesige Ländereien vom Staat", erzählt Barthel. Auf 40 bis 50 Jahre sind solche Verträge mitunter abgeschlossen. Die Regierung verdient gutes Geld mit der Pacht. Die Bauern nicht. "Die werden einfach umgesiedelt", ärgert sich Barthel. Denn die Konzerne bringen ihre Arbeiter aus Indien oder China einfach mit und die Ernte später außer Landes. "Eine schreiende Ungerechtigkeit", findet der 69-Jährige.

Barthel hat in den 30 Jahren seiner Hilfstätigkeit etliche Projekte in Äthiopien angestoßen. Viel zu oft musste er miterleben, wie sie scheiterten.

Eine neu gebaute Ölmühle funktionierte ein paar Jahre reibungslos: Leprakranke hatten dort einen Arbeitsplatz, rundherum wurden ölhaltige Früchte angebaut, die Produkte verkauften Frauen auf dem Markt. Etliche Familien konnten von dem Projekt leben - bis EU und USA ihre Überschüsse in der Ölproduktion nach Afrika schickten. "Jetzt steht die Ölmühle leer", bedauert Barthel.

Ähnlich lief es mit dem regionalen Hühnerhandel. Als subventioniertes Hühnerklein aus der EU tief gefroren in äthiopischen Lebensmittelläden auftauchte, hatte der örtliche Handel keine Chance mehr. Barthels traurige Erkenntnis nach 30 Jahren Hilfsarbeit: "Afrika wird entweder als Müllhalde oder zum Geschäfte machen missbraucht."

Aufgeben ist aber nicht die Sache des Reporters. Schließlich gibt es auch erfolgreiche Projekte wie die Mango-Plantage. Auf 20 Hektar finden dort etliche Kleinbauern ihr Einkommen. Außerdem ist das Land dem ehemaligen Redakteur ans Herz gewachsen. Die Kultur und die gastfreundlichen, kommunikativen Menschen haben es ihm angetan. "Wer zu einer Kaffeezeremonie eingeladen wird, der sollte viel Zeit mitbringen", rät er den Zuhörern in Hoheim. Ein Mal am Tag schüren Frauen wie Tirunesh Feyessa Namaga den selbst gebauten, kleinen Ofen, waschen die Bohnen und rösten sie auf Holzkohle, ehe sie sie zu Pulver stampfen. Heißes Wasser wird dann über das Pulver gegossen und der Kaffee serviert. Drei Tassen werden nacheinander gereicht. "Und dabei erzählen wir ganz viel", berichtet die gelernte Krankenschwester Feyessa Namaga, die seit einem Jahr im Asylbewerberheim in Würzburg lebt. Politik, Sport, Handel, die neuesten Gerüchte: All das wird bei einer Kaffeezeremonie besprochen und diskutiert.

Wer keine Zeit hat, sollte seinen Kaffee wie üblich am Automaten per Knopfdruck herauslassen. Wie viele Sinneseindrücke er dabei verpasst, können ihm die Hoheimer Senioren mitteilen. Sie haben den Nachmittag mit Franz Barthel und Feyessa Namaga sichtlich genossen.



Kaffee in Äthiopien


Das ostafrikanische Land gilt als Wiege des Kaffeeanbaus. Kaffee wird in Äthiopien zumeist in naturbelassenen Waldgärten geerntet. Die Kaffeebäume werden dort bis zu 3,5 Meter hoch. 2010 wurden laut "Coffeepolitan" 55.729 Tonnen Kaffee aus Äthiopien nach Deutschland eingeführt, was 5,08 Prozent des gesamten nach Deutschland importierten Rohkaffees ausmachte. Dies entspricht Rang 6 unter den Bezugsquellen für Rohkaffee in Deutschland.