82-Jähriger turnt den Jüngeren noch etwas vor
Autor: Gerd Ludwig
Kitzingen, Freitag, 17. Mai 2013
Mit fast 83 Jahren fährt der Kitzinger Turngemeindler Erich Seifert am Samstag zum Internationalen Deutschen Turnfest in die Rhein-Neckar-Region. Nicht als Zuschauer, sondern als aktiver Sportler.
Weißes Sweatshirt mit der Aufschrift 'Deutsches Turnfest 1987 Berlin', enge Trainingshose, Turnschuhe ausgezogen. So schwingt er sich auf den Barren. Mit knapp 83 Jahren. Erich Seifert gehört zum Inventar der Turnhalle bei der TG Kitzingen. Er betreut Jugendliche, gibt Tipps und geht noch selbst an die Geräte. Ab Samstag vertauscht das Ehrenmitglied der TGK die Kitzinger Halle mit denen des Internationalen Deutschen Turnfestes, das bis zum 25. Mai im Großraum Heidelberg, Mannheim und Ludwigshafen über die Bühne geht.
"Ich habe mich schon immer gerne bewegt", blickt Seifert auf seine Anfänge in den Kriegs- und Nachkriegsjahren zurück. "Ich kletterte immer auf die obersten Baumspitzen." Jahrzehnte später ist er immer noch aktiv. Auch wenn er vor vier Jahren eine neue Hüfte bekommen hat. Gerade zur Turnfestzeit. Damals 2009 in Frankfurt.
Voll beweglich
Erich Seifert ist voll beweglich an den Geräten, geistig sowieso. Und er will der Jugend Spaß am Turnen vermitteln. Die Freude, die auch er hatte und noch hat.
Besonders Jungs betreut er, auch wenn er die Mädchen als "gelehriger, folgsamer und empfindsamer" beurteilt. "Bei den Buben bricht immer wieder die Kraft durch." Umlernen musste er, als einige Zeit nur noch Mädels bei der TG Kitzingen turnten. Jetzt hat er wieder eine Gruppe von sechs bis neun Jungen. Mit fünf Kids fährt er aufs Turnfest. Nur zehn TGK-ler insgesamt, was er bedauert. Denn auch vom Zuschauen könne man beim Deutschen Turnfest etwas lernen. Dabei müsse nicht unbedingt an den Wettbewerben teilgenommen werden.
Erstmals bei einem Deutschen Turnfest war Seifert - sein Sweatshirt verrät es - 1987 in Berlin. Mit 57 Jahren. "Unter den 560 Teilnehmern meiner Klasse landete ich auf Rang 46." Seifert bezeichnet sich selbst nicht als reinrassigen Turner. "Ein Mischkämpfer", mit Tendenz zur Leichtathletik. Und blickt auf sein zweites Turnfest in Bochum/Dortmund (1990) zurück. Nach Pferd längs und Standweitsprung lag er an der Spitze, zu schnell sei er damals das Schwimmen angegangen und noch auf Platz fünf gerutscht.
An Teppichstangen geturnt
Seine Wurzeln liegen eher in der Leichtathletik. "Ich habe in der Jugend ein paar Hochsprungständer gebastelt, mit ein paar Nägeln und eine Schnur drüber. Und das Turnen. Nein, das habe er nicht in einer Halle erlernt. An Teppichklopfstangen bei den Mietblocks: "Da haben wir als Jugendliche Knieumschwung, Sitzumschwung, Felgauf- und -umschwung geübt. So bin ich zum Turnen gekommen", sagt er. Noch vor zwei Jahren habe er einen schönen Felgumschwung gemacht. "Wenn man das einmal im Gefühl hat, kommt man auch rum."
Im nächsten Satz wird er selbstkritisch. "Für den Felgaufschwung habe ich im Moment zu viel Bauch." Der Betrachter fragt sich da allerdings, wo denn das Zuviel wäre. Und noch ein kritischer Spruch: "Ich muss ein bisschen Haltung bewahren, keinen Buckel machen, aber das wird ja uns Turnern gerne nachgesagt."
Seifert geht strenger mit sich selbst ins Gericht als mit seinen Schützlingen. "Bei den Turnfesten sind meine Jungs eher bei den nicht so Folgsameren zu finden. Meine Turner sind Freiheit gewohnt." Denn, wenn man sie zu sehr 'einsperre', würden sie die Lust verlieren. Seifert sucht die Kommunikation, gibt Tipps. Und die Schüler suchen ebenfalls die Ansprache, kommen nach ihren Übungen, fragen, was sie noch verbessern können. Kein Kasernenhof-Ton - es geht locker zu. "Oh, das war gut. Felgrolle rückwärts zum Handstand", ruft er im Vorbeigehen seinem Schüler Richard zu. Dem Berichterstatter zugewandt, "der ist wirklich gut." Seifert selbst habe nach eigener Aussage nie eine Riesenfelge gekonnt.
Spaß am Turnen weitergeben
Seit 1947 ist er bei der Turngemeinde. Nach einer kurzen Unterbrechung nach seiner Heirat schon wieder 52 Jahre am Stück. "Damals suchten sie jemanden, der den Nachwuchs betreut. Völlig ungelernt, eher einen, der Kinder beschäftigt, ohne Übungsleiterschein. Den habe er immer noch nicht, bezeichnet sich als Vorturner der alten Art. Möchte den Spaß an dieser Sportart weitergeben.
Und das hat er geschafft. Mittlerweile steht er nicht mehr alleine in der Halle. Einige Übungsleiterinnen kümmern sich um den Nachwuchs. Zwei davon nahm er 1998 als Jugendliche eben zum Deutschen Turnfest nach München mit: Sabine und Heidi Diener begeisterte das so, dass sie nun ihrerseits die Mädchen unter ihre Fittiche nehmen. "Ich habe sie ein bisschen großgezogen, animiert. Jetzt können sie mir ein bisschen die Arbeit abnehmen. Denn das Leistungsniveau sei in den letzten Jahrzehnten enorm gestiegen", betont Erich Seifert, wie in allen Sportarten eben auch. "Früher war ein Felgauf- oder -umschwung das Nonplusultra. Da habe sich ein Betreuer aber auch um 20 Kids gekümmert."
Ein Flic-Flac wäre damals undenkbar gewesen. Seifert könne auch heute noch keinen: "Aber ich weiß, wie ich ihn den Kindern beibringen kann." Er zieht den Vergleich zum Münsterschwarzacher Benediktiner-Pater Edmar Greif, nur ein paar Jahre jünger als er. "Ein Fußballer, aber ein ausgezeichneter Turnlehrer."
Und wie geht es für Erich Seifert nach dem Turnfest weiter? "Wenn ich aufhöre, dann sterbe ich", sagt er. Deswegen müsse er immer weiter machen. Ob dann im Sweatshirt "Deutsches Turnfest 2013"? Aber sicher wieder in der Kitzinger Halle, aus der er nicht wegzudenken ist.