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814 Laster voller Hilfe


Autor: Bearbeitet von Ottmar Deppisch

Bibergau, Sonntag, 24. Juni 2018

Seit 28 Jahren unterstützt der Bibergauer Elmar Karl Rumänien. Genauso lange ist er in dem Land unterwegs um zu erkunden, ob und wo noch Hilfe nötig ist.
Der Höhepunkt der Reise der Dettelbacher war die große Pfingstwallfahrt in Csik Somlyo. 250 000 Katholiken aus Rumänien, Ungarn und vielen weiteren Ländern nahmen am Gottesdienst auf einem Bergsattel teil. Der bekannteste Teilnehmer war Ungarns Staatspräsident János Áder.


Seit 28 Jahren unterstützt der Bibergauer Elmar Karl Rumänien. Genauso lange ist er in dem Land unterwegs um zu erkunden, ob und wo noch Hilfe nötig ist. Jetzt war es wieder soweit. Die Erkenntnis: Die Rumänienhilfe Karl wird weiter gebraucht, auch nach 814 Lastern voller Hilfe.

Dem oberflächlichen Betrachter drängt sich vor Ort der Eindruck auf, dass es den Menschen gut geht. Westliche Mittelklassewagen und auch Fahrzeuge der Luxusklasse rollen über die Straßen. Die Jugend trägt moderne Kleidung. Nahezu jeder drückt ein Smartphone ans Ohr. In den Geschäften – Kaufland, Lidl, Penny & Co – quellen die Regale über. Das Straßencafé in der Innenstadt ist voll besetzt.

Trister Eindruck

Beim genaueren Blick offenbart sich die Realität. Die Plattenbauten machen einen tristen Eindruck. In manchen Dörfern steht jedes dritte Haus leer. Die Rentnerin steht vor dem vollen Regal, kann sich aber kaum etwas in den Korb legen. Bei einer Rente von vielleicht 130 Euro muss man jeden Lei mehr als einmal umdrehen.

Die vierköpfige Delegation aus Dettelbach besuchte die Mallersdorfer Schwestern in Odorheiu. Schwester Michaela kehrt nach 27 Jahren nach Deutschland zurück und erzählt von der Arbeit der Nonnen. Bis zu 100 benachteiligte Kinder können dort nicht nur den Kindergarten besuchen, sondern bekommen auch Essen, frische Kleidung und haben die Möglichkeit zu baden. 65 arme Schulkinder kommen zur Nachmittagsbetreuung. Bis zu 35 Stadtbewohner und Obdachlose erhalten zudem ein warmes Essen. Im Nazareth-Haus erfahren Menschen in einer Notlage Unterkunft und Betreuung.

Private Stiftung

Die private Behindertenstiftung Handicap errichtet ein neues Zentrum in Miercurea Ciuc. Darin entstehen Werkstätten, Sozial- und Therapieräume und Behindertenwohnungen. „Je nach Geldeingang soll das Haus in ein oder zwei Jahren fertig sein“, so Csaba Fiko, der sich als ehemaliger Leiter der Stiftung um den Neubau kümmert. Er rechnet mit Kosten von einer halben Million Euro. Da vom Staat nichts kommt, ist man auf Spenden angewiesen. „Im letzten Jahr sind 120 000 Euro eingegangen“, sagt er. Von der Handicap-Stiftung profitieren 2000 Kinder. Karl unterstützt die Stiftung seit vielen Jahren.

Unterstützung aus Dettelbach gibt es auch für die Altenheime in Frumoasa und Gheorgheni. Ersteres ist ein staatliches Heim, aber ständig unterfinanziert. Kaum einer der 50 Bewohner kann die Kosten von 210 Euro selbst tragen. Aus Dettelbach kamen jüngst vier Pflegebetten und ein finanzieller Zuschuss.

Das Haus in Gheorgheni wird von Caritas betrieben. 150 Bewohner finden dort Pflege und eine Einrichtung, die sich mit Häusern in Deutschland vergleichen kann. Auch hier sind die wenigsten in der Lage, die Pflegekosten von 500 Euro im Monat aufzubringen. Deshalb muss Direktor Vencel Magyari ständig um Geld kämpfen.

Ländliche Entwicklung

Das Caritas-Zentrallager in Gheorgheni, in dem etwa zwei Drittel der Hilfsgüter aus Dettelbach landen, soll ausgebaut werden, erläutert der örtliche Caritasresident Laszlo Kastal. Hauptziel ist die Förderung der ländlichen Entwicklung. Eine Schaukäserei, Gewächshäuser, einen Musterstall für Milchkühe und einen Second-Hand-Laden gibt es bereits. Es werden Kurse in Pflanzenbau, Milchviehhaltung und Milchverarbeitung angeboten, auch Beratungen gehören zum Programm. „Im letzten Jahr besuchten 400 Bauern aus der Umgebung verschiedene Tageskurse“, so Kastal. Da es keine staatliche Unterstützung gibt, muss sich die Einrichtung mit Spenden und den Einnahmen der Cari-Shops und der Käserei finanzieren.

In Satu Mare besuchte die Reisegruppe Einrichtungen der Caritas, darunter die Armenküche und das Frühförderzentrum, wo 120 Kinder pro Monat neben einer ärztlichen Untersuchung Therapien erhalten. Dabei können Eltern nur 15 Prozent der Kosten decken. Im „Haus der Freundschaft“ werden 60 Schulkinder gefördert, vorwiegend aus Roma-Familien. Zudem können sie sich dort sportlich und musikalisch betätigen, können baden oder Wäsche waschen.

32 Kinder werden betreut

Auch die Eltern, meist Mütter, können Kurse für Ernährung, Hygiene oder Nähen besuchen. In einem Caritas-Kindergarten werden 32 Kinder aus sozial benachteiligten Familien betreut, die sich den städtischen Kindergarten nicht leisten können. Hier übernimmt der Staat zumindest die Bezahlung der Kindergärtnerinnen.

Eine weiterer Besuch galt dem Integrationszentrum Kinderhort Ardud. Dort sind 60 Kinder, Roma, Ungarn und Rumänen, eingeschrieben. Im Schnitt kommen 40 zur Betreuung. „Hier zeigt die langjährige Förderung endlich Wirkung“, bestätigt Victor Turda von der Caritas. Nach 20 Jahren sei keine große materielle Unterstützung der Roma-Familien mehr nötig, der Schwerpunkt liege jetzt auf Bildungs- und sozialer Förderung.

Insgesamt klafft in Rumänien die Schere zwischen Arm und Reich weiter auseinander. Ein großes Ärgernis ist Korruption. Besonders die ungarische Minderheit im Westen des Landes fühlt sich belastet und fordert mehr Autonomie.

Migranten-Frage

Eine der ersten Fragen an die Dettelbacher Delegation war die nach den Migranten in Deutschland, egal ob bei Erzbischof György Jakubinyi in Alba Julia, beim Bürgermeister Zoltán Nagy von Gheorgheni, beim Caritasdirektor Dr. Ladislau Lang aus Satu Mare oder bei Pfarrer Arpad Kiraly in Arad. Viele Menschen, insbesondere junge und gut ausgebildete Leute, wandern ab. In manchen Dörfern steht jedes dritte Haus leer, weil die Bewohner im Westen arbeiten. Zurück bleiben die Alten, die mit ihrer kargen Rente mehr schlecht als recht über die Runden zu kommen versuchen.

Und so warten die Caritasleute in Gheorgheni, Sfantu Gheorghe, Miercurea Ciuc oder Satu Mare auf die nächste Überweisung oder Laster aus Dettelbach. Mit dem Wissen, dass Hilfe weiter dringend notwendig ist, kehrte die Reisegruppe um Elmar Karl nach Deutschland zurück und schon wenige Tage später wurde der 814. Lastwagen auf die Reise geschickt.

Weitere Informationen: www.rumaenienhilfe-karl.de