330 Jahre Mainbernheimer Stadtapotheke
Autor: Marina Zimmermann
Mainbernheim, Sonntag, 02. Juni 2013
Seit 330 Jahren hat die Stadt Mainbernheim das Recht auf eine Apotheke in ihren Mauern. 1932 hat man sich erfolgreich gegen Pläne gewehrt, die Apotheke nach Iphofen zu verlegen.
Im 18. Jahrhundert blühte der Handel im Markgrafenstädtchen Mainbernheim. 1270 Einwohner teilten sich Feld- und Weinbau, Handel und Handwerk. Über fast eineinhalb Jahrhunderte hinweg wirkte eine erfolgreiche Gold- und Silberschmiedezunft.
Der Markgraf von Brandenburg-Ansbach hatte schon 1683 dem Städtchen, als eines der ersten in Unterfranken, das "Realrecht" für eine Apotheke verliehen. Aber erst 1710 errichtete Tobias Hempel das dafür zuständige Gebäude in der Herrnstrasse, Ecke Judengasse.
Eine solide gesundheitliche Versorgung durch Ärzte und Apotheker wird erstmals 1722 in den historischen Dokumenten erwähnt. Es war Hempels Tochter, die den Apotheker Johann Balthasar Dietz heiratete und somit für den Beginn der pharmazeutischen Tradition im Städtchen sorgte, die bis heute anhält.
Drei Generationen Stadtapotheker
Die Familie Dietz
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Apotheke an Franz und Magdalena Solleder verpachtet. Im November 1909 waren die Apothekerseheleute gezwungen, das Städtchen zu verlassen und in München ihr neues Glück zu versuchen. Das verschuldete Anwesen wurde zur Versteigerung festgesetzt.
"Die hiesige Apotheke ist somit auf unbestimmte Zeit geschlossen", verkündete der damalige Bürgermeister in einem Schreiben an das Königliche Bezirksamt Kitzingen. Carl, der Sohn von Lorenz Strauß, hatte in der Zwischenzeit Pharmazie und Chemie studiert. Er übernahm die Apotheke noch im gleichen Jahr und begann sogleich, mit Salben zu experimentieren. Sein Erfolg zog ihn 1931 nach Nürnberg. Dort begann Strauß eine industrielle Produktion seiner Salben.
Verlegung nach Iphofen drohte
Die unruhigen Zeiten brachten Chaos über das Land und auch über das Städtchen. Erst im Januar 1932 gab es einen Stadtrat, der sich ernsthaft mit der Wiedereröffnung einer Apotheke befasste. Das damalige Staatsministerium des Innern hatte die Stadtapotheke kurzerhand nach Iphofen verlegen wollen. Dagegen wehrten sich die Verantwortlichen vehement. Es wäre "ein Akt der Ungerechtigkeit", kann man in ihrem Beschluss lesen, "die Mainbernheimer Stadtapotheke einfach aufzuheben, um einem benachbarten Winzerstädtchen (das mit Mainbernheim in geschäftlicher Hinsicht gar nicht verglichen werden kann) Entgegenkommen zu zeigen." Sie drohten, Schadenersatzansprüche von mindestens 40.000 Reichsmark zu stellen.
"Gute Beziehungen"
Noch im Laufe desselben Jahres wurde die Stadtapotheke von dem 40-jährigen Apotheker Richard Löwenfelder aus Nürnberg erworben. Fast zwei Jahre später, im Dezember 1933, fragte der Stadtrat seine Kollegen in Iphofen, ob es möglich wäre, "in Anbetracht der guten Beziehungen" weiterhin die Stadtapotheke mit Medikamenten aus dem dortigen Krankenhaus zu beliefern. Das lehnten die Iphöfer jedoch höflichst ab, da sie sich um eine eigene Apothekenlizenz bemühten.
Drei Monate später beurteilte das Staatsministerium des Innern die "Notlage der bayerischen Landapotheken" und beschloss, "dass die Arzneimittel bei den ortsansässigen Apotheken erworben werden und dass unnötige Abwanderungen des Kundenkreises verhindert werden" sollen. Das kam dem neu angesiedelten Apotheker Richard Löwenfelder gerade recht. Viele Salben und Pulver wurden von ihm weiterhin traditionell selbst hergestellt. Dennoch nahm er Kontakt mit dem Großhandel in Würzburg auf. Die Fertigprodukte wurden ihm einmal wöchentlich mit der Bahn zugestellt.
Die Tochter half früh mit
1945 bekam Löwenfelder von seiner 17-jährigen Tochter Ilse eine wertvolle Unterstützung in der Apotheke. "Damals wurde noch alles zu Fuß erledigt", erzählt sie heute. "Das Abholen am Bahnhof mit einem Handwagen. Die Zustellung der Arznei in die Privathäuser, alles zu Fuß." Dabei lernte sie den Pharmaziestudenten Manfred Gürk kennen.
Dank guter familiärer Beziehungen hatte der junge Student aus Essen ein Dachzimmer in einer Mainbernheimer Bäckerei gefunden. Ohne einen Wohnnachweis konnte man damals nicht studieren. Manfred Gürk schätzte sein Glück so sehr, dass er bei Bedarf die Strecke von Mainbernheim nach Würzburg zu Fuß zurücklegte - ein Ehrgeiz, der belohnt wurde: 1951 heiratete er Ilse Löwenfelder. Nach einigen Jahren Erfahrungen in Nürnberg überließ ihm sein Schwiegervater 1964 die Stadtapotheke. Sieben Jahre zuvor hatte Löwenfelder das altbürgerliche Haus zum Anlass des 25-jährigen Betriebsjubiläums von Grund auf renovieren lassen.
Die Zeiten änderten sich. Die Rezepturen wurden immer spärlicher, es gab immer mehr fertige Produkte in der Medizin. Die Bestellungen erfolgten bald per Telefon und wurden täglich ausgeliefert. Der Apotheker Gürk konnte seiner Kundschaft schon per Moped und später sogar mit dem Auto die Arznei bringen.
1983 kam Tochter Renate hinzu. Im gleichen Jahr bekam die Stadtapotheke ein neues Gesicht. Die Eingangstüren wurden verändert. Die komplette Einrichtung wurde den modernen Zeiten angepasst. Renate Stichel-Gürk hat die Apotheke 1990 übernommen. Nach den pharmazeutischen Studien in Würzburg hat sie sich in Natur- und Komplementärmedizin spezialisiert.
50 Jahre in der Apotheke
Ihre Mutter, Ilse Gürk, ist vor wenigen Tagen 85 Jahre alt geworden. Sie kann auf stolze 50 Jahre zurückblicken, die sie in der Stadtapotheke verbracht hat. Ein Leben lang hatte sie die Kunden mit Kompetenz und Freundlichkeit betreut.
Ilse Gürk hat drei Apotheker-Generationen erlebt: ihren Vater, ihren Ehemann und ihre Tochter. Auf die Frage, mit wem sie am liebsten zusammengearbeitet hatte, lächelt sie nur verschmitzt. Preisgeben will sie die Antwort aber nicht. Auch ihre Enkelin Miriam Gürk arbeitet nun schon seit fünf Jahren in der Apotheke. Sie hat im 2. Stock des Gebäudes ein Kosmetikstudio eingerichtet und die Dienstleistungen mit Massagen und medizinischer Fußpflege erweitert.
Zur 330-Jahr-Feier der Stadtapotheke gibt es einen Malwettbewerb für Kinder. Sie sollen auf einem Bild die Fassade der Apotheke neu gestalten - eine Skizze dafür bekommen sie in der Apotheke. Abgabeschluss ist der
31. August. Alle Bilder werden nach Altersgruppen aufgeteilt und die Schönsten prämiert und ausgestellt.