Druckartikel: In Wunsiedel liegt das Reich der Steine

In Wunsiedel liegt das Reich der Steine


Autor: Matthias Litzlfelder

Wunsiedel, Freitag, 06. Sept. 2013

Die Gegend um Wunsiedel herum gilt als Bayerns steinreiche Ecke. Nicht nur Steinmetze begeistern sich für die Granite des Fichtelgebirges. Auch Touristen können hier auf Entdeckungsreise gehen - zum Beispiel im Deutschen Naturstein-Archiv.
Reinhard Kögler zeigt im Naturstein-Archiv auf einen Teil der Musterplatten aus aller Welt - dem Farbspiel sind hier keine Grenzen gesetzt. Foto: Ronald Rinklef


Rot, gelb, blau, grob, feinkörnig - kein Granitstein gleicht dem anderen. Reinhard Kögler greift in seinem Büro nach einer kleinen blaugrauen Steinplatte. "Kösseine-Granit", sagt der Diplom-Geologe andächtig. "Den gibt es nur einmal auf der Welt. Hier im Fichtelgebirge. Kösseine ist der Hausberg von Wunsiedel."
Wunsiedel - bekannt als Ort der Luisenburg-Festspiele. Das dortige Felsenlabyrinth ist charakteristisch für die Gegend, für die steinreiche Ecke Bayerns. Früh haben die hier vorkommenden Granite die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich gezogen. Der harte Stein war ideal zum Bauen und zum Bearbeiten. Und solche Steine oder Findlinge lagen ausreichend auf den Hängen oder ragten als Felspartien hervor. Erst zu Beginn des 19.

Jahrhunderts ging man dazu über, Steinbrüche anzulegen.

1913 noch mehr als 75 aktive Steinbrüche

"1913 hatten wir im Fichtelgebirge mehr als 75 aktive Steinbrüche", erzählt Kögler. In Steinbrüchen, Sägereien und Schleifereien hätten rund 3500 Menschen gearbeitet. "Heute gibt es nur noch zwei Natursteinwerke , die vom Steinbruch bis zum Produkt alles bieten."
Mit Steinen kennt sich Kögler aus. Sein Arbeitsplatz: Das Kompetenzzentrum für das Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk in Wunsiedel. Hier werden nicht nur Lehrlinge ausgebildet. Aus ganz Deutschland kommen Steinmetze, um die Prüfung zum Steintechniker abzulegen und die Meisterprüfung im Steinmetz- und Steinbildhauerhandwerk zu absolvieren.

6100 Platten aus aller Welt

Das Kompetenzzentrum kann aber noch mit einer anderen Besonderheit aufwarten. Einer Sammlung von Natursteinplatten, die weltweit einmalig ist: dem Deutschen Naturstein-Archiv. Feinsäuberlich hängen die 50 mal 24 Zentimeter großen, polierten Musterplatten nebeneinander an Schautafeln, geordnet nach Herkunftsländern. "Mittlerweile sind es ungefähr 6100", sagt Kögler, "aus verschiedenen Kontinenten." "Azul Bahia" ist unter einer der Platten zu lesen. Ein Stein aus Brasilien, in einem intensiven Blau. "So etwas ist selten, gefragt und damit teuer", berichtet Kögler, der das Archiv heute leitet. "Da kostet ein Quadratmeter rund 1000 Euro."
Die wohl größte Werksteinsammlung der Welt haben die Wunsiedler in Bildern auch im Internet veröffentlicht. Architekten sind froh, wenn sie bei Sanierungen an historischen Gebäuden auf dieses Archiv zurückgreifen können.
Der Laie kann sich nach Voranmeldung im Kompetenzzentrum ebenfalls ein Bild von der polierten Sammlung an Steinen machen, von denen einige Gesteinsmuster auch bei ihm zuhause als Hauseingänge oder Fensterbretter zu finden sein könnten. "Wir sind kein Museum im herkömmlichen Sinn, aber interessierte Besucher sind willkommen", sagt Kögler. Die Platten werden immer mehr. Auf Messen entdecke er immer wieder neue Arten, sagt der Geologe.

Noch acht Steinbrüche

Die Zeiten, als der Fichtelgebirgsgranit in alle Welt exportiert wurde, sind allerdings vorbei. Acht Steinbrüche sind übrig geblieben. Einen Vorteil haben die heimischen Steine aber: Man spart sich die hohen Transportkosten. Und die Menge für den Werkstein-Abbau ist im Fichtelgebirge immer noch ausreichend. "Wenn wir so weiter abbauen, haben wir die nächsten 10 000 Jahre noch genug", meint Kögler. Immerhin: Wer in Deutschland Granit benötigt hat wenig Auswahl. Entweder er beschafft sich Material im Fichtelgebirge - oder er fährt in den Bayerischen Wald. Im Frankenwald etwa oder in den Alpen sucht man das Gestein vergebens. Andernorts in Deutschland sind die Vorkommen nicht der Rede wert.

Drei Mineralien bilden den Granit

Helle Stellen, transparente Streifen, schwarze Flecken - Granit besteht im Wesentlichen aus drei Mineralien: "Feldspat, Quarz und Glimmer, die drei vergess' ich nimmer", sagt Kögler die Eselsbrücke auf, die nicht nur alle Steinmetze einmal gelernt haben sollten.
Dass der Granit aus dem Fichtelgebirge vor rund 150 Jahren groß raus kam, lag an dem Steinmetzmeister Erhard Ackermann aus Weißenstadt. Er war der Erste, der den Fichtelgebirgsgranit maschinell polierte. Der Lohn: ein Auftrag des bayerischen Königs. Ackermann lieferte in den Jahren 1854 bis 1858 die großen Granitsäulen für die Befreiungshalle in Kelheim. Dort sind sie noch heute zu bewundern.

Tipp: Wandern auf dem Steinbruchweg am Epprechtstein


Ausgangspunkt
Wanderparkplatz am Buchhaus (Hinteres Buchhaus) in 95158 Kirchenlamitz, am Ausgangspunkt ist in einem mehr als zwei Meter hohen Granitstein eine Übersichtsskizze eingemeißelt.

Wegstrecke Die Rund-Wanderung dauert mit Besichtigungspausen ungefähr eineinhalb Stunden. Dabei werden 3,5 Kilometer zurückgelegt und ein Höhenunterschied von 120 Metern bewältigt.

Steinbrüche
Der sanft ansteigende Weg führt vorbei an großen Abraumhalden zu insgesamt sechs Steinbrüchen.

Info-Tafeln An den einzelnen Stationen erhält der Wanderer Informationen zur Entstehung des Werksteins Granit, zu seiner Gewinnung sowie zu Transport und Verarbeitung.

Vegetation Auch die am Epprechtstein vorkommende Tier- und Pflanzenwelt wird erklärt.

Endpunkt
Gegen Ende führt der Steinbruch-Rundwanderweg auf dem Sechsämter-Radweg zum Gasthaus Zur Waldschmiede. Hier besteht Einkehrmöglichkeit (alternativ Kirchenlamitz: Gasthof Post, Marktplatz 12, Gasthof Deutsches Haus, Hofer Straße 23).

Labyrinth Den krönenden Abschluss am Steinbruchweg bildet ein 2009 angelegtes Labyrinth aus Granit - ein Ort zum Durchschnaufen. zl