Hofer Filmtage: Spannendes im Jahr nach Badewitz
Autor: Berthold Köhler
Coburg, Donnerstag, 27. Oktober 2016
Im 50. Jahr seines Bestehens müssen die Hofer Filmtage erstmals ohne Heinz Badewitz auskommen. Es gibt ihm zu Ehren ein spannendes Programm.
Nichts ist mehr wie es war. Zum ersten Mal in ihrer 50-jährigen Geschichte sind die Hofer Filmtage ohne die manchmal liebenswert-chaotische, manchmal auch nur chaotische Begrüßung von Heinz Badewitz eröffnet worden. Badewitz - Gründer, Kopf und Gesicht der Filmtage - starb im Frühjahr, ausgerechnet auf einem Filmfestival. Ein Satz war typisch Badewitz: "The show must go on." Vorhang auf für die 50. Hofer Filmtage.
Es war wohl eine Mischung aus Tragik um Badewitz und der Jubiläumszahl, die dem treu en Hofer Publikum ein überaus spannendes Filmtage-Programm beschert. Die Hauptrolle spielen dabei die deutschen Filme. Für die, besonders für die jungen und gerne auch wilden, deutschen Nachwuchsfilmemacher hat sich Hof zu Deutschlands Vorzeige-Festival entwickelt. Deshalb gehört es in Hof dazu, dass der Auftaktfilm eine Inlandsproduktion ist.
"Die Blumen von gestern" von Chris Kraus hat noch Heinz Badewitz nach Hof geholt, auch wenn Hauptdarsteller Lars Eidinger ("Alle anderen") bei der Filmpremiere offenherzig zugab, dass er den Film gerne in Cannes oder zumindest bei den Berliner Filmfestspielen gesehen hätte. Die Tatsache, dass Regisseur Kraus dennoch seinen neuen Film nach Hof mitbrachte, zeigt den Stellenwert, den das sechstägige Filmfest in der "kleinen, verhutzelten Stadt" (O-Ton Kraus) am Ende der bayerischen Welt in der Branche hat.
Französischer Shootingstar
Eines darf man Filmemacher Kraus attestieren: Er hat Mut. In Deutschland einen durchaus von Humor getragenen Film über einen dem Wahnsinn nahen Holocaust-Forscher zu drehen - das muss man sich erst einmal trau en. Und dann auch noch finanziert bekommen. Lars Eidingers Figur, Totila Blumen, ist ein verbissener Holocaust-Aufarbeiter, für den es schon moralisch verwerflich ist, dass ein anstehender Auschwitz-Kongress über Unternehmensspenden finanziert werden soll. Als ihm dann noch von seinem neuen Chef (Jan-Josef Liefers) die überdrehte französische Praktikantin Zazie an die Seite gestellt wird, scheint die Welt des nervigen Eigenbrötlers aus den Fugen zu geraten. Erst recht, als sich herausstellt, dass Totila und Zazie Berührungspunkte haben, die weit in der Geschichte zurückliegen.
Wenn auch das Thema recht spröde erscheint, so ist "Die Blumen von gestern" unterhaltsames Kino. Insbesondere deshalb, weil es Chris Kraus ("Poll") gelungen ist, eine illustre Schauspieltruppe auf die Leinwand zu bringen. Neben Eidinger und Liefers ragt Adele Haenel heraus. Der französische Shootingstar ist als Zazie das Glanzlicht des Films, neben dem die in Deutschland allzu gerne gehypte Hannah Herzsprung arg blass ausschaut.
Viele bekannte Namen
Das liegt allerdings auch daran, dass Herzsprung für ihre Rolle als Totilas Frau 20 Jahre älter und 25 Kilo schwerer gemacht wurde. Das Problem hätte man mit einer anderen Besetzung besser lösen können. "Die Blumen von gestern" hat sogar schon einen Verleih gefunden und wird Anfang des Jahres 2017 in die deutschen Kinos kommen.Neben den 20 deutschen Filmen bietet das internationale Programm ungewöhnlich viele bekannte Namen: Das Sklavendrama "The Birth of a Nation" galt als der Oscar-Favorit für 2017, ehe Regisseur Nate Parker eine dubiose Vergewaltigungs-Geschichte aus seiner Vergangenheit auf die Füße fiel und ihn aus dem Oscar-Rennen katapultierte. "Ich, Daniel Blake" von Ken Loach wurde in Cannes mit Applaus und Preisen überschüttet. Und nicht zu vergessen: die alten Weggefährten, die sich in diesen Tagen mit ihren Filmen von Heinz Badewitz verabschieden. Werner Herzog zeigt "Salt and Fire", Wim Wenders "Die schönen Tage von Aranjuez" und Dominik Graf "Am Abend aller Tage". Ein wirklich schönes Programm - wenn es nicht so einen traurigen Hintergrund hätte.