Züchtern im Kreis Haßberge schwillt der Kamm
Autor: Klaus Schmitt
Eltmann, Dienstag, 06. Dezember 2016
Die Geflügel-Haltern sind sauer wegen der Pflicht zur Stallhaltung und wegen des Verbots von Geflügelausstellungen. Die Vereine leiden.
Schöner könnte sich die Natur kaum präsentieren. Es ist frostig-kalt an diesem Samstagvormittag, die Bäume sind dick mit Reif überzogen und geben einen herrlichen Kontrast zum tiefblauen Himmel ab. Immer wieder richtet Thomas Resch in seinem Anwesen im Eltmanner Stadtteil Eschenbach den Blick zum Himmel. Ist es nicht traumhaft?
Der Blick des 50-Jährigen verfinstert sich. Seine etwa 440 Tiere können den blauen Himmel nicht sehen. Oder vielleicht nur ein bisschen zwischen den Maschen eines Zauns hindurch. Die 400 Tauben und 40 Hühner müssen im Stall bleiben, sie dürfen nicht ins Freie. Das Landratsamt Haßberge in Haßfurt hat per Verordnung verfügt, dass Geflügel einschließlich Tauben in Ställen oder ähnlichen Einrichtungen (mit Dach und Seitenschutz) gehalten werden muss, um eine Ausbreitung der Vogelgrippe zu verhindern. Die Behörden haben Angst, dass das H5N8-Virus Tierbestände befallen könnte. An einigen Orten Deutschlands ist der Erreger aufgetreten und nachgewiesen worden. Im Landkreis Haßberge und der näheren Umgebung bisher nicht.
Offizielle Anordnungen
Im Amtsblatt Nummer zehn vom 29. November 2016 ist die Verordnung der Behörde nachzulesen. Neben der Stallpflicht für das Geflügel haben die Behörden in der Verordnung außerdem Geflügelausstellungen verboten. Das sei "im Hinblick auf eine Risikominimierung im Landkreis erforderlich", erklärt das Landratsamt in der vom Leiter des Veterinäramtes am Landratsamt, Werner Hornung, gezeichneten Verordnung.Thomas Resch kann das nicht nachvollziehen, und der Hobby-Geflügelzüchter gebraucht sehr deutliche Worte, um seinem Ärger Luft zu machen. Die Stallpflicht und das Ausstellungsverbot hält der Eschenbacher für "total überzogen". Das Ganze "ist ein Käse. Die haben keinen Dunst. Die machen mit uns, was sie wollen", kritisiert er die Verantwortlichen in den staatlichen Organen und Behörden, die sich die Stallpflicht und das Ausstellungsverbot ausgedacht haben. Vor allem die Stallpflicht ärgert ihn. "Das ist nicht artgerecht." Resch fragt nach dem Sinn: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein mit dem Virus infizierter Wildvogel seinen Kot genau auf eine Geflügelhaltung wirft?
Thomas Resch ist ein leidenschaftlicher Kleintierzüchter. Bereits sein Vater und sein Großvater hatten Geflügel und Tauben, und auch Sohn Max (14 Jahre) begeistert sich für das Hobby mit den Tieren. Resch engagiert sich als Zweiter Vorsitzender im Kleintierzuchtverein Ebelsbach, der etwa 140 Mitglieder hat. Außerdem ist der Eschenbacher Kassier im Kreisverband Haßberge der Kleintierzüchter. Acht Vereine mit zusammen rund 450 Mitgliedern und Tausenden von Tieren sind dort organisiert. Vor drei Jahren hat Resch die Prüfung zum Preisrichter für Tauben-Konkurrenzen erfolgreich absolviert. Er ist ein Taubenspezialist. Rund 400 Tauben besitzt er selbst.
Wieso gerade die Tauben?
Stichwort Tauben: Dass sie in die Stallpflicht und das Ausstellungsverbot einbezogen werden, kann er überhaupt nicht verstehen. Auf Tauben wie auf Menschen könne das Virus nicht übertragen werden, sagt er. Vor kurzem war Resch, als es das Ausstellungsverbot noch nicht gab, bei einer großen Schau in Erfurt. Sechs Tauben aus seinem Schlag präsentierte er dort. Die Tiere seien daheim gereinigt worden. In Körben kamen sie nach Erfurt und in die Ausstellungshalle. In eigenen Käfigen wurden die Tauben ausgestellt, und in Körben ging es wieder heim. Die Tiere seien gar nicht mit anderen Tauben in Berührung gekommen, schildert er. Wieso das Ausstellungsverbot, gerade für die Tauben?, fragt er.Das Landratsamt begründet seine Maßnahme so: "Da Tauben häufig in Beständen mit Ziergeflügel gehalten werden und als passive Überträger des Erregers dienen können, waren sie in das verfügte Verbot mit einzubeziehen."
Gerade diese große Schau in Erfurt mit rund 32 000 präsentierten Tieren macht deutlich, wie groß der Kreis der Betroffenen ist. Die Maßnahmen der Behörden berühren nicht nur die Züchter selbst, sondern auch die Futtermittelbranche und andere Firmen, die beispielsweise Werbeprodukte für die Vereine herstellen. Sie alle haben, wie Thomas Resch weiß, nun gewaltige Einbußen.
Die Kleintierzuchtvereine leiden besonders. Ihnen fehlen laut Resch, weil sie auf die Ausstellungen verzichten müssen, die wichtigen Einnahmen. Und: Die Arbeit eines ganzes Jahres war für sie umsonst. Die Mitglieder bemühen sich während des Jahres um ihre Zucht, und das Ergebnis können sie nicht vorstellen. Kein Wunder, meint der Eschenbacher, dass immer mehr Mitglieder abspringen und ihr Hobby aufgeben - in einem Umfeld, das ohnehin von einem sich verschärfenden Nachwuchsmangel gekennzeichnet ist.
Die Behörden wissen das, halten die Stallpflicht und das Ausstellungsverbot aber dennoch für "erforderlich, da kein milderes Mittel zur Verfügung steht ... Die Anordnung ist angemessen, da die wirtschaftlichen Nachteile, welche die betroffenen Tierhalter durch das Verbot von Ausstellungen und Märkten hinnehmen müssen, im Vergleich zum gesamtwirtschaftlichen Schaden, der durch einen einzigen Geflügelpestausbruch für die Geflügel- und die Lebensmittelwirtschaft entstehen kann, nachrangig sind." Insofern überrage das öffentliche Interesse das private Interesse der betroffenen Tierhalter, meint die Behörde.
Thomas Resch meint etwas anderes. Jeder Züchter könne sich besser um seine Tiere kümmern und sei auf die Gesundheit seiner Tiere bedacht. "Wir tun für unsere Viecher alles", sagt er. Er würde sich wünschen, dass Staat und Behörden viel mehr tun müssten, um die Ursache des Virus zu finden und einen Impfstoff zu entwickeln. Und er hat einen schlimmen Verdacht: Von Stallpflicht und Ausstellungsverbot profitieren nach seiner Ansicht nur die Massentierhalter. Ihnen werde die Konkurrenz vom Leibe gehalten. Wenn bei denen das Virus auftrete, würden die Bestände gekeult - und die Unternehmen entschädigt. Die bleiben, schimpft der 50-Jährige, nicht auf ihren Kosten sitzen.