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Zeugnis verliert an Schrecken


Autor: Katja Müller

LKR Haßberge, Freitag, 13. Februar 2015

Es gibt sie, aber nur noch selten: Im Kreis Haßberge werden Zeugnisse mehr und mehr aus den Klassenzimmern verbannt. Sie werden durch Gespräche (in der Grundschule) oder Informationsschreiben (an Realschulen und Gymnasien) ersetzt. Die Eltmanner Realschüler der Klasse 10c bekamen am Freitag aber noch ein Zwischenzeugnis.
Sieht doch gut aus! Die Realschülerin Tina Zimmermann ist mit dem Zwischenzeugnis aus der Hand von Klassenleiter Günter Kerschensteiner zufrieden. Foto: Katja Müller


An einem Freitag, dem 13., seinen Eltern ein schlechtes Zwischenzeugnis zu präsentieren, ist für Kinder und Jugendliche keine leichte Aufgabe. Uli Brech, die Leiterin des Schulamtes Haßberge, will die Eltern darum ermutigen, die Zeugnisnoten nicht überzubewerten: "Es ist wichtig, die Kinder wertzuschätzen, egal wie gut sie in der Schule sind. Alle sind toll."

Die Eltern sollten "nicht erschüttert sein", wenn ihre Kinder schlechte Zensuren mit nach hause brächten. "Davon abgesehen, sollten Eltern eigentlich wissen, wo ihr Kind in der Schule steht. Das Zwischenzeugnis ist schließlich nicht die erste Information", so Uli Brech.

Zwischenzeugnisse gibt es an den bayerischen Grund-, Mittel- und Realschulen, Gymnasien sowie an den meisten beruflichen Schulen - eigentlich. An den Gymnasien und Realschulen können die Zwischenzeugnisse mittlerweile in den Jahrgangsstufen fünf bis acht einheitlich durch zwei schriftliche Informationen über das Notenbild ersetzt werden.

Notenbericht statt Zeugnis

Diese Möglichkeit nutzt seit 2007 auch die Wallburg-Realschule in Eltmann. Hier bekamen gestern nur die 228 Schüler der neunten und zehnten Klassen ein Zwischenzeugnis, um sich damit bewerben zu können. "In den anderen Klassen teilen wir Notenberichte aus, damit die Kinder auch etwas in der Hand haben", erklärt Schulleiterin Manuela Küfner.

Insgesamt drei Notenberichte erhalten die Schüler also pro Schuljahr, kleine Zettel im A5-Format, auf denen die Noten aller Schulaufgaben, Stegreifaufgaben und alle mündliche Noten aufgelistet sind. "Die Eltern sind dadurch gut informiert und den Kleinen wird der Druck genommen", findet Manuela Küfner.

Aber auch die Großen, die Schüler der Klasse 10c, erwarten die Zeugnisausgabe äußerst entspannt. Vielleicht liegt es daran, dass sie zuvor in der Pausenhalle Fasching gefeiert haben. Vielleicht beruhigt sie das Wissen, dass zwölf der 22 Mitschüler (zwei waren bei der Zeugnisausgabe krank) bereits einen Ausbildungsvertrag unterschrieben haben.

Ausbildungsplatz ist sicher

Tina Zimmermann aus Kirchaich wird am 1. September als Industriemechanikerin bei der Firma Bosch anfangen. Ihre schlechteste Note ist eine drei. Trotzdem war sie, anders als die meisten ihrer Mitschüler, "ein bisschen aufgeregt" vor der Zeugnisausgabe. "Ich muss das Zwischenzeugnis bei meinem Arbeitgeber einreichen", erklärt die 17-Jährige. Der kann sich glücklich schätzen: In Physik, Chemie und Informationstechnologie hat Tina nur Einser und Zweier. "Das passt schon", lautet ihr abschließendes Urteil.

Ihr Klassenkamerad Robin Full aus Ebelsbach dagegen war "gar nicht nervös". Der 15-Jährige möchte nach seinem Abschluss Physiotherapeut werden und sucht noch nach einem Ausbildungsplatz. Nachdem er in der neunten Klasse ein eher mäßiges Zeugnis in Händen hielt, hat er sich ordentlich ins Zeug gelegt und seinen Notendurchschnitt stark verbessert."Jetzt bin ich ganz zufrieden", sagt er.

Wenn man sich so im Klassenzimmer der 10c umsieht, dann scheint das Zwischenzeugnis seinen Schrecken verloren zu haben. Und das ist gut so, wie die Pädagoginnen Manuela Küfner und Uli Brecht finden.

Den Druck nehmen

Zudem nutzt rund die Hälfte der 15 Grundschulen im Landkreis Haßberge nach Informationen von Schulamtsleiterin Uli Brech die Möglichkeit der so genannten Lernentwicklungsgespräche. Von der ersten bis zur dritten Jahrgangsstufe ersetzt dieses Gespräch zwischen Lehrer und Schüler im Beisein eines Erziehungsberechtigten das Zwischenzeugnis. Selbst die meisten Viertklässler im Kreis Haßberge bekamen gestern keinen "Giftzettel" mit nach hause. Sie haben bereits im Januar einen Zwischenbericht über ihre Leistungen in allen Fächern erhalten. Anfang Mai bekommen sie dann ein Übertrittszeugnis ausgehändigt.


Tipps für Eltern


Eigenverantwortung Wer aus allen Wolken fällt, muss auch ein wenig Selbstkritik üben. Denn: Eltern sollten sich eigentlich unter dem Schuljahr regelmäßig über die Fortschritte und Probleme ihres Kindes informieren und im Bedarfsfall den Lehrer kontaktieren.

Nachhilfe
"Ab sofort bekommst Du Mathe-Nachhilfe!", ist nicht die Reaktion, die sich Kinder wünschen. Wichtiger ist es, nach den Gründen für die Schulprobleme zu suchen.

Reden hilft Auch wenn das Kind vermeintlich schon in den Brunnen gefallen ist: Bei einem schlechten Zeugnis lohnt es sich, das Gespräch mit dem Klassenleiter zu suchen.

Schulwechsel Das Abitur ist keine Garantie für erfolgreiche Berufskarrieren. Gerade jetzt in den Zeiten des Fachkräftemangels gibt es weitere Chancen.

Hilfe Erster Ansprechpartner ist der Klassenlehrer oder Schulleiter. Daneben gibt es Beratungslehrkräfte, Schulpsychologen (am Schulamt Haßfurt, Telefon 09521/27347) und für Unterfranken die Staatliche Schulberatungsstelle in Würzburg (Ruf 0931/7945410).