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Wozu braucht man eigentlich Schulsport?


Autor: Katja Müller

Haßfurt, Samstag, 22. Juni 2013

Klar.text fragt Lehrer, warum sich Schüler mit manchen Fächern oder Lernstoffen beschäftigen müssen. Heute erklärt René Frank, Sportlehrer am Regiomontanus-Gymnasium in Haßfurt, warum sein Fach auch fit fürs Leben außerhalb der Turnhalle macht.


Sind Sie gerade aufgestanden? Haben Sie vielleicht einen harten Arbeitstag hinter sich? Sind Sie viel zu müde, um diesen irrsinnig langen Text zu lesen? Dann, bitte, stellen Sie sich jetzt einmal gerade hin. Senken Sie den Kopf und beugen Sie sich nun langsam mit rundem Rücken Wirbel für Wirbel nach unten. Sind die Fingerspitzen (fast) am Boden? Kurz aushängen lassen und ganz gemächlich wieder nach oben aufrollen. Bitte wiederholen Sie das jetzt drei Mal. Besser? Gut, dann vielleicht noch etwas Schulterkreisen, zehn Mal mit der rechten Hand das linke Knie berühren und umgekehrt.

Und? Falls Sie jetzt ein kleines bisschen wacher sind als vorher, dann geht es Ihnen wie Schülern im Schulsport: Sport macht - unter anderem und erstmal - munter.

Doch Bewegung macht nicht nur wacher. Die Deutsche Sporthochschule Köln hat nachgewiesen, dass Sport auch messbar schlau macht.

Wer sich bewegt, verbessert nämlich nicht nur die Durchblutung in den Muskeln, auch das Gehirn kommt tüchtig auf Trab. Koordinationsübungen stärken die Verknüpfung der Gehirnhälften, Synapsen bauen sich auf. Also: Lateinvokabeln lernen - nach Klimmzügen ein Klacks! Integrale berechnen - nach einem kleinen Lauf ein Kinderspiel!

Fremdsprachen machen klüger

Zugegeben, wir haben etwas übertrieben. Aber Tatsache ist: Schüler, die sich regelmäßig bewegen, haben einen um 0,5 Punkte besseren Notendurchschnitt als Sportmuffel.

René Frank kennt solche Studien. Aber er findet sie übertrieben. Der Sportlehrer am Regiomontanus-Gymnaisum in Haßfurt glaubt nicht, dass Sport schlau macht. "Natürlich fördert Sport die Durchblutung, und danach kann man sich besser konzentrieren. Aber schlau? Ich denke, das Lernen einer Fremdsprache macht da schon klüger." Im Haßfurter Gymnasium haben die Schüler bis zur siebten Klasse drei Wochenstunden Sport und ab der achten Klasse nur noch zwei. "Klar wünscht man sich mehr Stunden. Aber das tun die anderen Fachlehrer auch", sagt René Frank. In der kurzen Zeit könne man bei den Schülern zwar technische Fortschritte erzielen. Körperliche Fortschritte in Ausdauer und Schnelligkeit seien dagegen schwierig. "Darum muss man sie dazu bewegen, dass sie sich freiwillig in der Freizeit bewegen. Ich finde, Sport, lesen und Musik sind die einzigen sinnvollen Hobbys."

Seit Anfang der neunziger Jahre wurden die Stunden im Schulsport zusammengestrichen. Dabei belegen diverse Studien, dass in den vergangenen 25 Jahren die Beweglichkeit der Kinder, ihre Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer, um zehn bis 15 Prozent abgenommen hat. Eine Untersuchung des Robert-Koch-Instituts zeigt, dass etwa die am Textanfang beschriebene Rumpfbeuge fast die Hälfte aller Kinder nicht mehr schaffen.
René Frank widerspricht dem. Er unterrichte immer wieder Klassen, die sehr sportlich seien. Allerdings spiele das Beweglichkeitstraining heutzutage keine so große Rolle mehr.

René Frank setzt mehr auf Krafttraining, Ausdauer und Teamsport. "Das Wichtigste für mich ist die Sozialisation. Die Kinder sollen lernen, sich in der Gruppe zu bewegen." Dazu bilde man im Unterricht zwei faire Mannschaften, deren Leistung zwei Schiedsrichter bewerteten. "Die müssen sich dann einig werden", sagt der Sportlehrer.
Eine Wahl der Mannschaftsmitglieder durch einzelne Schüler gibt es bei dem 42-Jährigen nicht. "Das ist das Schlimmste, was es gibt, und meiner Meinung nach ein erster Ansatz zum Mobbing", sagt René Frank.

In seinem Unterricht versucht er, die Kinder zum lebenslangen Sporttreiben zu motivieren. "Durch das viele Ausprobieren kann jeder eine Sportart für sich finden", sagt René Frank. Doch es gebe eine Tendenz unter den Jugendlichen, sich weniger in der Freizeit zu bewegen. "Bei uns im ländlichen Bereich ist es nicht so schlimm, weil wir viele Vereine und eine Dorfstruktur haben. Das Bolzen nach der Schule, das ich noch aus meiner Jugend kenne, ist aber so gut wie verschwunden."


Immer mehr Übergewichtige

Eine Studie der Universitäten Bayreuth und Jena besagt, dass etwa ein Viertel eines Altersjahrgangs übergewichtig ist. Auch René Frank hat immer mehr übergewichtige Kinder in der Klasse. "Das Thema muss man ganz sanft anpacken", weiß der Pädagoge.
Die Kinder selbst spreche er nicht auf ihr Gewicht an, sondern die Eltern. Die reagierten darauf ganz unterschiedlich. "Viele argumentieren, dass ihr Spross nun mal nur Zuckerwasser trinken will", sagt René Frank. Schulsport sei vor allem dazu da, um Bewegungsreize zu setzen und Alltagskompetenzen auszubilden.
Vielleicht klappt es dann bis ins hohe Alter mit der Rumpfbeuge...