Druckartikel: Wo steht Ebern zehn Jahre nach der "Agenda 21"

Wo steht Ebern zehn Jahre nach der "Agenda 21"


Autor: Eckehard Kiesewetter

Ebern, Dienstag, 09. Oktober 2012

Am 9. Oktober 2002 hat der "Agenda 21"-Prozess in Ebern seinen Höhepunkt erlebt. Der Stadtrat verabschiedete damals ein umfangreiches Aktionsprogramm. Zehn Jahre später sind viele der darin aufgeführten Ziele noch nicht angepackt worden.
Eberns Wahrzeichen, der Eber, auf einem Verkehrskreisel. Foto: Eckehard Kiesewetter


Manche sagen, es sei zugleich der Schlusspunkt gewesen. Dabei sollte die Agenda (vom Lateinischen Agenda, "das zu Treibende" oder "zu Tuende") aufzeigen, was angepackt werden muss. So wollte man mit Schwung und Impulsen ins 21. Jahrhundert starten.

Zehn Jahre später ist die Bilanz eher verhalten, auch wenn Eberns Bürgermeister Robert Herrmann meint, dass der "umfangreiche Diskussionsprozess die Arbeit und die Herangehensweise an altbekannte und neue Problemstellungen in unserer Stadt nachhaltig beeinflusst" hat. Beispielsweise die Wohnmobilstellplätze, der altstadtnahe Parkplatz an der "Eiswiese" samt Fußwegeverbindung oder die Ausweisung einer innerstädtischen Verkehrszone wären ohne diese Diskussion nicht zustande gekommen, meint der CSU-Politiker: "Den Agenda-Prozess bewerte ich als sinnvolle Aktion, die noch lange nicht abgeschlossen ist."

Agendabüro in Haßfurt


Große Defizite macht dagegen Jürgen Hennemann aus. Als SPD-Kreisrat und Sprecher der Stadtratsfraktion seiner Partei hatte er sowohl den Agenda-Prozess auf Kreisebene in verschiedenen Arbeitskreisen wie auch in der Stadt als Leiter des Arbeitskreises "Verkehr und Siedlungspolitik" mitgetragen. Auf Kreisebene, erinnert sich Hennemann, gab es sogar ein Agenda-Büro mit einer Personalstelle, und die Arbeitsgruppen wurden angeleitet. Was aber gut begann, sei mit der Zeit im Sand verlaufen, urteilt der FTE-Betriebsratsvorsitzende: "Mit der Berichterstattung in den Kreisgremien und dem Wegfall der Stelle war der Prozess größtenteils beendet."
Umsonst, ist sich auch Hennemann sicher, war der Prozess aber nicht, denn das Bewusstsein für Umweltbelange und Soziales sei geschärft worden, und das wirke nachhaltig in Entscheidungen in den Landkreisthemen nach.

Nur "kleinere Dinge" umgesetzt


In Ebern, wo nach einer Anlaufzeit Bürgermeister Robert Herrmann die Koordination als Agenda-Beauftragter übernahm, habe sich die Arbeit als zäh erwiesen, und es sei nur gelungen, "einzelne kleinere Dinge" umzusetzen.
"Im Prinzip haben wir mit der Lokalen Agenda ein tolles Entwicklungskonzept für Ebern, doch umgesetzt wurden nur die Dinge, für die auch Anstöße von außen kamen", sagt er und nennt als Beispiele die Mittagsbetreuung für Schulkinder, die Kinderkrippen oder den attraktiveren Stellplatz für Wohnmobile. Mit der Verabschiedung der "Lokalen Agenda" sei die Luft dann endgültig raus gewesen. Hennemann: "Mir kam es so vor, wie Pflichtaufgabe erledigt; jetzt brauchen wir die Arbeitskreise nicht mehr, der Stadtrat kann wieder allein entscheiden." Hier, bedauert er, sei eine Chance vertan worden, die Stadt im Bürgerdialog, gemeinsam voranzubringen.

Eine viel positivere Bilanz zieht Kurt Langer, der den Agenda-Arbeitskreis "Energie und Umwelt" leitete. Die mehrjährige Arbeit in diesem Arbeitskreis habe die Bevölkerung über die aktuelle Energie- und Klimaproblematik informiert und sie dafür sensibilisiert. Das damalige Hauptziel - die Einsparung von Energie - habe weiterhin erste Priorität.

Viele Ziele und Projekte verwirklicht


Viele andere Ziele und Projekte dieses Arbeitskreises seien in Ebern schon verwirklicht worden. Heute seien weit mehr als die angepeilten 50 Solarstromanlagen vorhanden, die solare Beckenerwärmung im Freibad oder ein Hackschnitzel-Heizwerk seien verwirklicht und eine große Biomasse/Biogas-Anlage entstehe gerade.

Der überzeugte Naturschützer hatte sich zuvor schon am "Runden Tisch Umwelt" engagiert und die Mitarbeit an der "Lokalen Agenda 21 Ebern" als konsequente Fortsetzung dieses vorher gut laufenden Gremiums gesehen. Seine Beiträge verstand Langer als Unterstützung für den Entscheidungsträger, den Stadtrat.

"Der einzelne Stadtrat," so findet der ehemalige StOV-Angestellte, "muss sich mit vielen verschiedenen Themen befassen und kann sich aus zeitlichen Gründen oftmals nicht mit der Thematik intensiv genug befassen. Auch die Verwaltung ist oftmals überfordert, sich intensiv in ein Thema einzuarbeiten." Hier könnten nach seiner Überzeugung ehrenamtliche Arbeitsgruppen im Rahmen einer "Lokalen Agenda 21" hilfreich wertvolle Vorarbeit zum Wohle der Stadt Ebern leisten.

Langers Fazit: "Für die Stadt Ebern wäre es sicher vorteilhaft gewesen, wenn der Agenda-Prozess - durch die Beteiligung möglichst vieler Bürger und Gruppierungen - aktiv fortgesetzt worden wäre."

Für Ingo Hafenecker passierte mit dem Aktionsprogramm das, was fast immer mit solchen Papieren geschehe: "Sie werden beschlossen, für gut befunden und dann abgeheftet. Das war`s dann meist auch." Hafenecker, als Vorsitzender des Bürgervereins, hatte bei seinem Engagement im Agenda-Arbeitskreis "Natur und Landschaft" vor allem die Zukunft des Anlagenrings im Auge. In der Rückschau erkennt er "durchaus kleine Erfolge", denn man habe mitdenken und -reden dürfen.

"Dass letztlich außer einem Rückbau der Anlage nach so langer Zeit des Diskutierens noch nichts zum Erhalt oder zur Erneuerung geschehen ist, mag am fehlenden Geld liegen", meint Hafenecker, der sich wünscht, dass diesem Anliegen größere Priorität beigemessen wird: "Karl Hoch (der einstige Schöpfer des Anlagenrings; Anm. d. Red.) jedenfalls hätte keine Freude darüber, was aus seinem Lebenswerk geworden ist."

Die Eberner Agenda


Der Eberner Stadtrat hat am 9. Oktober 2002 ein 24-seitiges Aktionsprogramm beschlossen, in dem in elf Kapiteln zu verschiedenen Themenbereichen Bestandsaufnahmen, Zieldiskussionen sowie Maßnahmen- und Umsetzungsvorschläge zusammengefasst sind.

Vorangegangen war ein langwieriger, nach dem Empfinden manches Teilnehmers zermürbender Diskussionsprozess in verschiedenen Arbeitskreisen.

Die Impulse der Konferenz von Rio de Janeiro, die den Prozess 1992 einleitete, haben die Welt aufgerüttelt und bis in die bayerische Provinz gewirkt. Der Gedanke, politische Entscheidungen stärker mit bürgerschaftlichem Engagement zu verbinden, schien Berge zu versetzen. Doch vom "Geist von Rio" ist nicht viel geblieben. Dies belegte eine Nachfolgekonferenz in Brasilien in diesem Sommer, dies zeigt sich aber auch am Beispiel vor Ort. Schade um viele wertvolle Ansätze.