Druckartikel: "Wir sind alle Brüder und Schwestern"

"Wir sind alle Brüder und Schwestern"


Autor: Günther Geiling

Ebelsbach, Montag, 24. August 2015

Während des Gottesdienstes in der evangelischen Kirche in Gleisenau berichteten Flüchtlinge von ihrer Situation und ihren Familien.
Gisela Hümmer aus dem Kirchenvorstand beim Interview mit Zen Aldeen Mahmoud aus Syrien.  Foto: Günther Geiling


Mit einem vielfachen "Thank you very much" bedankten sich am Sonntag syrische und afghanische Asylbewerber in einem Gottesdienst in der evangelischen Kirche in Gleisenau. "Noch nirgends haben wir eine so gute Aufnahme erfahren wie hier von der Bevölkerung. Germany ist very good, und wir sind glücklich, hier zu sein." Überschwenglich sprach Zen Aldeen Mahmoud die vielen Kirchenbesucher im Auftrag von 22 Flüchtlingen und Asylsuchenden an. Sie fanden seit dem Wochenende im Schloss Gleisenau eine freundliche Aufnahme.
Der Gottesdienst stand unter dem Motto "Flüchtlinge und asylsuchende Menschen unter uns". Pfarrer Volkmar Gregori hieß hierzu Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien willkommen. "Thank you, that they are come into our church. God is the greatest, we are his children.

We would like to welcome them in our church", so Gregori mit einigen Worten in Englisch , die zumindest einige von den Gästen verstanden.
Kirchenvorstandsmitglied Gisela Hümmer interviewte dann mit Zen Aldeen Mahmoud einen der syrischen Flüchtlinge, um auch einige Informationen aus deren Land, ihrer Flucht und ihrer jetzigen Situation zu bekommen. "Wir sind vor Terrorgruppen geflohen, die Menschen quälen, umbringen und köpfen. In Syrien musste ich allerdings meine Frau mit fünf Kindern zurücklassen. Ich hoffe natürlich, dass die deutsche Regierung auch meine Familie hierher nachkommen lässt. Es ist wirklich extrem gefährlich, dort zu bleiben. Tagtäglich sterben dort Freunde und Verwandte." Bei diesen Worten merkte man ihm seine Erregung an und dass seine Gedanken bei seiner Familie sind. Nach seinem Kontakt mit der Familie gefragt, betonte er, dass dies nur sehr sporadisch mit dem Handy möglich sei. "Wir wohnten in der Nähe der türkischen Grenze und deswegen war anfangs eine Internetverbindung möglich. Wir haben das türkische Netz verwendet. Aber das ist jetzt nicht mehr möglich."
In seinen Worten in der Kirche lenkte er auch den Blick ins eigene Land. "Wo ich herkomme, begegneten sich auch bis zum Krieg Moslems und Christen wie Brüder. Genauso empfinde ich sie jetzt alle als meine Schwestern und Brüder und bin überglücklich, hier zu sein. Deutschland ist very good und wie Gold."
Sein Dank über die freundliche Aufnahme hier im Schloss in Gleisenau war mit seinem "thank you very much" so zahlreich und die Freude darüber unter den Kirchenbesuchern ebenso groß, dass sie ihm spontan einen langanhaltenden Beifall zollten.
Pfarrer Gregori erinnerte daran, dass schon vor ein paar Monaten bekannt wurde, dass Flüchtlinge im Schloss Gleisenau untergebracht werden sollten, aber erst in einem Notfallplan. In der letzten Woche sei es nun so weit gewesen. 14 Menschen aus Syrien und weitere acht junge Männer aus Afghanistan, alle Muslims, seien nun angekommen. Die politische Gemeinde, die katholische und evangelische Kirchengemeinde hätten dabei eng zusammengearbeitet. Mitglieder des Helferkreises hätten den Gästen im Schloss ein Willkommensfrühstück zubereitet. Dazu habe der Diakonieverein die Kosten übernommen. Am kommenden Dienstag um 19 Uhr komme der "Helferkreis" wieder zusammen, um zu überlegen, wie es weitergehen könne. Alle seien dazu eingeladen, zumal das Engagement in diesem Kreis zeitlich begrenzt sei. In sechs Wochen solle die Notunterkunft Schloss Gleisenau ja wieder leer stehen. Aber wer wisse das schon?
Durch den Umgang mit den Fremden im Gleisenauer Schloss könne man zum Ausdruck bringen, was Gott im sogenannten Heiligkeitsgesetz im 3. Buch Mose geboten habe. "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich bin der Herr, euer Gott."
In der Not zu helfen, das sei eine ganz einfache, selbstverständliche und klare Sache und zugleich auch eine sehr komplizierte Sache", meinte der Pfarrer. Dieser Gottesdienst solle auch bewusst machen, wie vielfältig und kompliziert die Fragen seien, die man bei dem Thema "Flüchtlinge und Asylanten" habe. "Warum kommen so viele Flüchtlinge nach Deutschland und in manch andere europäische Länder so wenige? Können wir es uns weiter leisten, so viele Flüchtlinge aufzunehmen? Warum sind Flüchtlinge gerade jetzt in so großer Zahl wie noch nie in unterwegs nach Europa? Woher haben sie das Geld, um ihre Schlepper zu bezahlen? Meistens sind es Männer, die ihre Heimat verlassen. Was ist mit den Frauen und Kindern, die zurückbleiben? Welche Rolle spielt unser Land und die anderen reichen Länder im Blick auf die Fluchtursachen?"
Pfarrer Gregori zeigte sich allen Menschen dankbar, die vor solchen Fragen nicht kapitulierten, sich nicht abschrecken ließen, nicht die Hände in den Schoß legten und auch nicht den Kopf in den Sand steckten. Es sei gut, dass es solche Menschen auch in großer Zahl in der politischen Gemeinde und in den Kirchengemeinden gebe.
Auch, wenn man noch nicht wisse, wie es weitergehe und was in sechs Wochen sein werde, sei eines sicher: "Wo fremde und heimatlos gewordene Menschen Gastfreundschaft erfahren, wo unterstützt und geholfen, zugehört und beraten, wo getröstet und in die Arme genommen wird, da geschieht Gutes. Da sind Menschen im Geiste Gottes tätig."
Die Würde gegenüber Menschen zeige sich auch darin, wie man miteinander umgehe. "Selbstachtung und Selbstliebe sind wie Geschwister, Sie gehören zusammen. Gottesliebe sowie Nächstenliebe und Fremdenliebe sind auch wie Geschwister. Auch sie gehören zusammen." Aus diesem Grunde, so Gregori, heiße man die Fremden willkommen. "Wir unterstützen sie, hier gut anzukommen. Wie beneiden sie nicht wegen dem bisschen, was sie an Mitteln kriegen. Wir nehmen sie als Persönlichkeit war und nicht nur als die Asylanten."
"Die ersten Eindrücke sind gut, aber das wäre zu kurz gegriffen. Ich habe selten so dankbare Augen gesehen, wie an diesem Abend bei der Begrüßung. Aus diesen Augen hat man auch die Erleichterung gesehen, dass sie in Gleisenau angekommen sind und sich von ihren Strapazen erholen können. Dabei sind ihre Gedanken ganz sicher auch bei ihren Familien", beschrieb 1. Bürgermeister Walter Ziegler seine Eindrücke.
Dabei verwies er auch auf den Notfallplan für das Schloss Gleisenau, bei dem nun übers Wochenende Eile angesagt war. Es galt nämlich erst die Räumlichkeiten zu reinigen, die Heizung für Warmwasser in Gang zu setzen oder auch die Küche wieder auf Vordermann zu bringen. Viele Helfer seien dazu nötig gewesen. Nun seien die Flüchtlinge in der Lage, sich selbst zu versorgen. Man wolle sie ja auch nicht bevormunden.
Mit dieser Aktion sei die Notaufnahme im Landkreis nun abgeschlossen. Wie es weitergehe, wisse man noch nicht. Er sei aber allen dankbar, die bereit gewesen seien mitzuhelfen, damit sich die Gäste im Schloss Gleisenau wohlfühlen könnten. Einen besonderen Dank richtete er an den Abteilungsleiter Dieter Sauer vom Landratsamt: "Er leistet derzeit Unmenschliches und ist Tag und Nacht erreichbar, um alle Probleme unbürokratisch zu lösen."
Bürgermeister Ziegler bat auch um Verständnis in der Bevölkerung und sprach abwertende Meinungen zu Handys unter den Asylbewerbern an. "Das Handy ist für sie oft die einzige Möglichkeit, um mit ihrer Familie in Kontakt zu bleiben. Schließlich machen sie sich ja auch Sorgen um ihre Familienangehörigen."
Werner Schöpplein, der mit Norbert Wippich zu den beiden Ansprechpartnern für den "Helferkreis" zählt, sprach von einem Kreis von derzeit 18 Helfern. Weitere Leute hätten sich noch gemeldet und alle Interessenten seien auch für Dienstag um 19 Uhr zu einer Besprechung eingeladen. Man wolle nämlich auch noch "Sparten" einrichten für Fahrdienste, Begleitern beim Einkauf und anderes mehr. Für ganz wichtig hielt er es, einfach Kontakte mit den Menschen zu schaffen. Die einzige Schwierigkeit sei dabei ganz selbstverständlich die Sprache. So wären Personen mit Englischkenntnissen besonders willkommen. Einige aus den Gruppen könnten sich mit Englisch verständigen und die Kommunikation dann an ihre "Landsleute" weiter geben.
In Gleisenau sei der älteste unter den 14 Männer aus Syrien 57 Jahre alt und der jüngste von ihnen 17 Jahre. Die acht afghanischen Männer sind erst seit Samstagabend im Schloss Gleisenau und sehr viel jünger, nämlich zwischen 17 und 25 Jahre alt. Sie beschrieben im Gespräch auch ihre Fluchtwege. Die Afghanen sind dabei einen Monat lang unterwegs gewesen. Ihr Weg sei von Afghanistan über Pakistan und Iran in die Türkei verlaufen. Von dort aus ging es über Bulgarien, Serbien nach Passau.
Die 14 Syrer kamen in zwei Gruppen nach Gleisenau. Ihre Flucht führte von Syrien in die Türkei und dann übers Meer nach Athen/Griechenland. Mit kleinen Schlauchbooten, die man selbst aufblasen musste, nahm man diesen nicht ungefährlichen Seeweg. Auf den Booten wären über 40 Leute gewesen, davon zum Teil auch bis zu zehn kleine Kinder. Von Athen ging es dann nach Saloniki, Mazedonien und im Fußmarsch nach Serbien, wo man das erste Mal mit einer Polizei zusammentraf. Über Belgrad und einem Fußmarsch in Ungarn kam man dann nach Passau. Dabei sei man teilweise auch in Bussen ohne Sicht nach außen befördert worden.
Nun sei man erst einmal froh, diese Strapazen hinter sich und hier eine wirklich freundliche Aufnahme gefunden zu haben. Ebelsbacher Bürger bereiteten ihnen dabei auch schon ein Willkommensfrühstück und waren auch selbst eingeladen. Von dem Essen mit Fladenbrot waren sie begeistert. Wie es nach Gleisenau weitergehe, ist natürlich für viele die besondere Frage. Natürlich würden die Flüchtlinge auch an ihre Familien daheim denken.
Die fünf syrischen Männer aus der einen Gruppe gaben dabei auch bereitwillig Auskunft über ihr bisheriges Leben und ihre Berufsausbildung. Sie haben alle studiert, einer ist Psychologe und vier sind Juristen. Dazu kommt noch ein Ingenieur aus der Landwirtschaft.