Wilhelm Baumann - ein Kriegsheld, der über seine gute Tat kein Wort verlor
Autor: Ralf Kestel
Ebern, Mittwoch, 23. April 2014
Wilhelm Baumann, praktischer Arzt aus Ebern, rettete als Soldat in der Normandie viele Menschenleben. Ein Autor aus Frankreich hat seine Geschichte und sein Leben erforscht und in einem Buch zusammengetragen.
Die "stillen Helden" kommen zu Wort. Mittendrin in der Schlacht um den Kessel von Falaise auch einer aus Ebern, Dr. Wilhelm Baumann, dessen Mut nun in einem Buch gewürdigt wird, das von der französischen Friedensorganisation "Le miroir des âmes (Spiegel der Seelen)" herausgebracht wurde.
Für den Autor, Michel Lefévre (80), ist Baumann "ein Held und Vorbild", wie Irene Jungnickl, ausgewiesener Connaisseur der französischen Sprache, festgestellt hat. Sie hat Lefévre zwischenzeitlich mehrfach getroffen und korrespondiert regelmäßig mit dem einstigen Tierarzt, der im Oktober 2011 das Grab Baumanns in Ebern besuchte, um ein Gesteck niederzulegen.
Noch immer sucht Lefévre, auch in Ebern, nach Zeitzeugen, die Dr. Baumann erlebt und gekannt haben.
Die Landung der Alliierten im Sommer 1944 in der Normandie sorgte für eine Vorentscheidung, die Monate später zur Kapitulation von Nazi-Deutschland führen sollte, dessen Rückzug im Osten durch eine neue, zweite Westfront beschleunigt wurde.
Auf ihrem Vormarsch kam es im Kessel von Falais und das Ringen um Caen zu verlustreichen Kämpfen mit fast 100.000 Toten auf beiden Seiten, 200.000 Soldaten gerieten in Kriegsgefangenschaft.
Mit einem Abt verbündet
Baumann gehörte einer Sanitätskompanie der 84. Infantriedivision an, die im Raum Argentan im Einsatz war und zunächst die Übergänge über den Fluss Dives halten sollte, um so den Vormarsch der Divisionen aus den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Kanada, Polen und Frankreich in Richtung Paris aufzuhalten.
Die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens muss Baumann angesichts der hoffnungslosen Unterlegenheit der deutschen Streitkräfte schnell bewusst geworden sein. Zusammen mit dem heimischen Abt Launay nahm der französisch sprechende Offizier Kontakt zum Kommandeur der angreifenden kanadischen Einheit auf und handelte die Bedingungen für eine Kapitulation aus, sodass die Heimat Lefévres von weiteren Zerstörungen verschont blieb.
Baumann kam in Gefangenschaft und 11.11.1947 wurde der aus Hammelburg stammende Mediziner entlassen. 1953/54 ist er zusammen mit seiner Frau nach Ebern gekommen, hat Lefévre bei seinen intensiven Recherchen über Baumanns Leben herausgefunden, die ihn auch nach Eisenach zu einer Nichte führten. Auch stellt er Baumanns Bewunderung für die traditionelle chinesische Medizin (TCM) heraus, die er bei einem Professor in Nürnberg vertiefte.
Geweckt hat Lefévres Neugier, so Irene Jungnickl, ein deutscher Strafarbeiter, der auf dem Bauernhof des Bruders eingesetzt und schnell zum Freund wurde. "In der Normandie kamen und kommen viele Besucher aus den USA, aus Kanada und England. Da steht ja fast an jedem Ecke noch ein alter Panzer herum", weiß die SPD-Stadträtin nach einem Besuch. "Und Michel Lefévre wunderte sich, warum keine Besucher aus Deutschland kommen?"
Das sollte sich ändern. Im Jahr 1977 lernte die Familie Hefter aus Nordhessen die französische Familie Lefévre aus der Normandie im Rahmen eines Schüleraustausches kennen. Es bahnte sich ein Kontakt an, der beide Familien am 4. Oktober 2011 nach Ebern führte. Sie begaben sich auf die Spuren des 1997 verstorbenen Arztes Wilhelm Baumann, der als Wehrmachtsmajor in Frankreich, wo "fürchterliche Kämpfe tobten", so Susanne Hefter, ein größeres Blutvergießen abgewendet hat, wie sie aus einem Briefwechsel mit Abt Launay herausgelesen hat.
Susanne Hefter (56) ist Journalistin und von Berufs wegen neugierig. Eine Eigenschaft, die der befreundete Michel Lefévre (78) nutzte. Der Tierarzt im Ruhestand aus der französischen Kreisstadt Argentan (rund 15.000 Einwohner) ist Vorsitzender eines Vereins, der die Erinnerung an die Schlachten in der Normandie nach der Landung der Alliierten im Sommer 1944 wach hält. "Das ist keine revanchistische Vereinigung, sondern er steht die Versöhnung im Vordergrund", weiß Susanne Hefter.
Am Grab von Wilhelm Baumann sagte Michel Lefévre: "Was er getan hat, geschah ohne Waffen, denn nur ohne Waffen kann man Frieden schließen." Dazu schüttete er Erde und eine Grasnarbe aus der Normandie über die letzte Ruhestätte und sein Bruder Jean platzierte ein Gesteck. Die Erde stammte vom Friedensdenkmal aus Argentan. "Ich hoffe, dass nun auch Wilhelm Baumann einen würdigen Platz in der Geschichte findet und seine Arbeit für den Frieden bekannter wird", flüsterte Lefévre damals andachtsvoll.
Dem Besuch der Delegation aus der Normandie in Ebern folgte eine Einladung zur Teilnahme an einem Friedensmarsch in Frankreich im September 2012, an dem Bürgermeister Robert Herrmann, die Stadtratsmitglieder Irene Jungnickl und Jürgen Hennemann sowie Kurt Sieber teilnahmen. Zum 70. Jahrestag der Schlachten um Caen und Falais findet am 10. September wieder ein Friedensmarsch statt.Die Eberner wurden erneut eingeladen.