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Wie umarmt man sich im Internet?


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Mittwoch, 11. Februar 2015

An der Eberner Realschule plauderte der 16-jährige Schülersprecher über seine Facebook-Erfahrungen.
Kommunikation mit Körperkontakt statt purer Oberflächlichkeit mit sinnbefreiten Smileys: Yannik Wich begrüßte seine Zuhörerschaft per Ghetto-Faust. Foto: Ralf Kestel


Bei der letzten Mitmachaktion blieben einige Sechstklässlerinnen auf sich allein gestellt. Keiner umarmte sie. Sie sollten ihre Facebook-Freunde leibhaftig herzen, haben aber (noch?) keine, haben diesem Medium bislang widerstanden, obwohl jede ein Handy aus der Hosentasche zog.

Kein schlechter Ansatz, findet zumindest Yannik Wich, der Schülersprecher der Dr. Ernst-Schmidt-Realschule, der am Mittwoch in einem mehr als zweistündigen Vortrag nicht nur sämtliche Rhetorik-Register zog, sondern in der Sprache der Jugend die Gefahren und die Oberflächlichkeit der vermeintlich sozialen Netzwerke im Internet entlarvte. "Dieser Vortrag hat mein Leben verändert", gab ein Achtklässler schon zu.

Und auch die Lehrer beeindruckten Wichs Einlassungen. "Es ist eine Premiere, dass ein Schüler einen Vortrag für Mitschüler und Lehrkräfte hält", staunte Realschuldirektor Hartmut Weis, der den Jugendlichen attestierte, dass "Ihr uns auf diesem Gebiet weit voraus seid, weswegen wir Euch auch nur mit angelesenem Wissen vor Gefahren warnen können".

Eigene Erlebnisse

Da war Yannik Wich aber viel näher dran an der Materie. Aufgrund eigener Erfahrungen, als er von einem Coburger Gymnasium in die siebte Klasse der Realschule wechselte und von älteren Mitschülern zunächst kräftig gemobbt wurde. "Ich war denen, die nur vor sich hin leben, ein Dorn im Auge, weil ich wusste, was ich mit 20 Jahren sein will. Das störte die gewaltig."

Disc-Jockey wollte er schon mit 13 Jahren werden, weswegen er verspottet, ihm die Beine gestellt wurden. "Auf meiner Facebook-Seite DJ underground wurde ich regelrecht runtergehatet. Das hat mich seelisch ins Taumeln gebracht, weil auf die persönliche Ebene abgezielt wurde." Doch Yannik entwickelte daraus, eine Rettung-Strategie. "Je mehr Du gemobbt wirst, desto lauter schrei es heraus. Nur dann findest Du Helfer und Unterstützer."

In seinem Fall war es die Vertrauenslehrerin, die Gespräche vermittelte, die dazu führten, dass "es ab der achten Klasse ging". Der 16-Jährige: "Jetzt lacht nicht mehr die ganze Schule über mich, ich wurde sogar zum Schülersprecher gewählt." Was zeigt: "Auch wenn Du gemobbt wirst, kannst man es zu etwas bringen."

Selbstbewusstsein entwickeln

Hilfreich dabei war die Entwicklung einer eigene Persönlichkeit unter dem Motto "Ich mach' mein Ding", um damit Schmähungen abprallen zu lassen.

Dass der Gleußener mittlerweile ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein entwickelt hat, zeigte sich im weiteren Verlauf seines multimedialen Vortrags, in dem er die Neuerungen durch das Internet zwar nicht verteufelte, aber mahnend den Finger hob: "Soll diese blau-graue Bildschirmoberfläche mein Leben bestimmen?"

Er plädierte für das persönliche Gespräch und die unmittelbare Zuneigung statt der Nutzung virtueller Medien, die ihren Mehrwert dadurch erhalten, weil "wir alles bereitwillig dort reinkippen, unsere Daten und Meinungen". Die Folge sei, dass "sie mit Werbung auf uns losballern. Die spionieren Euch aus und Eure Privatsphäre gehört nicht mehr Euch."

Letztlich führen Facebook-Freunde auch zu Stress. "Wenn Du nicht gleich antwortest, obwohl Du online bist, oder mit fünf zeitgleich chattest. Das kann zum reinen Psychoterror werden und zum Streit eskalieren." Dabei gehe es Facebook nicht um Gefühle, sondern nur ums Geld. Yannik Wich: "Man hat viele Kontakte, aber keine menschlichen Werte."