Wider die Freihandelsabkommen
Autor: Sabine Weinbeer
Rentweinsdorf, Mittwoch, 21. Sept. 2016
Bei eienr Informationsveranstaltung in Rentweinsdorf machen die Freien Wähler gegen die geplanten Abkommen mobil. Die Wirtschaftsethik bleibt außenvor.
"Wer rein ökonomisch denkt, fährt unweigerlich das Gemeinwesen, die Gesellschaft und letztlich den Globus an die Wand". Das sagte Professor Heribert Schmitz, über Jahrzehnte selbst Geschäftsführer und Vorstandsmitglied in großen deutschen und amerikanischen Unternehmen, bei einer Informationsveranstaltung zum Thema TTIP und Ceta in Rentweinsdorf. Die Überparteiliche Wählergemeinschaft (ÜWG) war Gastgeber für die "Fraktion vor Ort"-Veranstaltung der Freien Wähler im Bayerischen Landtag.
"Wir gehen mit diesen Aufklärungsversammlungen in alle Landkreise", so MdL Hans-Jürgen Fahn, Stimmkreisbetreuer für den Landkreis Haßberge. Begleitet wurde er vom Fachreferenten für Bundes- und Europaangelegenheiten der Fraktion, Karl Ilgenfritz, und Professor Schmitz.
Viele Geheimnisse
Eingangs hatte Karl Ilgenfritz die Faktenlage dargelegt, soweit sie angesichts der hohen Geheimhaltung der Beratungen und Papiere überhaupt greifbar ist. "Die Texte zu Tisa, dem Abkommen, das die Dienstleistungen betrifft, sollen sogar noch fünf Jahre nach Abschluss unter Verschluss bleiben", sagte er. Zu Ceta, dem Abkommen mit Kanada, erklärte er, dass angeblich der Text feststehe. Im EU-Parlament sei die Mehrheit dafür ungewiss, "wenn, dann wird es sehr knapp angenommen".
Zu TTIP stünden sogar beide amerikanischen Präsidentschaftskandidaten kritisch. Propagiert werde, dass das Freihandelsabkommen niedrigere Preise und Arbeitsplätze bringen könnte, doch die Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit etwa der deutschen Landwirtschaft sei groß. "TTIP und Ceta eröffnen neue Eingriffsmöglichkeiten in die kommunale Daseinsvorsorge", so Ilgenfritz. Die Lebensmittelsicherheit sei bedroht und: "Es wurde geschlampt bei den Verträgen".
Riskanter Paradigmenwechsel
Das Grundproblem bei den beiden Abkommen sei der Paradigmen-Wechsel von der Vor- zur Nachsorge und von der Positiv- zur Negativliste. Bisher wurden in solchen Abkommen immer auf einer Positiv-Liste die Geltungsbereiche des Abkommens formuliert.
Jetzt ist es umgekehrt, die Ausnahmen müssen geregelt werden. Bei der Einführung neuer Produkte müsse in Deutschland bislang das Unternehmen im Vorfeld prüfen lassen, ob das Produkt eventuell schädlich ist. In den USA darf das Produkt eingeführt werden, wenn das Unternehmen es für unschädlich hält. "Das funktioniert in den USA, weil dem Unternehmen im anderen Fall Millionen- oder gar Milliarden-Klagen und damit der Ruin droht", erklärte Schmitz. "Wenn aber dieses Nachsorge-Prinzip auf die europäische oder deutsche Rechtsprechung trifft, ist das für Konzerne das Paradies".
In der Welt der Wirtschaftskonzerne werde heute nicht mehr nach ethischen Grundsätzen gehandelt. "Die einzige Frage lautet ,what's legal?'. Deshalb zahlen Google, Amazon und Ikea fast keine Steuern. Der Billigere gewinnt den Wettbewerb, nicht der Bessere". Unter TTIP und Ceta würden die Entwicklungsländer wie auch die schwächeren Länder Europas noch mehr leiden.
Die FW-Fraktion im Landtag lehne TTIP, Ceta und auch Tisa ab, "weil wir zu viele Gefahren für den Verbraucherschutz und die Daseinsvorsorge sehen", erklärte MdL Hans-Jürgen Fahn, der auch Mitglied im Europa-Ausschuss des Landtages ist.
Breite Mhrheit dagegen
Auch wenn die Mittel einer kleinen Landtagsfraktion relativ gering seien, nütze man alle Möglichkeiten, einen Stopp der Verhandlungen zu erreichen. So habe man bayernweit ausreichend Unterschriften gesammelt, um einen Volksentscheid einzuleiten, bisher aber ohne Reaktion vom Ministerpräsidenten. Auch genügend Unterschriften für die von Seehofer erfundene Volksbefragung seien mittlerweile von den FW an die Staatskanzlei überreicht worden.
Umfragen bringen Ergebnisse von über 70 Prozent Ablehnung. Dennoch sind die einzigen, die unsere inzwischen 16 einschlägigen Anträge im Landtag konsequent mittragen, die Grünen", so Fahn. In der anschließenden, sehr regen Diskussion wurde deutlich, dass bei dem Umgang mit diesem Thema die Politik viel Glaubwürdigkeit verspiele, weil Abgeordnete im Wahlkreis oft andere Meinungen vertreten, als es dann die Fraktions-Abstimmung im Landtag oder Bundestag zeigt. Offenbar hätten die Konzerne mehr Einfluss auf die Politik als die Bürger, stellte die WG-Kreisvorsitzende Birgit Bayer fest. "Gibt es da einen Weg zurück?", fragte sie.
"Groß-Parteispenden verbieten, dann ist das auch vorbei", war die kategorische Antwort von Ilgenfritz. Wenn beispielsweise wie am Wochenende 320 000 Menschen wegen der Freihandelsabkommen auf die Straße gehen, forderten Fahn und Schmitz die Anwesenden auf, als Multiplikatoren tätig zu sein, das Thema weiterhin aufmerksam zu verfolgen und den jeweiligen Abgeordneten einen klaren Auftrag zu geben.