Druckartikel: Wer ist Täter, wer ist das Opfer?

Wer ist Täter, wer ist das Opfer?


Autor: Helmut Will

Haßfurt, Dienstag, 28. April 2015

Das Jugendgericht am Haßfurter Amtsgericht sprach einen 20-Jährigen vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung frei. Ein Tatnachweis ließ sich nicht führen, und auch der angeblich Geschädigte hat offenbar ausgeteilt.
Das Amtsgericht in Haßfurt. Foto: FT-Archiv


Mit einem Freispruch endete am Montag vor dem Haßfurter Amtsgericht das Strafverfahren wegen Körperverletzung gegen einen 20 Jahre alten Mann. Ihm war von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen worden, im Dezember 2014 vor der Disco "Rainbow" in Knetzgau einen 23-Jährigen durch Faustschläge verletzt zu haben. Die beiden Kontrahenten stammen aus dem Landkreis Haßberge.

Die Staatsanwaltschaft Bamberg hatte gegen den jüngeren Mann einen Strafbefehl erlassen. Dagegen legte er Widerspruch ein, so dass sich das Amtsgericht Haßfurt unter Vorsitz von Richter Martin Kober damit beschäftigen musste.

Der Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Alexander Wessel, sah keine Schuld bei seinem Mandanten. Dieser habe sich nur gewehrt, nachdem der im Verfahren geladene Zeuge ihn angegriffen habe. Schließlich habe das "Opfer" sogar auf seinem Mandanten gesessen und auf ihn eingeschlagen.

Alkohol im Spiel

Bei der Auseinandersetzung, die in den frühen Morgenstunden stattfand, dürfte bei den Beteiligten der Alkoholgenuss eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Das 23-jährige "Opfer" stellte die Sache so dar, dass er auf dem Heimweg war, als er aus einer Gruppe auf der gegenüber liegenden Straßenseite etwas vernommen habe. "Wir wussten nicht, meinen die uns, deshalb sind wir zu den Leuten rüber", sagte der Zeuge. Dort habe er sogleich von dem Angeklagten zwei Faustschläge ins Gesicht bekommen. "Ich denke, ich war so für 30 Sekunden bewusstlos", sagte er. Er habe das Krankenhaus aufgesucht und sei dort am linken Auge versorgt worden.

Vernommen wurden ein weiterer Zeuge und eine Zeugin, die eher dem Bekanntenkreis des Angeklagten zuzurechnen sind. Selbst durch intensive Befragungen von Richter Kober, Staatsanwalt Arno Ponnath und Verteidiger konnte nicht so richtig "Licht ins Dunkel" gebracht werden. Von der Tathandlung direkt hat keiner der Zeugen etwas Gerichtsverwertbares gesehen. Einer der Zeugen sagte, dass er im Vorfeld mit dem angeblich Geschädigten "Stress" hatte. Diesen wollte der Angeklagte schlichten, wobei es wohl zu der tätlichen Auseinandersetzung gekommen ist. Vom "Wälzen auf dem Boden" und von "gegenseitigen Schlägen" sprachen die Zeugen, ohne aber detaillierte Angaben machen zu können.

Auf die Frage von Richter Kober sagte der Verteidiger des Angeklagten, dass er einen Freispruch für seinen Mandanten erwarte. Auf eine Einstellung des Verfahrens ließ sich der Verteidiger nach Rücksprache mit seinem Mandanten nicht ein. Das Bundeszentralregister des Angeklagten war "sauber."

Jugendtypischer Streit

Franz Heinrich von der Jugendgerichtshilfe schilderte den Angeklagten als angenehmen Menschen, der in einer intakten Familie aufgewachsen sei und der mit beiden Beinen im Leben stehe. "Das Ganze halte ich für eine jugendtypische Auseinandersetzung", sagte Heinrich.

Staatsanwalt Arno Ponnath führte in seinem Plädoyer aus, dass sich die Körperverletzung infolge der unterschiedlichen Zeugenaussagen nicht hinreichend beweisen lasse. "Hier sind doch recht deutliche Widersprüche vorhanden." Auch habe er an der Aussage des geschädigten Zeugen so seine Zweifel. "In dubio pro reo" (im Zweifel für den Angeklagten) beantragte der Staatsanwalt Freispruch. Diesem Antrag schloss sich der Verteidiger des Angeklagten an.

Richter Kober sah die Sache genauso und sprach den Angeklagten frei. "Die Zeugen haben nicht wirklich weiter geholfen", sagte der Richter, weshalb zugunsten des Angeklagten zu entscheiden sei. Richter Martin Kober sprach sogar von Notwehr.