Druckartikel: Wenn Wildtiere einfach auf die Straße rennen

Wenn Wildtiere einfach auf die Straße rennen


Autor: Sarah Seewald

LKR Haßberge, Montag, 03. November 2014

Wild und Fahrzeuge kommen einander öfter in die Quere. Gerade in der Dämmerung lauert die Gefahr.
Begegnung mit Wild war die Ursache für diesen Unfall.Archivbild: Ronald Rinklef


Die Zahlen sprechen für sich: Fürs Jahr 2012 sind rund um Zeil, Ebelsbach, Haßfurt - in der Region Haßfurt - 653 Wildunfälle mit 5 Verletzten dokumentiert, 2013 gab es 603 Unfälle, bei denen vier Menschen verletzt wurden, das teilte die Polizeiinspektion Haßfurt mit. In diesem Jahr hat die Polizei im Zeitraum bis Mitte Oktober 466 Unfälle mit neun Verletzten aufgenommen. "Tendenziell hat die Anzahl der Wildunfälle in den letzten Jahren eigentlich abgenommen", bilanziert Polizeihauptkommissar Stefan Scherrer, "wir hoffen, dass wir in diesem Jahr unter den 600 bleiben". Die Entwicklung der letzten Jahre lässt Scherrer eigentlich zufrieden stimmen, nur die Zahl der Verletzten fällt in diesem Jahr ins Gewicht.

Und "es gibt natürlich unfallfreie Nächte und dann wieder solche, in denen es teilweise sieben, acht mal kracht", sagt Scherrer, "denn die Tiere haben ihre festen Plätze, wo sie rübergehen um in ihr Revier zu kommen".

Die Stellen, an denen Wild häufig über Straßen wechselt, hat die Straßenverkehrsbehörde mit dem entsprechenden Verkehrsschild (im roten Dreieck ist ein springender Rehbock zu sehen) versehen. Scherrer rät den Verkehrsteilnehmern dringend, insbesondere in diesen Bereichen auf der Hut zu sein, aufmerksam Straßenränder im Blick zu behalten und auch die Geschwindigkeit anzupassen.

Auf Wildwechsel gefasst sein sollte man gerade auf Strecken, die durch Waldgebiete führen, und an den Waldrändern. Es gilt: Runter vom Gas. Wildunfälle ereignen sich aber auch auf offener Strecke, wenn die Tiere aus hoch gewachsenen Maisfeldern oder Wiesen auf die Fahrbahn laufen. Zwei Gedanken sollte der aufmerksame Autofahrer im Kopf haben: "Ein Tier kommt nicht allein, und ein Wildtier verhält sich schon gar nicht immer so, wie man es erwartet", sagt Scherrer.

Grundsätzlich könne man sagen, dass Wildschweine "geradeaus ins Auto rennen" - Reh, Hase und Co. parallel zur Fahrbahn unterwegs sind und unerwartet die Straße kreuzen.

Tempo runter, vorsichtig fahren

Was aber tun, wenn plötzlich ein Hirsch oder Wildschwein auf der Straße steht? Marc Henrichmann, Geschäftsführer der Jägerstiftung natur+mensch: "Gehen Sie auf jeden Fall vom Gas herunter. Durch Hupen können Sie versuchen, das Wild zu verscheuchen. Blenden Sie auf keinen Fall mit Fernlicht auf, denn manche Tiere verfallen im Lichtkegel der Scheinwerfer in eine körperliche Schreckstarre." Wenn es schon zum Bremsen zu spät ist, gilt "draufhalten, festhalten, voll in die Eisen steigen", sagt Scherrer.

Besonders unberechenbar sei Wild während der Morgen- und Abenddämmerung. Mit der Winterzeit verschieben sich diese. Es wird zwar morgens früher hell, aber nachmittags auch früher dunkel. Somit fällt der abendliche Berufsverkehr mit der Hauptaktivität der Wildtiere zusammen. Viele Menschen treten den Heimweg nun bereits in der Dunkelheit an. Zu einer Zeit, in der besonders viele Hirsche, Füchse und Wildschweine auf Nahrungssuche sind. Dabei kreuzen sie häufig auch Straßen.

Vor unkontrollierten Ausweichmanövern warnt der Polizist. Es gilt: "Tempo runter, vorsichtig weiterfahren." Was, wenn es trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zur Kollision gekommen ist? Dann rät der Polizeihauptkommissar, wie bei einem "normalen" Verkehrsunfall zu verfahren: "Warnblinker ein, vorsichtig anhalten, die Unfallstelle absichern, um Verletzte kümmern."

Danach muss die örtliche Polizei oder der zuständige Jagdpächter - sofern man die Nummer parat hat - verständigt werden. Wenn es gefahrlos möglich ist, sollte das (tote) Tier von der Straße entfernt werden. "Wenn das Tier noch lebt, unbedingt Abstand halten. Die Tiere können beißen oder auskeilen", sagt Scherrer. Am besten holt man sich aus dem Verbandskasten die Gummihandschuhe.

"Alle 50 Meter steht ein Leitpfosten, den man im Normalfall relativ einfach aus der Erde ziehen kann", sagt Scherrer und weiß, wie die Polizei bei einem Kleinunfall, so nennt man eine Wildkollision offiziell, agiert.
Wenn die Unfallbeteiligten körperlich nicht in der Lage sind, oder der Schock zu tief sitzt, gilt auf die Polizei zu warten. Wenn das tote Tier aber gefährlich auf der Fahrbahn liegt, und andere nahende Fahrzeuge gefährden könnten, sollte der Tierkadaver mit Hilfe eines Leitpfosten auf die Seite geräumt werden. Ganz wichtig: Das tote Wild nicht mitnehmen, denn damit macht man sich strafbar, warnt Oberfrankens Polizeipressesprecher Achim Dowerg, "das wäre Wilderei".

Nicht immer ist ein Tier nach der Kollision mit einem Fahrzeug tot. Oft sucht der Jagdpächter nach den oft schwer verletzten Tieren. Die sogenannte Nachsuche würde dadurch erleichtert, wenn die Stelle markiert ist, an welcher der Unfall geschah. "Man kann dazu Kreide nehmen oder auch ein Trumm hinlegen", sagt Valentin Lang, Vorsitzender der Kreisgruppe Bamberg im Bayeri schen Jägerverband. Was man auf keinen Fall tun sollte, das angefahrene Tier etwa erschlagen. Die Verletzung kann nur ein Fachmann beurteilen, sagen die Jäger. Gegebenenfalls setzen Polizisten den Gnadenschuss.

Nahe Stettfeld, Ebelsbach, Königsberg, oder auch bei Wonfurt - auf sechs Hauptstrecken hat das staatliche Bauamt übergroße Warnschilder aufgestellt, "die Viereckigen", sagt Scherrer. Jedes Jahr im Februar werten die Polizeidienststellen den Verkehrslagebericht aus - auch in Hinblick auf die Entwicklung der Wildunfälle. Dann wird entschieden, an welchen Gefahrenstrecken die Warnschilder aufgestellt werden.

In der Region Bamberg sind auch die Jäger präventiv tätig geworden: Im vergangenen Jahr etwa wurden in der Region Bamberg für 16 000 Euro blaue Reflektoren angeschafft (das Stück kostet so um die fünf Euro). Sie werden in den Bereichen an Leitpfosten angebracht, wo sich Wildunfälle häuften. Forschungen haben ergeben, dass Blau für Wild die Warnfarbe ist, so wie für Menschen rot.

Hohe Schadenssummen

Im Landkreis Haßberge komme es am häufigsten zu einem Reh-Unfall (zwei Drittel), 15 bis 20 Prozent treffen auf einen Wildhasen, seltener komme es zu Unfällen mit Fuchs, Vögeln, Wildschweinen.... Wildunfälle beschäftigen nicht nur Jäger und Polizisten. Gerade Versicherungen sind im Anschluss gefordert. Die Nachfrage beim größten Versicherer in Bayern, der Versicherungskammer Bayern, zeigt erstaunliche Summen: 2012 wurden in Bayern und der Pfalz 7051 Wildunfälle bearbeitet, Schadenssumme: 14,7 Millionen Euro. 2013 waren es 6271 Fälle und 13 Millionen Euro. Damit es Geld von der Versicherung gibt: Unbedingt Wildunfallbescheinigung ausstellen lassen, "und am besten selbst Bilder vom Unfall machen", rät Scherrer.