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Druckartikel: Wenn die Welt plötzlich winzig ist

Wenn die Welt plötzlich winzig ist


Autor: Johanna Eckert

Ebern, Freitag, 24. Januar 2014

Bilder und Skulpturen in der Raiffeisen-Volksbank Ebern weisen auf die Situation von Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen und deren Bedürfnisse hin.
Für Günter war die Welt vorher groß, er war Manager. Heute besteht sie aus einem Gymnastikball. Er weiß nun, wie klein die Welt werden wird. Aber er lebt sein Leben nun einfach anders.  Foto: Johanna Eckert


Die Raiffeisen-Volksbank Ebern gibt bis Freitag, 14. Februar, Einblick in das Leben von Menschen mit Hirnschädigungen. Kunstobjekte entstanden beim "Regionalen Netzwerk für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen", die das Dominikus-Ringeisen-Werk in Maria Bildhausen ins Leben rief.

Drei Fotocollagen und vier Skulpturen zeigen in den Räumen des Kreditinstituts in Ebern jeweils zwei Leben. So wie es war, und so wie es ist.

Jana ist noch am Kämpfen. Im Jahr 2012 hatte sie eine Gehirnblutung erlitten. Sie ist 33 Jahre alt und leidenschaftliche Grundschullehrerin. Noch ist die Stimmung sehr trüb in ihrem Leben. "Sie ist eine sehr ausdrucksstarke, willige und fröhliche Frau. Das macht Hoffnung, dass sie es schaffen wird", sagt Projektbetreuerin Carola Bötsch zur Collage von Jana.

Der Neustart ins Leben sei schwer und mühsam, oft verlange es mehr Kraft, als man aufbringen kann.

Fest steht aber: "Ein Schlaganfall ist eine harte Sache, aber die Sonne in meinem Herzen lasse ich nicht untergehen."

Tournee durch die Region

Zusammen mit den Angehörigen wurde in diesem Kunstprojekt gebastelt, gesägt, gehämmert und gemalt. "Die angefertigten Darstellungen des Lebens gehen jetzt auf Wanderausstellung durch die sechs Landkreise der Projektregion.

Über Bad Neustadt, Mellrichstadt und Schweinfurt sind wir heute nach Ebern gekommen", freut sich Michael Nowotny, der stellvertretende Gesamtleiter des Dominikus-Ringeisen-Werkes in Maria Bildhausen.
Die Raiffeisen-Bank Ebern hat schon öfter Künstlern und Projekten Raum gegeben, sich in den Geschäftsräumen darzustellen. "Ich freue mich sehr, wenn die Menschen kommen und Fragen stellen, denn nur so wird der ganzen Sache Rechnung getragen", macht Christian Senff, Vorstandsprecher der Raiffeisen-Volksbank, deutlich.

Eigenes Ausdrucksmittel

"Mit dieser Aktion wollen die betroffenen Menschen auf sich aufmerksam machen. Denn den meisten gelingt es durch Sprache oder Körperbewegungen nicht mehr, sich auszudrücken", so Sabine Rhein-Wolf, die das dreijährige Projekt, das sich aus Anfertigungsphase und einer Wanderausstellung zusammensetzt, von Anfang an begleitet.

Nach Vollendung einer Reha-Maßnahme stehen den betroffenen Menschen hier im nordbayerischen und südthüringischen Raum kaum weiterführende Maßnahmen zur Verfügung. Die Angehörigen müssen die Versorgung der halbseitig gelähmten oder auch sprachlos gewordenen Menschen übernehmen.

Falls dies nicht möglich ist, kommen die oft noch jungen Patienten in ein Altenpflegeheim. Auch das kognitive Niveau der Betroffenen macht eine Unterbringung in einer Einrichtung für Behinderte schwierig.

"Diese Lücke zu erfassen und Angebote zu entwickeln, um den Menschen wieder eine Struktur in ihrem vorher doch so strukturierten Leben zu schaffen und auch die Angehörigen zu entlasten, ist auch Ziel des Projektes", so Carola Bötsch, die in ihrer Arbeit von der Aktion Mensch unterstützt wird.

Eine Tagesstätte, eine Nachtpflege sowie eine betreute Wohngemeinschaft sollen zukünftig die Versorgung der Menschen verbessern.

Raus aus der Tauscherglocke, zurück ins Leben hat es Günter geschafft. Er war früher Manager. Seine Welt war das Business und das Jetten um den Erdball. Heute ist seine Welt anders. Man sieht es ihm kaum an. Seine Welt ist heute ein Gymnastikball. Und er ist zufrieden mit seinem Leben. "Die Menschen haben ihre Situation angenommen. Sie haben sich damit abgefunden, denn sie waren bereits an der Kippe des Todes gestanden", erzählt Carola Bötsch aus der Projektarbeit, in der auch sehr viel gelacht wurde.

"Meistens sind es die Angehörigen, die ein größeres Problem damit haben, dass das Leben nicht mehr so sein wird, wie früher. Das Leben kann von heute auf morgen ganz anders sein."

Die Ausstellung kann bis zum 14. Februar 2014 zu den allgemeinen Geschäftszeiten der Raiffeisen-Volksbank Ebern besucht werden.

Jeden kann es treffen

Jährlich werden in Deutschland mehrere hunderttausend Menschen durch eine erworbene Hirnschädigung aus ihrem bisherigen Leben gerissen. Dann ist alles anders, von einer Sekunde auf die andere.
Die Ursachen hierfür sind so vielfältig, wie die Menschen selbst. Schlaganfälle, Unfälle mit schweren Schädelhirntraumen, Gehirnblutungen, Tumore oder degenerative Erkrankungen wie Chorea Huntington oder Demenzen.