Unterwegs im Landkreis Haßberge: Wenn der Fahrer mit dem Phone
Autor: Andreas Lösch
LKR Haßberge, Donnerstag, 01. Dezember 2016
Für Unfälle mit tödlichen Folgen ist laut einer Studie Alkohol nicht mehr die Hauptursache. Fahrer werden mehr durch elektronische Geräte abgelenkt.
Machen wir uns nichts vor: Wer kann von sich behaupten, dass er beim Autofahren noch nie das Handy hervorgekramt hat, zumindest, um kurz nachzusehen, wer da gerade schreibt? Wer hat noch nie während der Fahrt am Navi herumgetippt, weil plötzlich die Anzeige spinnt oder ein Ziel neu eingegeben werden muss? Wer hat noch nie im Handschuhfach nach einer CD gesucht, weil im Radio gerade nur Schrott läuft?
"Das dürfte jeder schon mal selbst erlebt haben", sagt Norbert Mohr, der Chef der Polizeiinspektion Haßfurt. Man sucht einen neuen Radiosender, man wühlt in der Tasche nach einem Gegenstand - es muss gar nicht immer das Smartphone oder Handy sein. "Es gibt eine Vielzahl an Ablenkungen", sagt er, und das erhöht natürlich das Unfallrisiko. Sekundenbruchteile der Unaufmerksamkeit reichen aus, "man merkt halt dann ein bisschen später, dass der Vordermann bremst". Kann glimpflich ausgehen, aber auch tödlich.
Wer sich in keiner der beschriebenen Situationen wiedererkennt, ist anscheinend ein sehr vorbildlicher Autofahrer oder hat keinen Führerschein. Das im Unterricht von Fahrlehrern von der ersten Stunde an gepredigte "vorausschauende Fahren" wird zunehmend erschwert, weil die Fahrer einer Vielzahl von Reizen ausgesetzt sind, die mit dem eigentlichen Verkehrsgeschehen nichts zu tun haben. Eine repräsentative Studie der Allianz-Versicherung Deutschland legt dies ebenso nahe wie die (subjektive) Erfahrung des einzelnen selbst.
In der Allianz-Studie, für die 1600 Autofahrer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt wurden, heißt es unter anderem, dass "jeder zweite Autofahrer" Handy-Verstöße begeht und sich 74 Prozent der Befragten "durch Technik" abgelenkt fühlen. In einer Pressemitteilung der Versicherung heißt es: "Bisher galt die verminderte Verkehrstüchtigkeit durch Alkohol als wichtigste Unfallursache. Heute muss die Ablenkung durch Smartphone und Navi als gefährlicher angesehen werden."
Statistischer Zusammenhang
Die Untersuchung belege erstmals den statistischen Zusammenhang mit höheren Unfallraten. "So berichten 60 Prozent der Fahrer, die in den zurückliegenden drei Jahren Unfälle hatten, dass sie ihr Mobiltelefon beim Fahren händisch genutzt hatten. Bei Fahrern ohne Unfallerlebnis waren es nur 37 Prozent", heißt es. Jeder zehnte Unfall mit Getöteten im Straßenverkehr sei auf Ablenkung zurückzuführen. 2015 starben den Angaben der Allianz zufolge "fast 3500 Verkehrsteilnehmer auf deutschen Straßen, 256 davon, weil einer der Unfallbeteiligten alkoholisiert war. Deutlich mehr Personen (etwa 350) kamen durch Ablenkungsunfälle ums Leben."Überraschend ist das Ergebnis nicht, findet Tobias Kern, Verkehrssachbearbeiter bei der Polizei Ebern. "Ablenkung ist häufig der Grund für einen Unfall." Darunter versteht man schließlich auch Gespräche mit dem Beifahrer, ein Werbeplakat am Straßenrand oder eine verirrte Wespe, die den Fahrer beeinträchtigt.
Hinzu kommt, dass mit der Zunahme an elektronischen Alltagsgeräten wie Smartphone und Tablet oder auch der in neueren Autos verbauten Computer-Technik und Bedienelemente die Konzentration der Fahrer zusätzlich auf andere Bereiche gelenkt wird. Statistisch schwer zu erfassen ist laut Kern aber, wie oder wodurch ein Unfallfahrer abgelenkt worden ist, denn häufig lasse sich das nicht genau ermitteln: Gibt ein Fahrer bei der Unfallaufnahme an, die Sonne oder ein entgegenkommendes Fahrzeug habe ihn geblendet, in Wirklichkeit hatte er aber das Handy bedient, müsste man ihm das erst einmal nachweisen.
Telefonieren oder Nachrichtenschreiben am Steuer sind zwar verboten, den eingebauten Touchscreen oder das Radio bedienen dagegen nicht. Es erscheint Kern ohnehin nicht praktikabel, das flächendeckend zu überprüfen. Bei Kontrollen würde man nur "die Spitze des Eisbergs" erwischen, wie der Haßfurter Polizeikollege Mohr dazu erklärt. Vielmehr müsse man sich als Autofahrer bewusst machen, dass man sich wegen lapidarer Dinge wie einer relativ unwichtigen Nachricht vermeidbaren Risiken im Straßenverkehr aussetzt. "Dieser Drang, jedes Summen oder Piepen des Telefons zu kontrollieren, dieser Drang scheint zuzunehmen. Nicht nur bei jungen Fahrern", sagt Mohr.