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Weitere Wege führen im Kreis Haßberge 2016 zum Arzt


Autor: Sarah Seewald

LKR Haßberge, Montag, 02. November 2015

Im Frühjahr wird Schweinfurt-Haßberge Pilotregion des neuen Bereitschaftsdienst-Modells der Kassenärztlichen Vereinigung in Bayern. Vor allem Menschen aus dem Raum Ebern fühlen sich damit schlecht behandelt - im wörtlichen Sinne.
Die zentrale Bereitschaftsdienst-Praxis soll an die 30 Kilometer beziehungsweise 30 Minuten Fahrtzeit entfernt sein.Grafik: Carolin Höfler


Wenn sein Wartezimmer leer ist, schaltet Peter Jung zur Zeit noch nicht in den Feierabend-Modus. Dann hält der Gynäkologe zum Beispiel Vorträge, wie kürzlich vor der Frauenunion in Ebern. Sein Anliegen: Die Bürger im Kreis Haßberge davon überzeugen, dass zwei zentrale Bereitschaftspraxen für den Raum Schweinfurt-Haßberge - ungefähr 3240 Quadratkilometer und über 200.000 Einwohner - keine Ideallösung sind.


Zerreißprobe für den Landkreis?

Das ist die Meinung des CSU-Kreisrats aus Zeil, der mit seiner Botschaft "durch die Lande reist", wie er selbst sagt, und vor allem aus dem Bereich Ebern Zuspruch erfährt. Auf dem FT-Internetportal meldete sich zum Beispiel "Epino - Eberner Patienten in Not". Das Grüppchen, wie sie sich selbst betiteln, ist nicht alleine. So schreibt "Sententia" auf ebern.infranken.de: "Nach dem unrühmlichen Gezerre um die Wiedereinführung der Altkennzeichen EBN (Ebern) und HOH (Hofheim) steht der Landkreis Haßberge wieder vor großen Spannungen. Mit Haßfurt wurde ausgerechnet der dezentralste Ort im Landkreis als Standort für die Bereitschaftspraxis ausgewählt, den man sich vorstellen kann."

Das sieht Landrat Wilhelm Schneider (CSU) anders: Da zwei Standorte im Landkreis nicht infrage kommen würden - schon allein der Vorschlag wäre laut Schneider "kontraproduktiv gewesen"- "ist der Standort Haßfurt aus Sicht der Kreisbevölkerung der zentrale Standort". So die offizielle Stellungnahme aus dem Landratsamt.
Bisher wird der Bereitschaftsdienst von den niedergelassenen Ärzten im Bereich Haßfurt sowie Ebern/Hofheim selbst organisiert. Das soll sich im Frühjahr nächsten Jahres ändern, wenn es nach der Kassenärztlichen Vereinigung (KVB) geht. Noch bis Februar liegen Peter Jung die Dienstpläne der Bereitschaftsdienste aus seinem Bereich vor.

Dann übernimmt die KVB, spätestens ab April 2016 dann offiziell: Die KVB testet in der Region Schweinfurt-Haßberge ein Modell, mit dem sie den Bereitschaftsdienst einerseits auf den Bevölkerungsrückgang vorbereiten, andererseits die niedergelassenen Ärzte entlasten möchte, so die Erklärung der KVB. Ein Beispiel: Jung und seine Kollegen haben im südlichen Landkreis Haßberge bisher im Schnitt einmal monatlich Bereitschaftsdienst geleistet. Mit einer zentralen BD-Praxis sollen es noch ungefähr sieben, acht Diensttage pro Jahr sein, kalkuliert die KVB.

Mit der Einrichtung von Pilotregionen werden zentrale Bereitschaftspraxen geschaffen, die für Patienten nach den gewöhnlichen Sprechzeiten in einer Entfernung von circa 30 Kilometern und circa 30 Minuten Fahrtzeit erreicht werden können. Für den Kreis Haßberge wird es eine Praxis am Standort Haßfurt bei der Haßberge Klinik werden.


Mehr Notarzteinsätze?

Jung sieht das neue Modell als einen "Großangriff auf die niedergelassenen Haus- und Fachärzte in Deutschland", einer wohnortnahen medizinischen Versorgung würde dies nicht mehr entsprechen. Abgesehen davon, dass Jung mit einem solchen zentralen Modell die freiberufliche Initiative von Ärzten gefährdet sieht, sagt er: "Es richtet sich immer gegen die Patienten. Das ist die Sauerei."

Unterstützer des Modells, Mediziner, die das anders sehen, gibt es auch. Das sind zum Beispiel Roland Leitgeb aus Haßfurt, Diethelm Schorscher aus Pfarrweisach oder Thomas Bolibruch aus Ebern. Mit anderen Kollegen haben sie vor eineinhalb Wochen den Verein "Bereitschaftspraxis Haßberge" gegründet. Der Verein soll nach einem Zeitungsbericht als Träger der zentralen Praxis in Haßfurt fungieren und laut Jung unter anderem auch die Diensteinteilung vornehmen. Für eine aktuelle Nachfrage war der Vorsitzende gestern leider nicht zu erreichen, ein anderer Kollege, ebenfalls Vorstandsmitglied, wollte sich keinen Medienfragen stellen.

Jung befürchtet, dass nur Mitglieder des Vereins Dienst vor Ort machen können, und die Ärzte, die sich dagegen wehren, zum Fahrdienst verdonnert werden. "Wir sind keine radikale Minderheit", sagt Jung und erklärt, dass er bei "wir" von ungefähr 40 Ärzten im Kreis, die so denken wie er, spricht.

Jung kämpft gegen die Zentralisierung. Er glaubt nicht, dass mit dem neuen Modell Geld gespart werden kann: "Ich möchte wetten, die Notarzt-Einsätze nehmen zu." Nach seiner Vorrechnung kann eine Klinikambulanz ohne BD-Praxis für einen Patienten bis zu das Vierfache für eine Notfallbehandlung abrechnen.


Sorge bei Patienten und Ärzten

Auch der Leser "Hablohablo" befürchtet, dass das neue Konzept zu einer Verschlechterung der medizinischen Versorgung im Raum Ebern führt: "Damit auch künftig die Nähe zum Patienten im Vordergrund stehen kann, lohnt es sich, für eine zweite Bereitschaftspraxis am Krankenhaus in Ebern zu kämpfen." Wie dieser Nutzer fordert auch Epino die Lokalpolitik auf, eine Petition gegen das Vorhaben zu starten.

Gabriele Rögner, CSU Ortsverband Ebern, feilt noch an der Formulierung der Petition, wie sie gestern mitteilte. Diese will sie über den Stadtrat und den Kreis bis an die KVB vorbringen. Wenn es nötig sei, werde eine Unterschriftenliste - wie damals bei der Kennzeichen-Debatte - gestartet. Sie stellt klar: "Die Petition ist nicht gegen den Kreis oder den Landrat gerichtet. Vielmehr soll es ein Signal sein: Wir als Bevölkerung wollen das nicht einfach hinnehmen."