Weihnachtsfeier für Alleinstehende im Caritashaus Haßfurt
Autor: Klaus Schmitt
Haßfurt, Donnerstag, 26. Dezember 2013
Der Caritas-Kreisverband und der Diakonieverein Haßfurt haben am Nachmittag vor Heiligabend eine Feier für Alleinstehende veranstaltet. Ehrenamtliche kümmerten sich im Caritashaus um Personen, an die "sonst kaum einer denkt".
Der Raum ist eigentlich zu eng für ihn. Der Gewölbekeller im Caritashaus "Julius Echter" in Haßfurt ist klein. Nur drei Tische in normaler Größe, zwei Tischchen und eine kleine Theke haben Platz, und wer am Eingang nicht aufpasst, stößt mit dem Kopf an die niedrige Decke.
Trotz der Enge war der 62-jährige Johannes am Nachmittag des Heiligabend-Tages hierher gekommen. Er saß zusammen mit anderen Männern und Frauen an einem der drei größeren Tische und fühlte sich nicht unwohl. Er feierte Weihnachten mit Menschen, die wie er einen großen Teil ihres Lebens allein verbringen - müssen. Mehrere Stunden war er nicht allein. Dank der Initiative der Caritas und des Diakonievereins.
Durch ganz Europa
Der 62-Jährige ist die Weite gewohnt.
Johannes stammt aus Holland. Aufgewachsen ist er im Berchtesgadener Land. Nach außergewöhnlichen Ereignissen in der Familie ging er auf die Straße.
Seit über drei Jahrzehnten ist er bereits in ganz Europa unterwegs. Er zieht von Obdachlosenunterkunft zu Obdachlosenunterkunft, wie es sie für den Landkreis Haßberge in Haßfurt gibt. Einige Tage hält er sich an einem Ort auf, dann geht es weiter. Auf diese Weise ist er durch ganz Europa gereist, zuletzt hatte er sich vor allem in Österreich und der Schweiz aufgehalten.
Im Landkreis Haßberge und damit in Haßfurt war er schon mehrere Male. Sein letzter Aufenthalt dürfte allerdings einige Jahre zurückliegen.
Leben stand auf der Kippe
Johannes hat Familie. Die lebt in Österreich. Aber dort will er nicht bleiben. Das hat weniger mit den Personen zu tun, als vielmehr mit der Situation. "Wenn ich nichts zu tun habe, dann muss ich weg", erzählt der 62-Jährige unserer Zeitung. "Für mich ist das Freiheit. Ich muss an die frische Luft", sagt Johannes, der sich als einen Bewegungstypen bezeichnet.
Vor zwei Jahren hatte er einen schweren Herzinfarkt. Sein Leben stand auf der Kippe. Er hat sich wieder erholt und bekam sogar eine Wohnung, in der er ein leichteres Leben hätte führen können als auf der Straße. Eine Zeitlang ging das gut. Aber nicht lange. Die Wohnung "habe ich selber aufgegeben", schildert er.
Johannes ist wieder auf die Straße gegangen. Seitdem muss er zwar ein bisschen kürzer treten, aber ein anderes Leben als das, das er seit vielen Jahren führt, kommt für ihn nicht in Frage. Er könnte sich nicht mehr an ein anderes Leben gewöhnen, sagt er.
Ein Freund, der für den Diakonieverein Haßfurt die Obdachlosenunterkunft in der Kreisstadt betreut, hat ihn zu der Weihnachtsfeier für Alleinstehende im Caritashaus gebracht. Dort sitzt er mit anderen Personen an einem Tisch im engen Gewölbekeller.
Seit dem Jahr 2009
Die Enge in dem Raum unter dem "Julius-Echter"-Haus, der Zentrale des Caritas-Kreisverbandes, ist nicht unerwünscht. Die Menschen sind hier nahe beieinander, und das erleichtere den Kontakt, sagt Thomas Jakob. Er ist der Leiter des Allgemeinen Sozialen Beratungsdienstes der Caritas und kümmerte sich am Dienstag zusammen mit seiner Kollegin Karla Schreiber sowie fünf ehrenamtlichen Helferinnen um die Besucher der Weihnachtsfeier. Seit 2009 bietet die Caritas in Zusammenarbeit mit dem Diakonieverein Haßfurt diese Form der Begegnung an. Vier Besucher hatten am ersten Treffen teilgenommen. Später stieg die Zahl der Gäste auf bis zu 30, und zuletzt hat sich die Teilnehmerzahl bei etwa 15 bis 20 Personen eingependelt.
Der 62-jährige Johannes ist, wie Thomas Jakob schildert, nicht der typische Besucher. Ein Durchreisender ist eher die Ausnahme. Die Menschen, die die Feier besuchen, kommen nach den Erkenntnissen von Thomas Jakob aus den unterschiedlichsten Motiven. Da ist zum Beispiel der Mann, der von seiner Freundin verlassen worden ist, und Weihnachten erstmals allein ist. Unter den Besuchern sind auch Klienten der Caritas, die die Dienste des Wohlfahrtsverbandes der katholischen Kirche bereits in Anspruch genommen haben. Wie auch immer: Fest steht, dass es viele Alleinstehende gibt, und deren Zahl wächst, wie Thomas Jakob bestätigt. Und für die meisten ist es nicht leicht, zu einer Feier für Alleinstehende zu gehen. Wer outet sich schon gerne als einsamer Mensch?
Eine Hemmschwelle
Die Scheu merkte man den meisten Besuchern beim Betreten des Gewölbekellers an. Sie halten erst einmal die Luft an, nachdem sie durch die Tür getreten sind. Nach einem freundlichen Wort und einem Gruß der Helferinnen ist die erste Hemmschwelle genommen, und weitere Hürden fallen im Laufe der Gespräche.
In anderen Teilen Unterfrankens gibt es solche Feiern schon länger als im Landkreis Haßberge. Vor allem in den größeren Städten ist der Zulauf groß. Aber auch im Kreis Haßberge leben Menschen allein - und fühlen sich einsam.
"Da möchte ich mitmachen"
Die Veranstaltung am Tag des Heiligabends hat einen positiven Nebeneffekt. Zusammen mit den beiden hauptamtlichen Mitarbeitern der Caritas kümmern sich auch ehrenamtliche Helfer um die Besucher. Fünf Frauen waren es am Dienstag, die sich auf die Veröffentlichung des Caritasverbandes hin angemeldet und ihre Unterstützung zugesichert haben. Die Veranstaltung ist manchmal, wie Thomas Jakob berichtet, ein Einstieg für Ehrenamtliche. Von dem Motiv "Da möchte ich mitmachen" lässt sich die eine oder andere helfende Person leiten - und bleibt dabei.
Die 56-jährige Uschi aus einer Stadt im Maintal wirkte am Dienstag zum ersten Mal als Helferin mit. Für sie ist es wichtig, dass Menschen füreinander da sind, sagt sie zu ihrem Motiv. Sie wollte als Ehrenamtliche den Besuchern eine Freude bereiten. "Dass man anderen Menschen auch mal Zeit schenkt", hält sie für sehr wertvoll. Trotzdem verläuft das Fest für sie wie in vielen anderen Familien auch. "Ich habe einen Mann zu Hause, der wartet", erzählt sie. "Wir feiern schon noch Weihnachten."
Jedes Jahr anders
Zum ersten Mal hilft auch die 50-jährige Heidi aus einem anderen Ort im Landkreis mit. Sie hat von der Veranstaltung erfahren und spontan für sich entschieden mitzumachen, weil es "eine sinnvolle Beschäftigung ist". Sie sieht die Feier von Caritas und Diakonieverein auch als eine Alternative: "Jedes Jahr mach' ich Weihnachten anders."
Auch ganz junge Gäste gehören zu der Runde der Weihnachtsfeier. Rebekka Veitengruber (17 Jahre) und Merlin Barfuß (24) spielen mit ihren Flöten Weihnachtslieder. Ihnen macht es nichts aus, dass sie für mehrere Stunden am Tag des Heiligabends nicht im Kreise ihrer Familie oder mit Freunden zusammen sind. Sie freuten sich mit den Besuchern der Weihnachtsfeier. "Ich unterstütze das gerne", sagt die 17-jährige Rebekka Veitengruber. Und Merlin Barfuß betont, mit der Veranstaltung würden Menschen in den Mittelpunkt gerückt, an die "sonst kaum einer denkt".
Wieder auf der Straße
Die beiden jungen Musikerinnen spielten auch das berühmte Stück "Stille Nacht, heilige Nacht". Als die letzten Töne verklungen waren, bekreuzigt sich der 62-jährige Johannes. Er dürfte inzwischen, wenige Tage nach der Weihnachtsfeier im Caritashaus in Haßfurt, schon wieder unterwegs sein.
Wo gefällt es ihm eigentlich am besten? Das wollte unser Portal von ihm noch wissen. Er überlegt nicht lange. In Südbayern und Österreich hält er sich am liebsten auf. Die Berge haben es ihm angetan. Sie sind auch eine Erinnerung an frühere Jahre.