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Weigang Organisation: Mit Banderolen für Zigarren fing alles an


Autor: Ralf Kestel

Ebern, Sonntag, 09. Juni 2013

Die Weigang Organisation in Ebern besteht seit 90 Jahren. Ein Blick in die wechselhafte Geschichte und auf die Produkte, die so manches Büroleben einfacher machen. Mit Banderolen für Zigarren fing alles an.
Die Vorstände Georg Jahn (links) und Elmar Merget an einer der modernen Magnetwände mit integriertem Bildschirm und Touchscreen, wie sie für Pflegeeinrichtungen entwickelt wurden.  Foto: Ralf Kestel


Es riecht nach frischer Farbe. Das Eingangstor wird gestrichen und geschmiert. Malermeister Anton Gerstenkorn weißelt gerade die Außenfassaden. Mit hochroten Backen steht derweil eine junge Frau im Eingangsbereich. Sichtlich aufgeregt und auch unsicher meldet sie sich an der Anmeldung: "Ich soll heute meinen Ausbildungsvertrag unterschreiben", säuselt sie schüchtern. Viel los in diesen Tagen in der "WO" - unter diesem Kürzel kennt der Volksmund einen der größten Arbeitgeber im Stadtgebiet - die Weigang Organisation AG. In dieser Woche wird das 90-jährige Firmenbestehen gefeiert.

Rund 100 Mitarbeiter beschäftigt der Hersteller von Organisationssystemen für Büros am Standort Ebern. "Wir sind zu 100 Prozent ein in der Region verwurzeltes Familienunternehmen und Ebern ist unser einziger Produktionsstandort und so wird es auch bleiben", verspricht Elmar Merget, einer der beiden Vorstände, der zum Jubiläum die ereignisreiche Geschichte des Unternehmens aufgearbeitet hat.

In Dresden ausgebombt
"Eine Betriebsführung als Zeitreise", so Merget, durch ein Unternehmen, das seit 1957 in der Bahnhofstraße seinen Stammsitz hat und 1945 in Dresden ausgebombt worden war. So landete Georg Jahn, der Firmengründer und einer der ersten Unternehmensberater Deutschlands, auf der Suche nach einem Standort in der amerikanischen Zone zunächst in Schloss Eyrichshof, wo im zweiten Stock der Betrieb wieder aufgenommen wurde.

Die Geschäftsfelder haben sich gewandelt, dennoch wurde stets eine Idee verfolgt: "Vereinfachende und aussagekräftige Organisationsmittel entwickeln, weil Einfachheit und Anwendnerfreundlichkeit immer Aktualität besitzen", wie Merget in der Jubiläumsschrift darlegt.

Darin widerspricht er der vielfach propagierten "Mär vom papierlosen Büro", verweist aber gleichzeitig auch auf die Integration der EDV in die neuen Produkte. So auf moderne Prozessplanungs-Systeme oder Info-Magnettafeln, die mit modernen Touchscreen-Bildschirmen kombiniert werden.

Dabei hat alles ganz anders angefangen. Mit einem Verlagshaus in Dresden, das sich auf das Drucken von Banderolen für Zigarren spezialisiert hatte. Hier kommt der Name Weigang her. Noch heute gibt es in Dresden eine Villa Weigang, in der mittlerweile ein Standesamt der Elbestadt eingezogen ist.

Aus den Zigarrenbanderolen wurden schnell Organisationsmittel. Nach dem Neustart in Eyrichshof kamen weitere Planungswerkzeuge für Büros dazu, die Prozesse im betrieblichen Umfeld einfach abbilden und gestalten lassen. "Diese Informationen waren durch die Visualisierung stets Druckerei-affin", blickt Merget zurück und verweist auf die Philosophie seines Schwiegervaters Just Jahn, der die Firma ab 1964 führte: "Der Mensch braucht die einfache Organisation. Das Einfache ist ja das eigentlich Kluge und je einfacher jemand Komplexitäten erklären kann, desto mehr zeigt sich sein Sachverstand."

In dritter Generation
Dies gilt auch in der dritten Generation für Elmar Merget und Georg Jahn. Dazu wird auch die Zusammenarbeit mit Universitäten und dem Fraunhofer Institut praktiziert.
Dabei firmiert die Weigang Organisation unter einer Fachbezeichnung, die eher an Zeiten der Industrierevolution erinnert: Als Manufaktur.

Das erklärt Elmar Merget so: "Wir sind kein Handwerksbetrieb mehr, aber auch keine Fabrik. Da wir bei unseren Produkten großen Wert auf die Individualisierung gemäß den Wünschen unserer Kunden legen, ist noch viel Handarbeit notwendig. Wir kombinieren konservative Elemente mit Elektronik so intelligent, dass sie auch vom normalen Menschen verstanden und bedient werden können."

Größe Serien bei der Produktion, wie etwa für Edding ("Die hochwertigen Produkte dieses Anbieters kommen alle aus Ebern, womit wir 20 Prozent unseres Umsatzes erreichen."), liegen bei Stückzahlen von 1000 bis 2000.
So schaffte es die "WO" in ihrem Segment zur Marktführerschaft - bei Planungstafeln, Organisationsmappen und papiergestützten Ordnungssystem ist das Eberner Unternehmen auch Innovationsführer, wobei auch moderne, elektronische Schnittstellen einbezogen wurden.

Familiäres Klima
"Ohne Forschung und Entwicklung geht das nicht, weswegen sieben Prozent unserer Mitarbeiter stets an der Weiterentwicklung oder neuen Systemen forschen", weist Merget auf einen Erfolgsfaktor hin.
Und schiebt gleich den nächsten nach: "Bei uns herrscht noch ein familiäres Betriebsklima. Wir sprechen noch jeden Mitarbeiter direkt mit dem Namen an und jeder kann auch schnurstracks zum Chef kommen."

Der Expansionskurs erfordert Personal: "Wir bilden immer stärker aus. Zu den vorhandenen Auszubildenden kommen ab September zwei Industriekaufleute, zwei Marketing-Kaufleute, ein Lagerist und ein Fachinformatiker", listet Vorstand Merget auf und grinst, als er auf die Bewerberin mit den hochroten Wangen angesprochen wird, die sich eben beim Kollegen und Schwager Georg Jahr vorgestellt hatte. Eine neue Marketingerin. Zusammen mit dem Stammpersonal, das der Firma zum Teil seit Jahrzehnten die Treue hält, freut er sich schon auf die Verstärkungen. "Heuer hatten wir keine Probleme, geeignete Bewerber zu finden", jubiliert Merget, der in früheren Jahren schon ganz anders geurteilt hatte.

Vorteilhaft erweist sich ein Projekt, das vor einigen Jahren gestartet wurde: die Unterstützung der Schulen im Stadtgebiet, die mit interaktiven Klassenzimmern ausgestattet werden, was zu 50 Prozent von Weigang gesponsort wird. "Somit wurde unser Name in den Schulen bekannt und das Interesse der Jugendlichen an der Firma geweckt."

Eine klassische Win-in-win-Situation: "Die Schulen können mit ihrem Etat zwei statt ein Klassenzimmer ausstatten und wir wecken das Interesse potenzieller Nachwuchskräfte", hat Elmar Merget festgestellt.
Und neue Aufgaben warten. Wurde bislang vorrangig die Industrie mit den Systemen zur Büroorganisation beliefert, tut sich im Pflegebereich ein neues Geschäftsfeld auf. "Ein Markt, der in den nächsten 20 Jahren ganz sicher wächst."

Nach Mergets Einschätzung krankt es im Pflegebereich an vielen Prozessverbesserungs-Themen, weswegen in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut ein modernen System für Pflege- und Krankenzimmer entwickelt wurde und bereits vielfach im Einsatz ist.

Zwei Tage lang wird das 90-jährige Firmenbestehen begangen: Am Donnerstag mit einem Vertriebstag mit Betriebsführungen und Informationsveranstaltungen im Landgasthof "Stadl" sowie dem ehemaligen Offiziersheim sowie am Freitag mit einem (internen) Familienfest für die gesamte Belegschaft sowie Kunden und Lieferanten, wozu rund 320 Gäste in der neuen Stadthalle erwartet werden. RK