War es Untreue oder Schlamperei?
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Mittwoch, 09. März 2016
Das Amtsgericht Haßfurt unterbrach ein Strafverfahren gegen einen Vereinskassier für weitere Ermittlungen.
Hat der ehemalige Kassier eines Vereins im Maintal Vereinsgelder veruntreut und sich persönlich bereichert? Oder beruht dieser Verdacht auf Vorgängen, die Rechtsanwalt Peter Auffermann als Kuddelmuddel und Staatsanwalt Peter Bauer als chaotische Buchführung beschrieben? Nach drei Verhandlungsstunden sah sich das Haßfurter Schöffengericht am Amtsgericht nicht in der Lage, darauf eine Antwort zu geben. Strafrichterin Ilona Conver ordnete weitere Nachermittlungen an, die in einem Folgetermin behandelt werden sollen.
Was in der Anklageschrift aufgelistet und als gewerbsmäßige Untreue angeklagt ist, hört sich erst einmal dramatisch an: Im Zeitraum von August 2009 bis August 2012 soll der Angeklagte insgesamt 31 Überweisungen getätigt haben, um mit Geldern aus dem Vereinsvermögen sein eigenes Konto aufzubessern.
Neben Auffermann wirkte Martin Vollmert als zweiter Rechtsanwalt für den 58-jährigen Beschuldigten im Prozess mit. Die Verteidigung räumte zunächst die vom Staatsanwalt vorgetragenen Zahlungsvorgänge vollständig ein. Sodann betonten die Advokaten jedoch, sie hätten in "mühevoller Kleinarbeit" herausgefunden, dass es bei der Mehrzahl der Geldtransfers um die Begleichung von erbrachten Leistungen gegangen sei. Und diese Leistungen, so die Anwälte weiter, habe ihr Mandant in anderer Vereinsfunktion in vergangenen Jahren, etwa von 2003 bis 2007, erbracht.
Angenommen, diese Einlassung des ehemaligen Kassiers wäre zutreffend, stellt sich sofort eine weitere Frage: Warum hat der Betreffende seine Rechnung nicht sofort oder wenigstens zeitnah an den Verein gestellt, sondern jahrelang zugewartet, bevor er sich die aus seiner Sicht ja völlig berechtigte Forderung auszahlte? Diese Frage beantwortete der Beschuldigte mit der zeitweise sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation des Vereins. Um den Club "zu schonen", habe er erst mal darauf verzichtet, die Rechnungen zu stellen, also gestundet.
Abmachung?
Über diese Regelung, so Auffermann, habe es im Frühjahr 2007 sogar eine Abmachung mit dem ehemaligen Vorstand des Vereins gegeben. Unglücklicherweise aber ist dieser Ex-Vorsitzende 2007 gestorben. Aber noch lebende Vorstandsmitglieder aus dieser Zeit wüssten von diesem Agreement.Klar wurde bei dem Prozess, dass nicht alle Überweisungen derart aufklärbar sind. Es bleiben laut Verteidigung sieben Zahlungen mit einer Gesamthöhe von 14 842 Euro übrig, denen keine erbrachten Leistungen zugrunde liegen. Diese Gelder, so der Angeschuldigte, habe er für den Kauf eines Geräts "angespart" oder "abgezweigt". Dass dieses Gebaren - ohne Absprache oder Genehmigung des Vorstands - nicht in Ordnung war, räumte der Mann ein. Allerdings hat er schon 2013, nachdem er von einer Mitgliederversammlung abgewählt wurde, als Wiedergutmachung einen Betrag von 15 200 Euro an den Verein überwiesen.
Auf Nachfrage des Staatsanwalts gab der Angeklagte zu, dass seine Buchführung alles andere als übersichtlich und plausibel war und nicht den hehren betriebswirtschaftlichen Grundsätzen entsprochen habe. Er begründete dies damit, dass er zunehmend beruflich überlastet gewesen sei und zudem durch eine Erkrankung in seiner Familie persönlich niedergedrückt war.
Etliche Zeugen
Neben einem Kriminalhauptkommissar, der die polizeilichen Ermittlungen geleitet hatte, wurden die
Lebensgefährtin des jetzigen Vorstands sowie der amtierende Kassenwart in den Zeugenstand gerufen. Glaubt man ihren Aussagen, hat der Angeklagte die Unterlagen des Vereins nur sehr lückenhaft und mit großer zeitlicher Verzögerung an seinen Nachfolger übergeben. Darüber hinaus seien die Schriftstücke und Akten völlig verdreckt gewesen - eine Folge des Hochwassers, das eine Halle überschwemmt habe, sagte der Beschuldigte zur Erklärung.Mit dieser ziemlich verworrenen - der Staatsanwalt sprach von einer "verwinkelten" - Situation endete der erste Prozesstag. Die Vorsitzende Richterin entschied, dass weitere intensive Nachermittlungen geführt werden müssten, bevor man erneut verhandeln könne. Möglicherweise wird ein Gutachter beauftragt sowie die damaligen Kassenprüfer und der Wirtschafts- und Steuerprüfer befragt. Wann erneut terminiert wird, ist offen.