Von den Nachbarn beim Jobcenter angeschwärzt
Autor: Manfred Wagner
Haßfurt, Montag, 09. Sept. 2013
Nachbarn zeigten eine Hartz-IV-Bezieherin wegen einer angeblichen Lebensgemeinschaft beim Job-Center an. Die Polizei kam im Morgengrauen und fand zwei noch warme Betten. Trotzdem stellte das Amtsgericht das Verfahren ein.
Immer öfter überprüft das Job-Center, ob angeblich alleinstehende Hartz-IV-Bezieher nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben und dadurch unrechtmäßig Leistungen abkassieren. Im Falle einer 21 Jahre alten Mutter, die ein zweijähriges Kleinkind versorgt, kam die Polizei im Morgengrauen angerückt. Neben Kleidungsstücken, Schuhen, Zeugnissen und einer Briefmarkensammlung, die dem Lebensgefährten der Hilfebezieherin gehörten, fanden die beiden Beamten mehrere Zahnbürsten sowie zwei noch warme Bettkuhlen vor. Trotz dieser Indizien stellte Jugendrichter Martin Kober das Strafverfahren in einem Prozess am Amtsgericht in Haßfurt gegen die junge Frau gegen eine Geldauflage von 200 Euro ein.
Es ging um 1611 Euro
Ausgelöst wurden die behördlichen Aktivitäten, weil Nachbarn die junge Mutter telefonisch angeschwärzt hatten. Im Gegensatz zu der Anonymität der Großstädte kennt natürlich in den kleineren Ortschaften des Kreises Haßberge jeder jeden. Die engen persönlichen Kontakte der Dorfbewohner sind in aller Regel positiv zu werten. Aber wo viel Licht ist, gibt es bekanntlich auch Schatten, denn: Diese Form der Sozialkontrolle kann zu Denunziationen, Missgunst und Neid führen.
Im vorliegenden Fall ging es um Hartz-IV-Bezüge im Zeitraum zwischen September und November 2012. Nach den Berechnungen des Amtes wurden in diesem Vierteljahr 1611 Euro an die 21-Jährige ausbezahlt. Vor dem Jugendgericht war nun die Kardinalfrage zu klären, ob die Hilfebezieherin während dieser Zeitspanne in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit ihrem berufstätigen Freund lebte oder nicht.
Aufgebracht beharrte die Angeklagte darauf, dass damals keine Beziehung mit dem Kindesvater bestand. "Er kam zwar regelmäßig, aber nur um seine kleine Tochter zu besuchen", versicherte sie. Und wenn er mal über Nacht blieb, dann auch nur wegen der Kleinen, die laut Beschuldigter öfter "durchdrehte und wie am Spieß schrie". In der fraglichen Zeit jedenfalls, erläuterte sie weiter, habe der Freund bei seinen Großeltern gewohnt. Zudem habe sie damals einen anderen Schatz gehabt.
Zweifel bleiben
Um den Sachverhalt zu klären, wurden der ermittelnde Polizeibeamte, die Sachbearbeiterin des Job-Centers sowie drei Zeugen vernommen. Obwohl nach der Beweisaufnahme vieles dafür sprach, dass tatsächlich eine Lebensgemeinschaft bestanden hatte, konnten letzte Zweifel nicht völlig ausgeräumt werden. Und so unterbreitete der Richter der strafrechtlich unbescholtenen Angeschuldigten ein "Friedensangebot", das auch der Staatsanwalt akzeptierte.
Demnach wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. Die Schwangere muss jedoch bis zum 1. Januar 2014 an den Jugendhilfefonds Haßberge eine Geldauflage von 200 Euro bezahlen. Dann erst folgt die endgültige Einstellung des Verfahrens. Aktuell sieht es so aus, dass die 21-jährige Mutter und der Lebensgefährte sich wieder versöhnt haben und in Kürze mit der gemeinsamen Tochter sogar eine Wohnung beziehen wollen. Spätestens dann benötigt die junge Familie keine öffentliche Unterstützung mehr.