In einem Eberner Autohaus hat ein Kriegsflüchtling aus Damaskus eine Lehre begonnen. Er und sein Chef mussten viele Formulare ausfüllen.
Nächste Woche beginnt für viele junge Menschen der "Ernst des Lebens", wie der Start ins Berufsleben oftmals bezeichnet wird. Einer der 66 Berufseinsteiger in Ebern, die am 1. September in die Ausbildung starten, hat den "Ernst des Überlebens" schon kennen gelernt: Der Syrer Sawan Zyad beginnt im Autohaus Dietz eine Lehre zum Kfz-Mechatroniker. Seit Wochen absolviert er dort schon ein Praktikum und hat zusammen mit seinem Chef Heinz Dietz nach dem Bürgerkrieg in Damaskus auch den Papierkrieg deutscher Bürokratie praktiziert.
Sawan (27) erträgt es mit Geduld und Demut. "Ich möchte mich ganz herzlich bedanken. Bei Deutschland und den deutsche n Menschen, dass wir hier gut ankommen durften! Ich freue mich und bedanke mich bei meinem Chef, Herrn Dietz, dass er mir die Ausbildung zum Mechatroniker ermöglicht (und damit die Chance für einen Neuanfang gibt)", hat der Syrer in einer persönlichen
"Presse-Erklärung" aufgeschrieben. Und noch einem zollt er darin Dank: Dem einstigen Realschullehrer Herbert Koller, der ihn nach seiner Flucht und seiner Ankunft in der Asylbewerber-Unterkunft in der Max-Reger-Straße Deutsch beibrachte.
Und Koller half auch als Jobvermittler. "Ich hab' da einen im Unterricht, der ist so gut und möchte etwas arbeiten" , hatte Koller bei Heinz Dietz wegen eines Schnupperkurses angefragt. Dietz willigte spontan ein. "Am Anfang haben wir uns noch in Englisch verständigt, aber durch die tägliche Arbeit wurde sein Deutsch immer besser."
Sawan hatte in Damaskus drei Jahre Physik studiert und bemühte sich von Anfang um bessere Deutschkenntnisse.
"Wenn ich den C1-Level erreiche, könnte ich in Deutschland sogar studieren, aber die Firma braucht Mitarbeiter", fühlt sich Sawan schon als Mitglied der Dietz-Belegschaft.
"Unserer Firmen-Familie", wie der Geschäftsführer die besondere Fürsorge umschreibt, die er dem ersten Auszubildenden mit arabischen Wurzeln angedeihen lässt. "Beeindruckt hat mich beispielsweise, dass er die B1-Prüfung in Deutsch mit 32 von 33 möglichen Punkte geschafft hat und auch schon als Vormund für seinen Bruder, der noch keine 18 Jahre alt ist, anerkannt wurde."
Viele Probleme
Dabei war das am Anfang gar nicht so einfach. Nach seinem Deutsch-Unterricht in der VHS bei Herbert Koller und dem Beginn seines Praktikums in der Autowerkstatt musste Sawan zunächst zum nächsten Deutschkurs nach Bamberg.
"Und am Nachmittag wurde gearbeitet", lautete die Devise seit Februar.
Wodurch die Mühlen der Bürokratie in Gang kamen. "Als das Job-Center Kenntnis vom Beginn des Praktikums bekam, wurden dem Berufseinsteiger sofort sämtliche Leistungen gestrichen", belegt Heinz Dietz anhand des entsprechenden Schriftverkehrs, der zunächst beim Syrer landete, der zwischenzeitlich mit seinen Brüdern in einer Wohnung in Fischbach lebt. "Da hängt auch Miete dran."
Sawan sollte zunächst einen Job bei der Caritas übernehmen, um dort seine Deutschkenntnisse zu verbessern. Da nahm Dietz sich seines Schützlings noch intensiver an. "Ich vereinbarte mit ihm, dass wir gemeinsam sämtliche Behördenschreiben durchgehen und ich bzw. meine Sekretärin alles regeln."
Ein Anspruch, der auch einen deutschen Geschäftsmann vor Herausforderungen stellt.
Um die bürokratischen Hemmnisse zu umschiffen, bot der Firmen-Chef Sawan den Beginn einer Berufsausbildung zum 1. August an, weil "wir ihn als guten und gewissenhaften Mitarbeiter kennen gelernt hatten".
Doch mit der Unterschrift unter den Ausbildungsvertrag erfolgte der nächste "Behörden-Sprung": Das Jobcenter gab die Zuständigkeit für Sawan an die Bundesanstalt für Arbeit ab. Damit verbunden war auch der Wegfall der Hilfebedürftigkeit, weswegen erneut kein Geld mehr floss. "Bis ich einen Zuständigen gefunden hatte, dauerte es Tage und viele Anrufe", blickt Firmen-Chef Dietz zurück. "Sawan allein wäre damit voll gegen die Wand gelaufen und von einer Stelle zur nächsten gerannt." Zudem eingeschaltet wurde das Zentrum für Familie und Soziales in Bayreuth, das für eine Ausbildungsbeihilfe zuständig ist.
Einen dicken Order füllen schon die diversen Behördenschreiben.
Ein Papierkrieg, der selbst für Deutsche kaum zu gewinnen ist.
Mit Beginn des regulären Ausbildungsjahres muss Sawan Zyad nun auch regelmäßig in die Berufsschule nach Haßfurt und zum Blockunterricht bei der Kammer in Schweinfurt. "Die Arbeit macht mir Spaß. Ich bin sehr zufrieden", freut sich der einstige Physik-Student.
Seine erste Ausbildungsstation als Kfz-Mechatroniker ist das Freizeit-Center, wo sich Sawan in Sachen Wohnmobilverleih schon bewährt hat. "Er muss aber auch in den Karosserie-Bau und in die Werkstatt, wie die anderen Azubis auch", zeichnet Dietz den Werdegang vor, wobei er ihm auch in privaten Dingen zur Seite steht. "Er und seine Brüder träumten schon von einem Umzug nach Bamberg.
Da habe ich ihnen klar gemacht, was dies für Mehrkosten nach sich ziehen würde", sagt er und erntet damit Zustimmung bei Sawan, der in Damaskus zwar schon Auto gefahren ist, aber für Deutschland noch keine gültige Fahrerlaubnis besitzt. "Am Samstag mache ich in Eltmann meinen Erste-Hilfe-Kurs, dann geht's mit den Fahrstunden los."
Wie sehr sich der Firmen-Chef um die Familie bemüht, zeigt sich an der Tatsache, dass Heinz Dietz auch Sawans Schwager einstellen möchte. Der lebt derzeit noch in Dortmund. Um ihn nach Ebern zu bringen, müssen noch ein paar bürokratische Hürden aus dem Weg geräumt werden.