Volle Kraft voraus im Männerberuf
Autor: Katja Müller
Ebelsbach, Freitag, 23. Juni 2017
Paulina Ullrich aus Trossenfurt ist eine von zwei Lokführerinnen, die in der Dienststelle der Deutschen Bahn in Schweinfurt ihren Dienst tun.
Die Voraussetzungen für die erste Begegnung mit der Lokführerin Paulina Ullrich könnten besser sein: Ihre Regionalbahn hat auf ihrem Weg von Schweinfurt nach Bamberg 35 Minuten Verspätung.
"Personen im Gleis" lautet die Begründung, die über die digitalen Anzeigentafeln auf dem Bahnsteig Ebelsbach-Eltmann flimmert. Die wartenden Fahrgäste schimpfen. Die Reporterin schwitzt in der Sommersonne.
Da endlich: ein roter Fleck am Horizont. Der Zug kommt! Und mit ihm Lokführerin Ullrich, flankiert von ihrer Teamleiterin Nina Stühler. Mit der Reporterin ist der (glücklicherweise klimatisierte) Führerstand voll.
Keine Zeit zum Plaudern
Paulina Ullrich begrüßt den neuen Gast mit einem herzlichen Lächeln und konzentriert sich dann wieder auf die Fahrt. Deswegen ist auch ihre Vorgesetzte Nina Stühler mit an Bord. Sie sorgt dafür, dass sich Ullrich voll auf ihren Job konzentrieren kann. Die 41-jährige Stühler ist für die 96 Mitarbeiter der Dienststellen Bamberg und Schweinfurt verantwortlich. Zeit für ein Gespräch mit Paulina Ullrich ist erst im Aufenthaltsraum der DB-Mitarbeiter am Bahnhof in Bamberg. Dabei merkt man schnell, dass die 35-Jährige ihren Beruf, den sie als Mutter zweier Kinder in Teilzeit ausübt, sehr gerne mag.
"Ich habe schon in der Schule gemerkt, dass mir typische Frauenberufe nicht liegen", erzählt die Trossenfurterin. Als ein Berufsberater der Agentur für Arbeit in ihrer Schule den Beruf des Lokführers/der Lokführerin vorstellte, war sie sofort begeistert. "Das hört sich gut an", dachte sich die damals 17-Jährige - und bewarb sich bei der Deutschen Bahn.
Sie durchlief eine dreijährige, duale Ausbildung - viel (Fahr-) Praxis und Blockseminare in Würzburg - und hatte dort anfangs nur eine Kollegin. Mittlerweile sind in der Dienststelle Würzburg drei von 65 Lokführern weiblich.
In einer Männerdomäne zu arbeiten - damit hatte Paulina Ullrich bisher keine Probleme. "Gut, als junges Mädchen haben die Kollegen schon mal gewitzelt, ob ich von Hand zwei Waggons kuppeln kann. Und es war auch ein bisschen gruselig, nachts um zwei Uhr allein auf den Gleisen zu sein und den Zug zu holen", erzählt sie mit einem Augenzwinkern.
Doch mittlerweile sei ihr Beruf "so einfach wie nie" - viele anstrengende Tätigkeiten, wie das Kuppeln von Hand oder das Austauschen einer einen halben Meter großen Sicherung, sind dank des technischen Fortschritts entfallen. Das technische Know-how, notfalls von Hand eingreifen zu können, ist trotzdem Pflicht. "Sicherheit hat bei uns oberste Priorität", erklärt Ullrich und ergänzt: "Ich bin mir meiner Verantwortung absolut bewusst."
Auf dem Streckenabschnitt zwischen Ebelsbach und Bamberg, auf dem der Zug gerade zusammen unterwegs ist, sind etwa 50 Fahrgäste an Bord. Maximal 170 könnten es sein und für jeden von ihnen ist Paulina Ullrich verantwortlich.
Nie schneller als erlaubt
Genauso wichtig sind ihr Service und Menschlichkeit. Wenn sie vor der Abfahrt beim Sicherheitsblick aus dem Seitenfenster des Triebfahrzeugs Fahrgäste heranhetzen sieht, wartet sie. "Auch wenn das eine Minute Verspätung bedeutet." Mehr allerdings setzt die Lokführerin unter Druck. "Fünf Minuten Verspätung kann man noch rausholen, wenn man die Geschwindigkeit voll ausfährt. Bei mehr wird es schwierig", erklärt sie. Hier springt Teamleiterin Nina Stühler ein.
"Egal was ist: Wir dürfen die vorgeschriebene Geschwindigkeit nie überschreiten", betont die Vorgesetzte.
Die Zeit, sie sitzt den Mitarbeitern der Deutschen Bahn ständig im Nacken. "So haben wir immer Gesprächsstoff", meint Nina Stühler ironisch und lächelt.
"Oft sind es aber höhere Gewalt, Blitzeinschläge, Sturmschäden oder Zwischenfälle mit Personen, die uns am Weiterfahren hindern. Da können wir nichts machen", erklärt Ullrich. Da bleibe einem nichts anderes übrig, als Ruhe zu bewahren.
Nach einer Schicht, die schon mal zehn Stunden dauern kann, kann sich Paulina Ullrich abends mit ihrem Mann über den Eisenbahneralltag austauschen - der arbeitet nämlich als Zugbegleiter. Auch diesen Arbeitsbereich hat die 35-Jährige während ihrer Ausbildung schon kennengelernt. "Das ist aber nichts für mich", erklärt sie lächelnd.
Dienst Deutschlandweit gibt es aktuell 11 400 Lokführer und 500 Lokführerinnen.
Bayern Im Freistaat gibt es insgesamt etwa 2200 Lokführer, davon 100 Frauen.
Ausbildung Ein Lokführer-Azubi verdient, je nach Lehrjahr, zwischen 881 Euro (erstes Lehrjahr) und 1080 Euro im Monat. Dazu kommt Weihnachtsgeld in der Form eines 13. Monatsgehalts.
Lokführer Ein Lokführer verdient im Jahr, je nach Berufserfahrung, zwischen 37 000 bis 42 200 Euro. Darin sind Zulagen und Weihnachtsgeld bereits enthalten. km