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Volkstrauertag: Wie Gedenken moderner werden soll


Autor: Marian Hamacher

Haßfurt, Freitag, 13. November 2015

Der Anlass ist wichtig, doch so richtig können Schüler des Haßfurter Regiomontanus-Gymnasiums mit dem am Sonntag stattfindenden Volkstrauertag nicht etwas anfangen. Anstatt Flaggen auf Halbmast zu setzten und Kränze niederzulegen, schlagen sie mögliche Alternativen sowie einen neuen Namen vor.
Ebenso wie seine Schüler findet auch der Religionslehrer Reinhold Hau, dass der Name "Volkstrauertag" inzwischen überholt ist. Mit dem "Weltfriedens-" oder "Antikriegstag" bieten sie daher zwei mögliche Alternativen an, die Jugendlichen eher zusagen könnten. Foto: Marian Hamacher


Kaum ist die Tür geschlossen, gehen die Finger nach oben. "Eine Schülerin wollte gleich wissen, was der Volkstrauertag eigentlich ist", sagt Reinhold Hau. Kurz zuvor hatte der Religionslehrer und Oberstufenkoordinator des Regiomontanus-Gymnasiums drei angehenden Abiturienten die Möglichkeit gegeben, vor die Tür des Klassenzimmers zu gehen, um dort für den Fränkischen Tag in kleinem Kreis zu diskutieren, was der Volkstrauertag für sie bedeutet.


Denkmäler noch immer wichtig

Überrascht hat ihn die Frage nicht. Zwar gab ein Mitschüler sofort die richtige Antwort, doch dass es einen staatlichen Tag gibt, an dem der Gefallenen beider Weltkriege sowie der Opfer des Nationalsozialismus gedacht wird, scheint der dritten Nachkriegsgeneration nur noch bedingt bewusst zu sein. "Ich hätte nicht daran gedacht, dass der Tag am Sonntag ansteht", sagt der 18-Jährige Maxi, der ebenso wie seine beiden gleichalten Mitschülerinnen Sophia und Pauline nicht mit seinem Nachnamen genannt werden möchte.

Ein spezielles Datum habe er nie gebraucht, um sich mit der jüngeren deutschen Vergangenheit auseinanderzusetzen - dafür hätten schon seine Großeltern gesorgt. "Meine Oma hat früher sehr oft erzählt, dass sie noch jeden Tag an der Tür steht und darauf wartet, dass ihr im Krieg verschollener Bruder hereinkommt", erzählt er. Sein Großvater habe ihn zudem häufiger mit auf den Friedhof genommen und anhand eines Kriegerdenkmals erklärt, an wen und weshalb gedacht wird.

Mit ihren zum Teil pathetischen Inschriften wirken die kurz nach dem Ersten Weltkrieg oder in der jungen Bundesrepublik errichteten Erinnerungsstätten inzwischen ziemlich antiquiert - eine mahnende Wirkung scheinen sie indes noch immer zu haben. "Wenn ich eines sehe, bleibe ich stehen und lese mir die Namen durch", sagt Sophia. "Das waren alles Menschen, die Familie hatten und sicherlich nicht alle freiwillig in den Krieg gezogen sind." Sie versuche sich selbst in die Situation der Angehörigen zu versetzen. "In diesem Fall müsste mein Bruder in den Krieg und ich würde womöglich zehn Jahre später an dieser Stelle stehen und seinen Namen lesen müssen", erzählt die Hofheimerin. "Es ist wichtig, dass an die Toten erinnert wird, denn Krieg darf es nie wieder geben."

Den Volkstrauertag, so wie er am Sonntag begangen wird, braucht allerdings auch sie nicht. An allen staatlichen Dienstgebäuden werden die Flaggen dann auf Halbmast gezogen und vielerorts vor Kriegsdenkmälern im Anschluss an Gottesdienste Reden gehalten.

"Wie wäre es stattdessen, vor Ort Hallen anzumieten und eine Ausstellung zu machen?", schlägt sie vor. Von dem derzeitigen Namen, der noch aus dem Gründungsjahr 1919 stammt, halten alle drei Gymnasiasten nichts. "Weltfriedenstag" klänge doch um einiges besser und würde zudem eine wichtige Botschaft transportieren.


Thema in der Schule

Hau kann sich der Meinung seiner Schüler nur anschließen. "Der Name ,Volkstrauertag' klingt schon sehr konservativ und kommt bei den Jugendlichen nicht mehr wirklich an", sagt der Lehrer. Er bringt noch den "Antikriegstag" als weitere Alternative ins Spiel.

Der Volkstrauertag habe zwar keinen kriegsverherrlichenden Unterton, "aber irgendwie eine negative Konnotation", findet Pauline. Die junge Zeilerin bekam als Ministrantin mit, wie nach dem Gottesdienst Kränze niedergelegt wurden. "Aber ungefähr mit zwölf Jahren war das für mich kein Thema mehr." In der Familie habe der Tag zudem keine besondere Bedeutung gehabt. Sie hofft, dass der Volkstrauertag in der Schule im Rahmen des Unterrichts behandelt werden könnte. Nicht groß, aber vielleicht als Teil der Religions- oder Geschichtsstunden. "Es wäre schön, wenn er präsenter ist. Aber nicht als Trauer-, sondern als Friedenstag." Das Geschehene dürfe nicht vergessen werden, müsse aber auf die Gegenwart übertragen werden: "Jeder sollte darüber nachdenken, wie man es besser machen und den Frieden wahren kann", meint die Schülerin aus Zeil.

Der Volkstrauertag

Motiv Der Volkstrauertag ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag und gehört zu den "Stillen Tagen". Er wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen und erinnert an die Kriegstoten und die Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen.

Ursprung Der Volkstrauertag wurde 1919 vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge als Gedenktag für die gefallenen deutschen Soldaten des Ersten Weltkrieges vorgeschlagen. 1922 fand das erste Gedenken im Reichstag statt. 1926 wurde entschieden, den Volkstrauertag regelmäßig am fünften Sonntag vor Ostern zu begehen. Der Volkstrauertag wurde erstmals am 28. Februar 1926 begangen. Überall fanden Feiern für deutsche Gefallene des Ersten Weltkrieges statt, der von 1914 bis 1918 tobte.

Missbrauch Die Nationalsozialisten übernahmen den Volkstrauertag und legten ihn als staatlichen Feiertag fest. Mit dem Gesetz über die Feiertage vom 27. Februar 1934 wurde er in Heldengedenktag umbenannt und sein Charakter alsdann vollständig verändert: Nicht mehr das Totengedenken sollte im Mittelpunkt stehen, sondern die Heldenverehrung.

Erneuerung Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Tradition des Volkstrauertages wieder aufgenommen und nach der Gründung der Bundesrepublik fortgeführt. Im Jahr 1950 fand die erste zentrale Veranstaltung im Bundestag in Bonn statt. Gedacht wird der Toten zweier Kriege. Die zentrale
Gedenkstunde zum Volkstrauertag findet jeweils im Bundestag statt. / Quelle: Wikipedia