Versorgung alter Menschen: Klinik in Haßfurt geht neuen Weg
Autor: Sarah Seewald
Haßfurt, Dienstag, 18. November 2014
Im Haßfurter Krankenhaus sind seit Mai 20 Betten für alte Menschen reserviert. Der Chefarzt Frank Schröder und sein Team behandeln nicht nur die akuten Beschwerden. Sie hinterfragen, wie es beispielsweise zu einem Sturz kommen konnte.
Dieser Husten. Bis nachts um drei Uhr konnte Luise schlafen. "Dann kam ein Hustensturm nach dem anderen", sagt sie. Luise heißt im wahren Leben gar nicht Luise. Sie erzählt zwar offen und ehrlich, wie es ihr geht, möchte aber lieber nicht mit ihrem echten Namen in der Zeitung stehen. Es ist nicht der erste Krankenhausaufenthalt für die 81-Jährige in diesem Jahr. Sondern der dritte. Luise hat seit vielen Jahren Diabetes und kennt Doktor Frank Schröder schon länger.
Jetzt liegt sie zum erstmals im Haus Haßfurt der Haßberg-Kliniken in der neuen akutgeriatrischen Abteilung, die Schröder leitet. In einem Zweibettzimmer und mit Blick auf den kleinen Park, durch den eine Runde nur so lange dauert, als dass es die alten Menschen auch möglichst schaffen können.
Das Leben wieder besser machen
Frank Schröders Patienten sind eigentlich alle alt, oft über 80 Jahre. Jahr für Jahr gibt es immer mehr wirklich alte Menschen: "Der Anteil von älteren Patienten hat in den letzten sechs, sieben Jahren schwunghaft zugenommen", sagt Schröder. Zwischen 50 und 100 Prozent, also fast doppelt so viele wie noch vor rund zehn Jahren.
Dass Luise über 80 Jahre alt ist, sieht man der Dame nicht sofort an. Die weißgrauen Haare sehen fluffig-frisch-gewaschen aus, ihre Wangen blitzen rosa, als hätte sie eben noch mal etwas Rouge aufgetragen. Sie trägt schmale, goldene Hänger am Ohr, selbstverständlich passt auch die feingliedrige Kette dazu. "Wenn man mich so sieht, könnte man meinen, ich bin das blühende Leben", sagt sie mit einem Lächeln, das sie mit Sicherheit schon wieder ein bisschen gesünder gemacht hat.
Luise redet und denkt klar. Das ist bei einigen Patienten in ihrem Alter bereits nicht mehr so. Drei besonders häufige Diagnosen mit "D" sind es, die das Team rund um Schröder noch einmal genauer hinschauen lassen, wie dem Menschen nicht nur akut, sondern auch über längere Zeit und ganzheitlich - "wir gucken auch drum rum" - geholfen werden kann: Demenz, Depression, Delir (eine akute Verwirrtheit). Akutgeriatrische Stationen und ein umfassender Behandlungsansatz, bei dem nicht nur die akute Erkrankung, sondern auch die übrigen Beschwerden hinterfragt werden, haben sich "rasend" in den vergangenen 20 Jahren durchgesetzt, sagt Schröder.
Über den Hausarzt oder hausintern, wenn die Ärzte und Schwestern in der Notaufnahme erkennen, dass die Voraussetzungen - also mehrere Beschwerden und Krankheiten gleichzeitig - passen, werden die 20 Betten vergeben. "Wir könnten freilich mehr aufnehmen", sagt Schröder, aber noch ist im Untergeschoss des Hauses nicht alles ausgebaut.
Haushalt daheim überdenken
Die Liste der Diagnosen können bei älteren, gebrechlichen Menschen lange sein: Herzmuskelschwäche, Lungenentzündung, Verwirrtheit, Inkontinenz, Gelenkschmerzen, Diabetes, Appetitlosigkeit... Die Ursachen und Auslöser für die Beschwerden sind dagegen lange nicht immer eindeutig, sagt Schröder.
Zwei konkrete Beispiele: Wenn ein älterer Patient mit einer Lungenentzündung eingewiesen wird, bekommt er nicht nur Medikamente. "Wir fragen auch: Was behindert den Patienten am allermeisten?", sagt Schröder. Damit der Patient "nachhaltig" möglichst fit und vor allem selbstständig bleiben kann und nicht nach kürzester Zeit mit eben den selben Symptomen wieder erkrankt, gilt es herauszufinden, wo der Patient noch Beschwerden hat und wie diese möglicherweise zusammenhängen können.
Deshalb arbeiten in der Station Logopäden, Psychiater, Ergo- und Physiotherapeuten und Mitarbeiter des Sozialdienstes zusammen. Ein Logopäde kann beispielsweise eine Schluckstörung entdecken und mit Betroffenen für eine Verbesserung trainieren.
Oder: "Alte Menschen brechen sich schnell mal etwas", sagt Schröder. In einer Geriatrie wird nicht nur operiert, sondern auch die Gangsicherheit getestet. "Warum ist er gefallen? Was kann man tun, damit das nicht mehr passiert?" Eine Antwort kann dann auch sein, dass in den eigenen vier Wänden die oberen Schränke bis auf Griffhöhe leer geräumt werden oder die Beleuchtung im Treppenhaus erweitert wird, sagt Schröder.
Wenn die Sonne scheint...
Luise versorgt sich auch noch selbstständig in ihrem Haus. Ihre Tochter wohnt in der Nähe, ihr Enkel wird irgendwann das Haus übernehmen. Noch zeigt sie sich fit - an Tagen, an denen die Sonne scheint sowieso. Aber die alte Dame hat auch zu kämpfen. Seit vergangener Woche mit dem Husten und eigentlich ist da immer irgendetwas, das zwickt und zwackt. "Es will ja keiner ins Krankenhaus müssen, aber ich kann ja schon lange nicht mehr wegfahren - und hier ist das dann ein bisschen wie im Urlaub.
Ich kann meine Zeitung lesen, bekomme leckeres Essen...", sagt Luise. Heute Morgen hat sie gemeinsam mit ihrer Bettnachbarin ein paar Runden auf dem Ergometer getreten, "nach dem Mittagessen legen wir uns meistens erst mal hin, später gehen wir dann vielleicht noch ein bisschen raus", sagt Luise. Langweilig wird es den beiden eigentlich nicht.
Nach Hause
Beide hoffen sie, dass sie in ein paar Tagen wieder nach Hause können - so "gut" hier alles auch sein mag. Und der Anteil derer, die nach der Behandlung wieder nach Hause und nicht in ein Pflegeheim entlassen werden können, "ist deutlich höher", sagt Frank Schröder.
Als Arzt verfolgt Frank Schröder mit seinen Kollegen genau das Ziel: "Unsere Patienten sollen wieder nach Hause können", sagt er. "Das ist ihre eigene Motivation" und nebenbei auch die der Sozialministerien in München und Berlin.