Unterirdische Zustände herrschen am Haßfurter Bahnhof: unzumutbar
Autor: Niklas Schmitt
Haßfurt, Mittwoch, 21. November 2018
Der Haßfurter Bahnhof ist noch immer nicht annähernd barrierefrei. Eine Statusmeldung.
Will man von Haßfurt nach Schweinfurt mit dem Zug fahren, braucht man 13 Minuten und muss 6,80 Euro zahlen. Außer man hat eine Behinderung, muss einen Kinderwagen mitnehmen oder ist auf einen Rollator angewiesen - kann also nicht ohne fremde Hilfe Treppensteigen. Dann dauert die Fahrt 50 Minuten und kostet 20,84 Euro. Ein unzumutbarer Zustand, wie viele Bahnkunden finden. Auf einen Berichtüber die Barrierefreiheit der regionalen Bahnhöfe (der Haßfurter Bahnhof war nicht berücksichtigt), meldeten sie sich online. Knapp 15 Prozent der Teilnehmer einer Umfrage bewerteten den Bahnhof als "gar nicht barrierefrei" - ein vernichtendes Urteil. Damit kritisierten den Zustand des Haßfurter Bahnhofs in der Onlineumfrage so viele Stimmen wie bei keinem anderen in der Region.
Vor Ort ist es nicht schwer, kritische Stimmen zu sammeln. Dass von einer Barrierefreiheit keine Rede sein kann, fanden am Dienstag alle Befragten. "Alleine geht es nicht", meint ein Bahnkunde zur Situation der körperlich Beeinträchtigten, "da muss man mithelfen." Denn ein Mitarbeiter der Bahn, der helfen könnte, ist an dieser Station dafür nicht vorgesehen.
Behinderte im Zug
Die freundliche Mitarbeiterin am Haßfurter Service-Point erklärt die traurigen Möglichkeiten: Wer nach Schweinfurt will, muss in den Zug auf Gleis 2 einsteigen. Das ist allerdings nur nach zweimaligem Treppensteigen hinunter durch die Unterführung und auf der anderen Seite wieder hinauf, zu erreichen. Also bleibt dem beeinträchtigten Bahn-Kunden nichts anderes übrig, als auf Gleis 1 den Zug nach Bamberg zu nehmen, um dort barrierefrei in den Zug nach Schweinfurt umzusteigen.
"Hier passiert einfach nichts", sagt eine Anwohnerin, die den Bahnhof aus ihrer Kindheit kennt. Getan hat sich nichts. "Er ist einfach alt", fasst sie den Zustand lakonisch zusammen. Doch das ist nicht das einzige Problem. Der Geruch in der Unterführung ist sehr penetrant, sagt ein Bahnkunde: "Da unten urinieren die Leute, weil oben eine Toilette fehlt." Manchmal sehe man, dass der Durchgang mit Wasser durchgespritzt worden sei, ergänzt ein anderer. Er fragt sich, ob das Problem bei der Bahn wirklich bekannt ist und wenn, warum man dann nichts dagegen unternimmt. Der Geruch jedenfalls hält sich hartnäckig. Es riecht so, als ob der Urin seit Jahrzehnten im Untergrund versickert wäre.
Dafür, so informiert der "Stationssteckbrief Haßfurt" im Internet, hat der Bahnhof eine "dynamische Fahrgastinfo" und ist für den "Einsatz moderner Niederflurfahrzeuge" geeignet. Schön für all diejenigen, die sich mit moderner Technik auskennen. Für alte Menschen durchaus ein Problem.
Umsteigehilfe vor Ort oder nach Voranmeldung und ein Blindenleitsystem? Fehlanzeige. Die Situation bringt Michael Schulz auf die Palme. Bereits 2008 hat der kommunale Behindertenbeauftragte und Mitglied im Seniorenbeirat einen Antrag bei der Bahn eingereicht, die für den Ausbau zuständig ist. Passiert ist über die letzten zehn Jahre nichts.
Verkehrszentrum Haßfurt
Dabei, so Schulz, benutzen über 2000 Personen am Tag in der Kreisstadt den Bahnhof. Das ist Voraussetzung, um als Bahnhof zu gelten, der es würdig wäre, barrierefrei ausgebaut zu werden. Außerdem verweist er auf die Behinderten- und Seniorenheime in der Stadt. Heike Ehlert vom Alten- und Pflegeheim St. Bruno sagt zwar, "unsere Bewohner fahren relativ selten mit dem Zug", aber wenn es notwendig wäre, gäbe es ein Problem. Dann müsste man sich Hilfe selbst organisieren. Doch sie hat Hoffnung: "Eine Umgestaltung ist gottseidank geplant."