Unorthodox: Aber diese Eheversprechen halten
Autor: Ralf Kestel
Kirchlauter, Freitag, 05. Februar 2016
Bei so mancher Trauung hat sich Peter Kirchner als Standesbeamter in Kirchlauter über die Verwaltungsvorschriften hinweg gesetzt.
Wenn der Amtsschimmel wieherte, ging ihm schon mal der Gaul durch. Peter Kirchner, als Bürgermeister längst im Ruhestand, schmunzelt mittlerweile über den Wust an Bürokratie. Es vergnügt ihn sogar, wenn er liest, was aus so manchen Amtsstuben dringt. So jüngst beim Bericht über die Vorgaben für Standesämter und Trauzimmer (FT vom 27. Januar), wonach sich Eheglück nur in Räumlichkeiten schmieden bzw. stiften lässt, die in einem umfangreichen Verwaltungsakt dafür gewidmet wurden.
"Es müssen feste Richtlinien erfüllt werden, damit ein normaler Raum ein Trauzimmer werden kann", hatte Ullrich Nembach vom Sachgebiet öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landratsamtes, zu dem auch die Standesamtsaufsicht gehört, erklärt. So muss etwa gewährleistet sein, dass der Ort jederzeit für jedermann benutzt werden kann.
Daher kann man sich auch nicht in der eigenen Gartenlaube standesamtlich trauen lassen. "Sind die Räumlichkeiten in privater Hand, gibt es Verträge, die gewährleisten, dass hier regelmäßig Trauungen stattfinden können", so Nembach weiter.
Darüber kann Peter Kirchner nur herzhaft lachen. Ein Ja-Wort, das nur Gültigkeit besitzt, wenn es an einem geeigneten Ort gegeben wurde? Kirchner weiß es besser. Spitzbübisch erklärt er dazu: "Ich habe in meinen 27 Jahren als Bürgermeister mannigfach dagegen verstoßen." Und die Ehen haben - bis auf eine Ausnahme - alle gehalten.
Als Standesbeamter hat Kirchner im Freien getraut, in der Werkstatt, auf dem heimischen Sofa. Und wenn Trauzeugen fehlten, hat er sie auch auf die Schnelle besorgt, beim Straßenkehren aufgelesen, aus dem Gasthaus geholt. Hier seine Geschichten.
Der erste "Sündenfall" des Standesbeamten im Range eines Bürgermeisters trug sich im Juli 1992 zu. Und zwar aus einem Grund heraus, den es nach der früher offiziellen Lesart Kirchners eigentlich nie gegeben hat: der Rivalität zwischen Neubrunn und Kirchlauter.
Es trug sich zu dieser Zeit zu, dass Kilian Sauer des Ecksteins Tochter Irene ehelichen wollte. Just zu dieser Zeit wurde aber die Neubrünner Schule saniert, das dortige Trauzimmer stand also nicht zur Verfügung.
Den Buchstaben der Vorschriften zufolge hätten "wir nach Kirchlauter ausweichen müssen", erinnert sich Kirchner. Eine Vorstellung, die ihn heute noch erschaudern lässt: "Zwei Urur-Neubrünner müssen in Neubrunn verheiratet werden. Das hätte einen Schatten auf die Hochzeitsfeier geworfen, wenn des Ecksteins Tochter in Kirchlauter hätte heiraten müssen. Also haben wir's ganz einfach im Wohnzimmer gemacht", kennt der Ex-Bürgermeister noch ganz genau die Räumlichkeiten im Haus, das direkt neben der Schule liegt. "Somit hatten wir das Standesamt ja noch im Blick."
Damit war's beim nächsten Paar schon vorbei. Noch im selben Jahr folgten Anne Löhr und Paulus Sinner, die für sich das Pettstadter Glockenhaus ausgewählt hatten. Der Peter hatte keinerlei Bedenken oder Skrupel.
Er folgte seinem Leitspruch, den er auch in anderen Lebensbereichen gerne zitiert: "Ein bayerischer Bürgermeister achtet die Gesetze und besonders auf die kommunale Selbstverwaltung. Bei Verwaltungsvorschriften wie die für ein Standesamt ist das etwas anderes, die klopft er auf lokale Auslegungen ab", galt für Kirchner als Devise
Dieses Credo des "Häuptlings der Heiligen Länder" gilt durchaus weit gefasst. "Es gab viele Verordnungen, die in Kirchlauter nicht angewendet wurden", gibt er im Rückblick unumwunden zu. Und fügt noch einen Satz an, den sich andere Bürgermeister durchaus ins Stammbuch schreiben sollten: "Ein Bürgermeister, der einen Hintern in der Hose hat, versteckt sich nicht hinter seiner Verwaltung oder Verwaltungsvorschriften."
Grünes Licht aus Würzburg
Peter Kirchner hat sich die eigenwillige Interpretation der Hochzeitsregeln auf höchster Ebene absegnen lassen. Über seine Tätigkeit im Bayerischen Gemeindetag begegnete er der zuständigen Frau bei der Regierung von Unterfranken und schilderte ihr seine Valentinaden.
"Sie drückte beide Augen zu und versicherte, dass sie nur eingreifen müsste, wenn es Beschwerden gäbe." Sie griff nie ein. "Die Eheschließungen sind alle rechtens", hat sie ihm auch noch versichert.Und so kam es, dass ein Paar unter freiem Himmel, am Käppela hoch über Neubrunn, vermählt wurde, weil sich beide gewünscht hatten, auf ihr Heimatdorf herabzuschauen. "Dabei haben wir sogar einen Stellungswechsel vorgenommen, damit ich auch mal runterschauen durfte."
Bei einem Übersiedler-Paar ging's ganz flott. "Die kamen nicht nur aus DDR, sondern auch ohne Trauzeugen, die damals noch vorgeschrieben waren." Also bat der Bürgermeister an jenem Samstag einen Gemeinderatskollegen, der eben seine Straße kehrte, dass er schnell einmal in der Neubrunner Schule vorbeischauen solle. Den zweiten Zeugen holte er aus dem benachbarten Wirtshaus.Und dann wurde geheiratet.
Bei einem ehemaligen Gastwirt aus Kirchlauter, der bereits zum zweiten Mal heiratete, verkürzte der Bräutigam das Verfahren auf seine Weise: "Peter, Dei Ansprach' kannst Dir sparn, die kenn' ich nuch vom letzten Mal."
Mit der - meist spontanen - Festrede klappte es in einem anderen Fall so gar nicht. "Die Braut war eine Thailänderin, die in einem Brautkleid aus ihrer Heimat kam, das von vorne bis hinten gülden war", erinnert sich der Trauvater noch ganz genau. Aber auch daran, dass "eine Dolmetcherin mit von der Partie war, der ich meine Rede vorher zum Übersetzen zuschicken musste".
Blaumann statt Festanzug
Weniger kompliziert ging's bei einem Hobby-Handwerker zu. "Der wollte unbedingt in seiner Werkstatt heiraten. Also haben wir's gemacht. Er stand im Blaumann da und ich im Blaumann daneben.
Und statt Sekt gab's Bier, Brötla und eine Stange Mettwurst. Als seine Mutter, die von nichts gewusst hatte, in die Werkstatt kam, um von einem Unfall am Ebelsbacher Kreisel zu berichten, verschlug es ihr die Sprache ."Für Überraschungen immer gut, spielte Peter Kirchner auch mit, als ein Bräutigam seinen Freundeskreis überraschen wollte. Den hatte er in ein Festzelt auf seinem Hof eingeladen, als plötzlich der Peter von seinem Sitzplatz im hintersten Eck des Zeltes aufstand, die Urkunde zückte, um das Paar live erst vor der versammelten und verdutzten Menge zu verheiraten.