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Üble Stimmungsmache gegen Flüchtlinge in Haßfurt


Autor: Ronald Heck

Haßfurt, Dienstag, 19. Januar 2016

Mutige junge Frau widerspricht Facebook-Gerücht: In der Haßfurter Innenstadt hat es keine Belästigungen durch Asylbewerber gegeben.
Harmlose Passanten beim Einkaufsbummel in Haßfurt (Bild). In der Kreisstadt brodelte die Gerüchteküche: Auf Facebook wurde kolportiert, es habe in einem Markt in der Innenstadt Übergriffe von Flüchtlingen gegeben. Die Angestellten, Frauen, hätten sich jetzt mit Reizgas bewaffnet. Nichts davon ist wahr. Das Gerücht entpuppt sich nach der Recherche unserer Redaktion als üble Stimmungsmache. Foto: René Ruprecht


Die Gerüchteküche kocht: Gab es in der Haßfurter Innenstadt Belästigungen durch Flüchtlinge? Ein Facebook(FB)-Beitrag macht gegenwärtig unter den Haßfurtern die Runde, löst Empörung aus. Und das in zweierlei Hinsicht.

Seit den Vorfällen der Silvesternacht in Köln, bei denen Frauen sexuell belästigt wurden, wächst vielerorts das Unbehagen gegenüber Flüchtlingen. In den sozialen Netzwerken im Internet hört man immer öfter von Problemen mit Migranten. Angeblich soll es nun Übergriffe in Haßfurt gegeben haben. Wahrheit oder Fake?


Angst vor vielen Flüchtlingen

Seit dem vergangenen Donnerstag verbreitet sich auf Facebook der Post (Beitrag) eines Mannes, der (übrigens in sehr schlechtem Deutsch) berichtet, dass die Angestellte eines Ladens in der Haßfurter Hauptstraße ihn um Hilfe gebeten habe: Wegen eines "plötzlichen Überschusses" an Flüchtlingen im Laden habe sie Angst gehabt; sie sei "betatscht" worden auf dem Weg zum Auto. In einer Bäckerei in der selben Straße habe es auch "zwei solcher Vorfälle" gegeben. Der Mann lobt die "Ladys", dass sie sich nun mit Reizgas bewaffnet hätten. Der Post wurde bislang 369 Mal geteilt.


Knallharte Lügerei

Und ist Schrott: Jedenfalls meldet sich zwei Tage später eine junge Frau aus dem betreffenden Laden in der Stadt und beglückwünscht den FB-Nutzer in direkter Anrede ironisch zu seiner Nachricht, die nicht richtig sei: "Sie wurden weder um Hilfe gebeten noch wurde an dem besagten Tag eine Mitarbeiterin belästigt oder angefasst."

Sie sei mehrmals auf das "Gerücht" angesprochen worden (der Name des Ladens ist genannt). Der Beitrag sei alles andere als "wahrheitsgemäß". Sie hofft, dass ihr Post mindestens auch so oft geteilt (weiterverbreitet) wird, wie der des Mannes: Der Wunsch geht in Erfüllung. Bis Montagnachmittag wird der Post 721 Mal weitergegeben. Andere FB-Nutzer haben also die Nachricht gelesen und geteilt.

Spurensuche in der Haßfurter Einkaufsstraße: In dem Laden, in dem es Ärger mit Asylbewerbern gegeben haben soll, wollen die Angestellten nichts sagen. Von dem Gerücht haben sie sehr wohl gehört. Genau dasselbe in der nahen Bäckerei. Dort heißt es aber, die Vorfälle wären in einer anderen Bäckerei zwei Häuser weiter passiert. Die Verkäuferin da verweist auf die erste Bäckerei: Dort hätte es wohl Probleme gegeben. Es wird deutlich: Passiert ist offenbar nichts, aber jeder redet darüber.


Nichts bekannt

Anruf bei der Polizeiinspektion in Haßfurt: keine derartigen Zwischenfälle, keine Anzeigen wegen angeblicher Belästigung.

Die einzige Ansammlung von Asylbewerbern in der Haßfurter Innenstadt war unterdessen eine Kundgebung am Freitag. Und bei der demonstrierten (angemeldet) etwa 50 Flüchtlinge explizit gegen die Vorkommnisse in Köln, die sie verurteilten. Die Asylbewerber verteilten Blumen an Passanten und bedankten sich damit bei den Haßfurtern für ihre Aufnahme.